Verfassungsfeindliche Symbole? Islamisten, die auf Arabisch etwas fordern, was dem Grundgesetz widerspricht? Nach derartigen Vorfällen hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärt, er wolle eine Deutsch-Pflicht für Demonstrationen prüfen. Aber: Ginge das so einfach? Und was wäre die Folge?
„Das wäre nicht integrationsfördernd“, sagt ein Dortmunder, der auf seiner Pro-Palästina-Demo Deutsch gesprochen hat: Dr. Hisham Hammad ist Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde. Als der Zahnarzt mit deutschem Pass zur Eröffnung der großen Kundgebung am 28.10.2023 zwischen Hauptbahnhof und Fußballmuseum zu rund 2.500 Menschen sprach, tat er das fast ausschließlich auf Deutsch.
Freiwillig nur Deutsch gesprochen
Hammads einzige arabische Sätze waren Übersetzungen der Demo-Vorgaben von der Polizei. Dass nur Deutsch skandiert werden sollte, kam hingegen von den Veranstaltern selbst. „Freiwillig“, wie er betont. Nur - und auch das will Hammad unterstreichen: Eine generelle Pflicht dürfe das ja nicht sein.
Das würde doch alle ausschließen, die die deutsche Sprache nicht gut genug beherrschten. Sie hätten dann keine hörbare Stimme mehr.
Dem schließen sich Juristen an. Sei eine solche Einschränkung rechtlich zulässig, fragt sich auch Dr. Maximilian Stahm - um dann eine eindeutige Antwort zu geben.

Vier entscheidende Fragen
„Ich würde klar sagen: Nein!“, kontert der Dortmunder Rechtsanwalt: „Grundsätzlich gilt eine Versammlungsfreiheit“ - und die könne nur eingeschränkt werden, wenn es der Sicherheit diene. Die Versammlungs-, die Meinungs-, die Pressefreiheit - sie gelte es zu schützen und zu verteidigen. Wer sie einschränken wolle, müsse vier Fragen eindeutig mit Ja beantworten.
Wäre der Zweck eines solchen Verbotes legitim? Wäre die Maßnahme geeignet, um das Ziel zu erreichen? Ginge es nur durch diese Maßnahme? Wäre die Maßnahme tatsächlich angemessen? Bei mehreren dieser Punkte wäre Stahms Antwort: Nein.
„Als wäre der Staat zu bequem“
„Wir würden jeden, der nicht deutsch spricht, davon ausschließen, an Veranstaltungen teilzunehmen.“ Und das könne nicht nur Menschen mit ausländischen Wurzeln betreffen, sondern auch Menschen, die sich halt nicht so gut artikulieren können.
„Das klingt, als wäre der Staat zu bequem, seine Arbeit zu machen.“ Polizei, Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft müssten sich eben immer wieder neu auf Parolen und Symbole einstellen - bei Islamisten wie bei Neonazis oder radikalen Linken.

„Empört über die Forderung“
„Ich bin empört über eine solche Forderung“, ärgert sich Fatma Karacakurtoglu, die Vorsitzende des Flüchtlingsfördervereins „Train of Hope“. Reuls Überlegung sei „demokratiefeindlich. Wir haben auch Menschen, die noch nicht so lange in Deutschland leben und sich in der deutschen Sprache nicht ausdrücken oder nicht so gut ausdrücken können.“
„Unser Problem mit solchen Forderungen und der aktuellen Debatte ist, dass das Vertrauen in die Demokratie, das wir jahrelang mit unserer Arbeit aufgebaut haben, erschüttert wird.“ Die Folge wäre, dass „sich die Menschen eher abwenden“.
„Darf Worte und Parolen wählen“
„Wir leben in einem großen Dorf“, findet Hisham Hammad. Der Vorteil, den viele Migranten hätten: die Mehrsprachigkeit, die es zu fördern gelte. Wer Verbote fordere, argumentiere an der Realität vorbei. Der Düsseldorfer Versammlungsrechtsexperte Dr. Jasper Prigge schließlich sagt: „Ein solches Verbot würde auch nichts bewirken.“

„Ich kann völlig legale Parolen auf Englisch, auf Französisch, auf Arabisch rufen. Und ich darf meine Worte ebenso wählen wie meine Parolen.“ Der Staat dürfe erst dann eingreifen, wenn etwas Verbotenes passiere. Und in dem Punkt müssten sich die Ermittlungsbehörden eben gut aufstellen.
Rechtsanwalt Dr. Maximilian Stahm ist spezialisiert auf Arbeitsrecht, Vertrags-, Sport- und Verkehrsunfallrecht. Außerdem ist er als Dozent an der International School of Management tätig. Als RN-Experte beurteilt und kommentiert er für uns aktuelle Rechtsfragen.
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