Die Saxophonistin Nubya Garcia verpasst ihrem Publikum im Domicil einen kurzen Schock

© Max Florian Kühlem

Die Saxophonistin Nubya Garcia verpasst ihrem Publikum im Domicil einen kurzen Schock

rnKonzert in Dortmund

Die Londoner Saxophonistin Nubya Garcia spielte mit ihrem Quartett im Domicil Dortmund. Nach einer knappen Stunde gab es dabei einen kurzen Schock-Moment für ihr Publikum.

Dortmund

, 08.04.2019, 15:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Eigentlich hätte die Saxophonistin Nubya Garcia vor zwei Monaten schon auf der Bühne des Domicils stehen können – als Teil des Londoner Spiritual-Jazz-Kollektivs Maisha. Doch weil die 28-Jährige zu den aufsteigenden Sternen der angesagten Londoner Jazzszene gehört, hatte sie gut mit ihrem Solo-Projekt zu tun und ließ sich vertreten. Jetzt konnte das Dortmunder Publikum Nubya Garcia doch noch erleben, mit dem eigenen Quartett. Zum Glück.

Wer zu den ganz großen Vorbildern der jungen Saxophonistin gehört, ist schon bei ihrem ersten Solo deutlich zu hören: John Coltrane. „Ein paar Jahre lang habe ich fast täglich sein Album ‚A Love Supreme‘ gehört“, erklärte sie einmal im Interview.

Auf der Bühne des Domicils spielt sie ausschließlich Tenorsaxophon und folgt dabei den Spuren ihres Vorbilds mit Elementen von Cool Jazz, Hard Bop oder Modal Jazz, der Free Jazz von Coltranes späten Jahren findet höchstens in kurzen, kontrolliert-chaotischen Ausbrüchen Anklang.

John Coltrane gehört zu den ganz großen Vorbildern der jungen Saxophonistin.

John Coltrane gehört zu den ganz großen Vorbildern der jungen Saxophonistin. © Max Florian Kühlem

Manchmal scheint ein weiterer Riese auf, auf dessen Schultern sie steht: Pharoah Sanders, der nach dem frühen Tod John Coltranes auf den legendären Alben seiner Frau Alice Coltrane mitwirkte. Wie Sanders mag Nubya Garcia das mäandernde, zwischen Stilen und Strukturen changierende Spiel.

Langgezogene Töne berühren die Zuschauer

Ihre langen Stücke schwellen oft minutenlang an und münden in energische „Schreie“ des Saxophons, langgezogene Töne, die emotionale so aufgeladen sind, dass sie die Zuhörer tief berühren. Dann stellt sich die Frontfrau plötzlich an den Rand und überlässt die Bühne für erstaunlich lange Zeiträume ihrer großartigen Band.

Besonders überzeugen können Joe Armon-Jones an Klavier und Keyboard und Daniel Casimir am Kontrabass. Armon-Jones spielt manchmal mit der linken Hand den Flügel und der rechten das E-Piano, sein Ton ist klar und konturiert, er schafft es nach den wildesten Ausbrüchen, wieder Ruhe und Poesie ins Spiel zu bringen.

Casimirs Bassspiel ist ungemein wandlungsfähig. Er kann so klassisch begleiten, als wäre er mit einer Zeitmaschine aus den 1960er-Jahren hergereist, aber er kann den Sound auch in Richtung Reggae und Dub verschieben und anschieben.

Ausführliche Zugabe mit langem Solo

Nach einer knappen Stunde verpasst Nubya Garcia ihrem Publikum kurz einen Schock: „Es ist Sonntag und wir wollten nur ein kurzes Set spielen. Das ist unser letztes Stück.“ Obwohl es sehr lang ausfällt, klatschen die zahlreichen Besucher danach allerdings so ausdauernd, dass sie mit ihrer Band für zwei ausgedehnte Aufenthalte zurückkehrt und beim ersten sogar ein langes Solo ganz ohne Begleitung spielt.

Auf einmal horcht man auf: Sie entlockt ihrem Instrument Multiphonics, also zwei Töne gleichzeitig. Das Tolle ist dabei, dass solche Gimmicks bei ihr nicht wie die Ausstellung von Virtuosität wirken, sondern in einen organischen Fluss aus Tönen passen, dem man sich gerne hingibt.