Der feine Jochen Malmsheimer: Ein Groß- und Übermeister deutscher Zunge und Sprachkunst
Ruhrhochdeutsch
Wo Jochen Malmsheimer auftritt, kommt man aus dem Giggeln nicht heraus. Ein schön ziselierter Witz jagt den nächsten. Im Spiegelzelt redete er über die Familie - die eigene, versteht sich!

Jochen Malmsheimer beim Ruhrhochdeutsch-Festival 2018 © Oliver Schaper
Dann und wann passiert es, dass man als Chronist dem Vortrag eines Künstlers der schreibenden, sprechenden Zunft lauscht, dessen Talent so imponiert, dass man neidvoll erkennt, dass es um die eigenen Fähigkeiten eher bescheiden steht.
Der jüngst verstorbene Wiglaf Droste war so ein Verbal-Akrobat, Jochen Malmsheimer ist auch einer. Völlig egal, ob er Altes oder Neues auftischt – immer besticht der Mann mit einer Sprachverliebtheit, die im Witz den Humus hat, um richtig aufzublühen und allerschönste Früchte abzuwerfen.
Jochen Malmsheimers Auftritt am Mittwoch im (vollen) Spiegelzelt war ein Hochgenuss von der ersten bis zur letzen Minute. Er verwaltet ein Schatzkästlein, bordvoll mit geschliffenen Formulierungen: punktgenaue Alltags-Skizzen, barock verschwurbelte Steigerungen ins Absurde, ätzend scharfe Typenkomik, die stets auf präziser Beobachtung fußt.
Jochen Malmsheimers aktuelles Programm „Halt mal, Schatz!“
Na klar, was hat man öfter vor Augen als die eigene Familie? Die nämlich steht im Mittelpunkt von Malmsheimers aktuellem Programm „Halt mal, Schatz!“. Ein Streifzug, der im Kreißsaal beginnt, mit der Kita und dem familiären Camping-Urlaub weitergeht.
Hier spricht der Papa, ein Mann für alle Fälle. Der Kerl, der laufend Müll rausbringt, weil die Göttergattin ihn ständig ermahnt. Der Macher, der Zelte aufbaut, die schon die Belagerung Wiens durch die Türken sahen. Der Unerschrockene, der sich der Peinlichkeit eines Elternabends in der Waldorf-Kita aussetzt.
Um dort, umringt von „Dämmstoff-Fressern“, auf einen steinharten Dinkelkeks zu beißen, eine „Kies-Oblate“, die als „Duschmünze aus der Zeit der Hethiter“ durchgehen würde.
Malmsheimer echauffiert sich über die Sekte der Waldorf-Jünger
Herrlich, wie Malmsheimer sich über „die Sekte“ der Waldorf-Jünger echauffiert. An der Tür zum Kindergarten eine „mundgeblasene, gesäßglasierte Türklingel, die im Inneren den Schrei eines Yaks auslöst“. Erst naht „eine sechsschrötige Dame mit Tätowierungen wie Höhlenmalerei“. Der „Cro-Magnon-Frau“ folgt ein zweites „pluderhosiges, rundbebrilltes, Birkenstock-beschuhtes Muttertier“.
Diese bildreiche, hinterlistig vertrackte Sprache aufzuschreiben ist das eine. Die Sätze (samt Einschüben und Randwitzen) in hoher Geschwindigkeit verständlich pointiert herauszukanonieren ist der andere Teil von Malmsheimers Kunst.
Der Abend beginnt und endet mit Anekdoten zu Hosenscheißern, die das Leben ihrer Eltern völlig umkrempeln. Die Reportage um ein glitschiges, Pipi-feuchtes Bündel, das nachts um drei nach Muttermilch quäkt, ist schönste Realsatire. Und brüllend komisch.