Seit einem Jahr gibt es sie, die Ehe für alle: Seitdem dürfen Männer zum Beispiel auch Männer heiraten. Sascha und Thorsten haben das getan - und finden: Es ist jetzt noch schöner.

Dortmund

, 19.10.2018, 03:40 Uhr / Lesedauer: 4 min

Seit einem Jahr lässt das Gesetz die Ehe auch zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern zu. Ein Herz und eine Seele sind Sascha (45) und Thorsten (43) schon seit 2001. Eine eingetragene Lebenspartnerschaft haben sie seit Mai 2015. Eine „eingetragene Lebenspartnerschaft“ ist nicht gerade das, was ihr Gefühl für einander ausdrückt. Eher ein nüchterner Begriff. Aber Nüchternheit ist nicht gerade das, was eine Ehe ausmacht.

Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist nicht mit der Ehe gleichgestellt, auch wenn es bei Steuern und Erbrecht keine Unterschiede gibt - hingegen schon beim Kindschaftsrecht. Betroffene fühlten sich aber allein schon durch die Begriffe diskriminiert.

Ein Ehepaar seit dem 12. September

So war es keine Frage, als klar war, dass sie nun heiraten dürfen. Auch wenn es ein bisschen gedauert hat: Seit dem 12. September sind die beiden nun ein Ehepaar, Sascha und Thorsten Koesters, geb. Elfert.

Seit September tragen Sascha und Thorsten Koesters einen Ehering.

Seit September tragen Sascha und Thorsten Koesters einen Ehering. © Oliver Schaper

Dass sie den Schritt erst jetzt vollzogen haben, hat mit ihren Jobs zu tun, beide arbeiten im Schichtdienst, beide sind viel unterwegs: Sascha als Verkehrsmeister bei DSW, Thorsten als „Duty-Manager“, eine Art Betriebsleiter bei der Fluggesellschaft Condor. „Sascha hat die Berufspendler, ich die Touristen“, lacht er. Kennengelernt haben sie sich aber nicht über den Job, sondern im Internet.

Die Heirat jetzt sei nochmal ein besonderer Schritt gewesen, erzählen sie: „Wir haben gedacht, na ja, wir gehen dahin, und holen uns halt einen anderen Zettel ab. Aber es war richtig mit schönen Worten und einem Hochzeitskuss“, erinnert sich Sascha. Die ganze Hausgemeinschaft aus Aplerbeck hat mit ihnen gefeiert. Hier fühlen sie sich wohl, wollen eigentlich auch gar nicht mehr weg.

In Dortmund wurden bis zum 17. September 279 gleichgeschlechtliche Paare getraut, Davon ließen sich 199 Paare trauen, die zuvor eine Lebenspartnerschaft eingegangen waren. Insgesamt schlossen in diesem Zeitraum 155 männliche und 124 weibliche Paare eine gleichgeschlechtliche Ehe.

Die schönste Zeit im Leben

Es fühle sich mit Trauschein einfach anders an, sagt Thorsten: „Man fühlt sich gefestigt“. Ohnehin finden beide, sei doch jetzt irgendwie die schönste Zeit im Leben: „Die Flausen sind aus dem Kopf. Die Werte, die die Eltern früher vermittelt hätten, und die man damals eher als langweilig empfunden habe, fangen an, eine Rolle zu spielen“, sagt Thorsten. Alles sei geordnet und geerdet. Nun auch amtlich mit Trauschein.

Nicht nur für die beiden fühlt es sich mit Trauschein offenbar ein bisschen anders an. Sascha erzählt, seine Mutter habe sich schnell an den Gedanken gewöhnen können, dass er homosexuell ist. „Mein Vater hat vorher immer gesagt, eine Frau wäre ihm lieber. Seit wir verheiratet sind, spricht er von Thorsten auch als von ‚meinem Mann’.“

Im Alltag gibt es noch immer irritierte Nachfragen. Wie jetzt gerade beim Neuwagenkauf: Die Fahrer sollten eingetragen werden in dem Vertrag. Im Gespräch war von Ehepartnern die Rede. Als da zwei Männernamen standen, rief der irritierte Autoverkäufer an.

Im Zeitraum 1. Oktober 2017 bis 17. September 2018 wurden in den Trauzimmern des Standesamt Dortmund insgesamt 2730 Eheschließungen durchgeführt.

Die Leute müssen sich einfach noch dran gewöhnen

Die beiden sehen das gelassen. Sie fühlen sich nicht diskriminiert. Das alles sei nicht böse gemeint, die Leute müssten sich halt einfach noch ein bisschen dran gewöhnen. Es gibt sie, die kurzen Blicke, wenn sie Hand in Hand öffentlich unterwegs sind: Die kurze Taxierung mit Blicken, die Einordnung, okay. Auffällig sind die beiden schon deshalb, weil Sascha es ist: Viele Tattoos, Piercing an den Ohren.

Die beiden sind viel unterwegs, mit dem Motorrad und auf Reisen. Im Dezember geht es wieder nach New York. Zum wiederholten Mal. Eine Art große Liebe für beide: Sie waren schon oft dort. Dieses Mal geht’s mit Freunden los. Ein bisschen New York ist auch im heimischen Wohnzimmer: Es gibt Bilder und Kissen mit Motiven aus der Metropole.

Sascha (l.) und Thorsten Koesters.

Sascha (l.) und Thorsten Koesters. © Oliver Schaper

Sie waren auch schon mal mit der Oma dort. Eine „coole Socke“ sei seine Oma Ilse gewesen, sagt Thorsten. „Sie hat Sascha sehr gemocht“. Mit 72 Jahren setzt sich Oma Ilse mit den beiden Männern in den Flieger und erfüllt sich ihren Traum New York.

Auch Gran Canaria besucht das Paar regelmäßig. Thorstens Mama war auch schon mal mit, samt Freundin. Saschas Eltern hätten das sicher auch schon getan, wäre da nicht die Flugangst. Nun fahren sie eben gemeinsam in den Allgäu.

Bald geht es wieder in den Flieger nach New York

Beide Männer haben heute ein gutes Verhältnis zu den Eltern. Das ist ihnen wichtig: Sie besuchen die Familie regelmäßig. Der Weg dahin war für die beiden ein anderer: „Ich habe mich nie geoutet“, erzählt Thorsten. „Aber ich habe gemerkt, dass meine Mutter es wusste. Sascha hat sogar mal eine Freundin „zuhause vorgezeigt“, um Ruhe zu haben. Als er dann irgendwann das erste Mal mit Thorsten nach Cran Canaria wollte, haben seine Eltern ihm - nur ihm - einen schönen Urlaub gewünscht. Das hat ihn so wütend gemacht, dass er einen langen Brief an die Eltern schrieb. Quintessenz: Wenn sie, die Eltern meinten, sie kämen damit klar, dann sollten sie sich melden. Sie taten es schnell, seitdem ist alles gut.

Eingetragene Lebenspartnerschaften wurden im Standesamt Dortmund 2014: 64 eingetragen, 2015: 62, 2016: 54 und 2017 bis einschließlich September 38.

Wenn es jetzt bald in den Flieger nach Amerika geht, dann werden die beiden das tun, was sie seit Jahren tun, und sich ein bisschen auf die Schippe zu nehmen: „Bei uns in der Branche gibt es ja mehr Homosexuelle als sonst“, lacht der Condor-Mann Thorsten. Bei manchen sei das ja klischeehaft sichtbar, wenn nicht, dann raten sie im Flieger. Auch wenn die Flausen aus dem Kopf sind: Spaß muss sein. Dafür sind die beiden immer zu haben, und als Ehepaar macht es offenbar doppelt Spaß.

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