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Die drei größten Probleme für das digitale Lernen an Dortmunds Schulen
Tablets für Schüler
Dortmunds Schüler sollen Zehntausende neue digitale Endgeräte bekommen. Doch bis der erste Schüler ein neues Tablet oder Laptop in der Hand halten wird, dauert es noch.
Die Absicht ist gut und es klingt eigentlich ganz einfach: Weil die Corona-Krise gezeigt hat, wie wichtig die Ausstattung mit digitalen Lernmitteln ist, muss die Situation an allen Schulen in NRW schnell verbessert werden.
Das Land NRW stellt über den so genannten „Digitalpakt“ Geld zur Verfügung, die Stadt Dortmund als Schulträger muss jetzt dafür sorgen, dass die Geräte angeschafft werden.
Aber so einfach ist es eben nicht. Es deutet deshalb im Moment wenig darauf hin, dass es so schnell digitale Geräte für alle Schüler in Dortmund geben wird.
Das sind die drei größten Probleme:
1. Die iPad-Frage
Der Dortmunder Medienkünstler Daniel Schlep, mit Projekten zu Computer-Upcycling und digitaler Bildung viel an Dortmunder Schulen unterwegs, stellt „die iPad-Frage“.
Er zielt damit auf ein Thema ab, das gerade alle Kommunen beschäftigt: Von welchem Anbieter kommen eigentlich die Geräte?
Die Stadt Dortmund reagiert auf diese Frage bisher sehr zurückhaltend. Genauer gesagt: Sie beantwortet gar nicht, ob es schon eine Festlegung gibt und welche Verpflichtungen und Kosten damit verbunden wären.
Dies sei Teil einer Vorlage der Verwaltung für die Mitglieder des Rates der Stadt Dortmund und sollte deshalb nicht vorab öffentlich diskutiert werden, teilt die Stadt-Pressestelle mit.
Der Stadtrat tagt am 8. Oktober noch einmal in seiner alten Besetzung und wird dann aller Voraussicht nach auch das Thema Digitalgeräte beraten. Bis dann darauf Aufträge entstehen, kann es dauern. Zumal der Markt gerade leer gefegt ist und die Preise für Laptops und Tablets stark steigen.
Abhängigkeit von großen Anbietern wird kritisch gesehen
Daniel Schlep hält es für falsch, sich in die Abhängigkeit eines großen Tech-Konzerns wie Apple oder Samsung zu begeben. „Speziell iPads sind kein Zeichen für digitale Teilhabe, da sie das Verständnis für die Prozesse hinter modernen Medien stark einschränken“, so Schlep.

Der Medienkünstler und Medienpädagoge Daniel Schlep befürchtet, dass Schulen zu stark von Großkonzernen abhängig werden könnten. © Daniel Schlep
Gerade Schulen sollten aus seiner Sicht in diesem Zusammenhang als Vorbild wirken. „Sie sollten Schülerinnen und Schüler nicht in die Richtung eines kommerziellen Anbieters lenken und Geräte, Systeme und Programme einsetzen, die für alle Menschen möglichst direkt verfügbar sind“, sagt Daniel Schlep.
Bei einem Unternehmen wie Apple setzten sich Schulen einem geschlossenen System aus, in dem es den Zwang zu einem Account in der Apple-Cloud gibt. Wenn der Support für ein Betriebssystem ausläuft, könnten teure Neuanschaffungen schon bald wieder notwendig werden.
Medienpädagoge spricht sich für verstärkten Einsatz wiederverwerteter Geräte aus
Stattdessen plädiert Schlep für einen stärkeren Einsatz aufgewerteter Alt-Computer und offener Betriebssysteme wie Linux. In Dortmund gibt es bereits erste Modellprojekte an Schulen, die wiederverwertete Geräte einsetzen, die sonst im Elektroschrott gelandet wären.
Der Medien-Pädagoge beobachtet bei den Entscheidungsträgern eine große Unsicherheit beim Umgang mit dem Thema. Dies gelte für die Entscheidung, wie das Fördergeld des Landes jetzt eingesetzt wird. Es gelte aber auch für den Umgang mit vorhandenen Geräten in den Schulen.
Die Vorsitzende der Dortmunder Stadteltern, Anke Staar, sieht „Versäumnisse der Kommune“. In den vergangenen Jahren seien falsche Prioritäten gesetzt worden. „Es reicht nicht, nur W-Lan zur Verfügung zu stellen und Smarttafeln aufzustellen, von denen niemand weiß, wie sie genutzt werden“, sagt sie.
2. Was müssen Eltern leisten?
Das derzeit bereitgestellte Geld reicht in der Regel nicht aus. Was dazu führt, dass es an vielen Schulen unterschiedliche Regelungen gibt, wie viel und auf welche Weise Familien für die Schulgeräte zuzahlen.
In Dortmund gibt es Schulen, an denen Eltern, die sich den Anteil nicht leisten können, die Möglichkeit haben mit einer externen Firma einen Kreditvertrag abzuschließen.
Einkommensnachweise in der Schule
Sie müssen dann im Zusammenhang mit der Schule Einkommensnachweise und persönliche Verhältnisse offen legen. Die Stadteltern-Vorsitzende Anke Staar hält das für nicht akzeptabel. „Das sind Dinge, die die Schule erst einmal nichts angehen.“
Die jetzige Situation schaffe eine „enorme Ungleichheit“. Dabei haben die Erfahrungen der vergangenen Monate zwischen Distanzunterricht und Regelbetrieb gezeigt, dass gerade diese Ungleichheit eines der größten Probleme des digitalen Lernens ist.
Ein Beispiel aus einer Dortmunder Hauptschule und aus einem Gymnasium verdeutlicht die Dimension. In einer fünften Klasse gaben am Gymnasium acht von 29 Schülern an, zuhause keinen Zugriff auf ein Arbeitsgerät zu haben. An der Hauptschule sind es 20 von 25. Der Bedarf ist also riesig.
3. Wer ist eigentlich zuerst dran?
Das alles führt zu weiteren Fragen: Wenn die Geräte einmal da sind, wer bekommt dann eigentlich zuerst welche? Und: Was ist mit Familien, die sich den Eigenanteil nicht leisten können?
Das NRW-Schulministerium kündigt im „Digitalpakt“ finanzielle Hilfe für „benachteiligte“ Kinder an – ohne dies genauer zu definieren. Diese Aufgabe landet letztlich wieder bei den Schulen. Die dann nach einem uneinheitlichen und intransparenten System selbst festlegen, welche Familie unterstützt wird und welche nicht.
Apple-Kritiker Daniel Schlep befürchtet, „dass die Leute, die jetzt darüber entscheiden, was angeschafft wird, nicht die notwendige Medienkompetenz haben“.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
