Kampf gegen die Drogenkrise In Dortmund gibt es jetzt reines Heroin auf Rezept

In Dortmund gibt es jetzt reines Heroin auf Rezept
Lesezeit

Seit Jahren führt Dortmund eine Debatte über Menschen, die die von harten Drogen abhängig sind. Jetzt gibt es ein neues Instrument, das suchterkrankten Menschen helfen soll.

In einer jetzt eröffneten Diamorphin-Praxis in der Nordstadt erhalten Schwerstabhängige Hilfe. Das, so lautet eine weitere Hoffnung hinter diesem lange vorbereiteten und politisch breit debattierten Schritt, könnte auch die Diskussionen über negative Begleiterscheinungen von Drogenkonsum im öffentlichen Raum beeinflussen.

Lebensqualität steigt

Mit der ärztlich beaufsichtigten Ausgabe eines synthetisch hergestellten und damit vor Verunreinigung sicherem Opioid – Diamorphin – erhält eine bestimmte Gruppe von Abhängigen die Chance auf eine neue Behandlungsmethode.

Bisherige Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass sich dadurch Gesundheit und Lebensqualität der Patienten verbessern. Sie werden von illegalen und unsicheren Heroinquellen entkoppelt.

„Straßenheroin“ ist immer häufiger mit anderen Substanzen gestreckt, die Co-Abhängigkeiten erzeugen und den gesundheitlichen Verfall beschleunigen. Die Vergabe von anderen Ersatzstoffe wie Methadon ist häufig ebenfalls mit dem Konsum anderer Substanzen verbunden.

Es gibt strenge Kriterien für die Aufnahme in diese Art der Behandlung, etwa den Nachweis, dass Wege der Suchtbehandlung bereits erfolglos waren.

Stadt an Praxis beteiligt

Ende Februar hat zu diesem Zweck das „Medizinisch Soziale Zentrum – MVZ Diamorphin-Dortmund gGmbH“ an der Westhoffstraße 8-12 den Betrieb aufgenommen. Hierbei handelt es sich um eine gemeinnützige Gesellschaft, an der die Stadt Dortmund als Gesellschafterin beteiligt ist, wie Sprecherin Anke Widow auf Anfrage dieser Redaktion mitteilt.

Seit Ende April erhalten die ersten Personen das Substitut. Die Vergabe von Diamorphin erfolgt ausschließlich in der Praxis. Das medizinische Versorgungszentrum sei deshalb „keinesfalls nur eine Ausgabestelle für Diamorphin“, so Widow. „Diese Einrichtung ist eine hausärztliche Praxis mit suchtmedizinischer Ausrichtung und zugeteilten Kassensitzen.“

Bis zu 80 Behandlungsplätze

Nach Angaben der Stadtsprecherin gehen Fachleute des Suchthilfesystems und des Gesundheitsamtes gehen davon aus, dass hier 50 bis 70 Schwerstabhängige eine diamorphingestützte Behandlung ermöglicht werden könne. Genehmigt sind bis zu 80 Behandlungsplätze. Dies deckt laut Anke Widow den voraussichtlichen Bedarf für Dortmund.

Es gibt allerdings auch ein Unternehmen aus der Privatwirtschaft, das in Dortmund gern Menschen mit Diamorphin zu medizinischen Zwecken versorgen würde.

Am Brüderweg in der Dortmunder Innenstadt gibt es eine bereits zu diesem Zweck fertig eingerichtete Praxis, die aber bisher nicht eröffnen darf. Eine Unternehmensgruppe, die unter dem Namen „Medikus“ bekannt geworden ist, betreibt in mehreren Städten Diamorphinambulanzen, unter anderem in Dortmunds direkter Nachbarschaft in Holzwickede.

In Dortmund ist der Zugang zum Drogenhilfesystem für das Unternehmen aber verbaut. Es fehlt an einer dafür notwendigen Kooperationsvereinbarung. Dahinter stehen unterschiedliche Auffassungen über den richtigen Ansatz bei diesem sensiblen Thema. Die Dortmunder Suchthilfe und auch die Verwaltung sehen unter anderem die wirtschaftlichen Interessen der privaten Unternehmensgruppe kritisch.

„Diffamierung“ eines Anbieters?

Dr. Christian Plattner, einer der Mediziner hinter den privaten Ambulanzen, sieht darin eine „Diffamierung“ seines Angebots. Er sieht einen größeren Bedarf in Dortmund, als ihn die Stadt errechnet habe. Die Wahlfreiheit zwischen mehreren Ambulanzen sie für die Patienten „überlebenswichtig“.

Plattner sagt in einem Gespräch im April 2025: „Wir sind froh, dass es die städtische Ambulanz jetzt gibt. Ohne uns wäre sie vermutlich nie entstanden. Aber jetzt wird es Zeit, mal wegzugehen von ideologischen Grabenkämpfen.“

Die Stadtverwaltung teilt auf Anfrage mit, dass sie eng mit „mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren des Dortmunder Suchthilfesystems“ zusammenarbeite. „Mit privaten Interessentinnen und Interessenten gibt es derzeit keine Kooperationsvereinbarungen“, sagt Anke Widow.

Heroin-Patienten in der Wilhelmstraße: Besuch in den Ruheräumen der Holzwickeder Ambulanz

Lager der Heroin-Patienten geräumt: Holzwickeder Ordnungsamt entfernt Sofas und Teppich