
© Verena Hasken (Illustration)
Dortmund, die Stadt der kaputten Straßen
Kolumne: Klare Kante
Schlechte Straßen und Wege landeten bei einer Forsa-Umfrage im Jahr 2014 auf Platz 1 der Dortmunder Probleme. Wirklich geändert hat sich seitdem nichts, beobachtet unser Autor.
Sommer 2018. Stau auf der Autobahn, also fahren wir auf dem Weg zu Freunden in Herdecke durch den Dortmunder Süden. Was mir als Vielfahrer durch Dortmund schon kaum mehr auffällt – ich kenne es nicht anders und bin Kummer gewohnt – schockt die Frau an meiner Seite. Sie hat Angst um unser Auto, als ich kilometerlang über Schlaglochpisten und Flickenteppiche holpere. War da nicht was? Doch, da war was.
Vor der Kommunalwahl fragte im Mai 2014 das Meinungsforschungsinstitut Forsa die Dortmunder, welches die größten Probleme der Stadt sind. Dabei landeten die miesen Straßen und Wege in Dortmund mit Abstand auf Platz 1. Gut vier Jahre später könnte man die Umfrage wiederholen. Wetten, dass das Ergebnis heute noch genauso verheerend ausfiele?
"Offensive für bessere Straßen" verpufft
Im September 2014 kündigte die Stadt eine „Offensive für bessere Straßen“ an. Doch das zur Verfügung gestellte Geld wurde in den Folgejahren nie wirklich ausgegeben. 2016 wurden beispielsweise rund 60 Prozent der bereitgestellten Mittel nicht genutzt. Und auch 2018, so kündigte Tiefbauamtsleiterin Sylvia Uehlendahl schon im März an, werde man das geplante Straßenbau-Programm nicht schaffen.
Optimistischer klingt sie auch im Spätsommer 2018 nicht.
Nach wie vor sind etwa 172 Kilometer Straßen in Dortmund „dringend sanierungsbedürftig“. Das gleicht der Strecke von Dortmund bis nach Kassel. Auch wenn man in den vergangenen Jahren einige Kilometer saniert habe, seien ja neue Straßen inzwischen in diese Kategorie abgerutscht, sagt die Tiefbau-Chefin. Das klingt nach Resignation.
Es fehle an Ingenieuren, an Fachkräften, an Firmen, die akzeptable Angebote abgeben, sagt sie. Ganz falsch ist das sicher nicht. Und ja, es gab und gibt auch noch andere große Aufgaben, um die sich die Stadt kümmern muss – Wohnungen, Kindergärten, Schulen, um nur einige zu nennen.
Hat die Stadt die Straßen als Problem Nummer eins angenommen?
Und doch muss die Frage erlaubt sein, ob die Stadt wirklich das von den Dortmundern als wichtigstes Problem erkannte Thema auch für sich als Problem Nummer eins angenommen hat. Die Zahlen sprechen dagegen. Dazu drei Überlegungen:
1. Die Stadt sagt, unter den besonders miesen 172 Straßenkilometern seien 120 Kilometer Straßen, die noch nie richtig ausgebaut wurden. Es sind provisorische Straßen, die immer wieder nur geflickt werden – auf Kosten der Allgemeinheit. Würde man sie endgültig ausbauen, würden auch die Anwohner zur Kasse gebeten werden. Das würde in den betroffenen Straßen sicher keinen Beifall auslösen, hätte aber zur Folge, dass in diesen Straßen für Jahrzehnte Ruhe wäre und die Allgemeinheit entlastet würde.
Die Allgemeinheit, das sind übrigens die, die schon für den Ausbau der Straße vor ihrer Haustür bezahlt haben. Zuweilen drängt sich bei mir der Eindruck auf, als schicke die Stadt lieber einen Flick-Trupp los als den Dauer-Provisorien endlich ein Ende zu bereiten. Das riecht nach Feigheit vor dem Anlieger der Behelfs-Straßen.

Redakteur Ulrich Breulmann ärgert sich über die miesen Straßen und Wege in Dortmund. © Dieter Menne
2. Wenn man zu lange mit der Sanierung einer Straße wartet, rutscht sie irgendwann in die mieseste Kategorie ab und muss komplett erneuert werden. Die Gefahr ist groß, denn 712 Kilometer Straßen in Dortmund – eine Strecke von Dortmund bis Malmö in Schweden – sind 50 Jahre und älter, da sind Schäden geradezu zwangsläufig.
Wer auf diesen Straßen rechtzeitig Risse, Löcher und poröse Stellen ausbessert, der kann komplette Neubauten und damit immense Kosten vermeiden. Daher ist es geradezu absurd und aberwitzig unwirtschaftlich, erst dann aktiv zu werden, wenn nichts mehr zu retten ist.
3. Trotz aller lautsprecherischen Ankündigungen und Versprechungen, dass man jetzt das Problem der maroden Straßen in Dortmund ganz bestimmt angehen werde, ist in den vergangenen vier Jahren nichts wirklich besser geworden. Und dass sich das ändert, ist auch nicht absehbar. Ehrlich wäre es da, die Ortsschilder an den Eingangsstraßen auszutauschen, um Besucher zu warnen: „Dortmund – Stadt der kaputten Straßen“.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
