
© Knut Vahlensieck (Archiv)
Das Solendo brachte die Party-Szene in den Dortmunder Hafen
Dortmunder Nachtleben-Legenden
Noch vor ein paar Jahren war der Hafen ein totes Pflaster für Partygänger. Das Solendo, Dortmunds erster Strandclub, änderte das. Seine Geschichte endete mit einem Haufen Ärger.
Das Hafenbecken zählt heute zu den urbanen Aushängeschildern der Stadt: Direkt im Schatten des Alten Hafenamts arbeiten Kreative und Start-ups in einem Coworking-Space, auf der anderen Seite genießen Ausflügler und Dortmunder an Sommertagen im „Herr Walter“ und am „Umschlagplatz“ bei einem Bier oder einem Glas Wein die Aussicht auf die Kräne und Verladehallen, weiter nördlich sind Künstler in die leerstehenden Speicher gezogen.
Urbar gemacht hat diesen Szene-Boden ein Laden, der längst Geschichte ist: das Solendo. Den Pionier der Gastro- und Ausgehszene am Hafen gab es nur wenige Jahre - doch er hat dauerhafte Spuren hinterlassen.
Aus tristem Lkw-Parkplatz wird Strandclub
Es war 2005, als auf der Schotterfläche am Hafenbecken zwischen den alten Rhenus-Speichern Alpha und Beta - dort, wo sich über zehn Jahre später der Umschlagplatz breitmachen sollte - ein Dutzend Laster vorfuhren. Sie schütteten mehr als hundert Tonnen Sand aus und verwandelten den tristen Lkw-Parkplatz in einen Strand. Dazu kamen noch Liegestühle, ein paar Tische und eine Bar, außerdem noch ein echtes Segelboot - fertig war Dortmunds erster Strandclub.
Dahinter steckte Oliver Buschmann. Der Dortmunder Gastronom, der zu dieser Zeit auch die Live-Station am Hauptbahnhof und das Swabedoo an der Möllerbrücke betrieb, hatte seit Ende der 1990er-Jahre versucht, am Hafen Fuß zu fassen: „Ich wollte immer schon etwas am Wasser machen“, erzählt er. Doch den ersten Anlauf, sich die Räume des heutigen Tyde unterm Alten Hafenamt zu sichern, scheiterten damals am Hafen-Chef: „Der meinte: ‚So etwas brauchen wir nicht.‘“

Das Solendo kurz nach der Eröffnung 2005, noch ohne Zelt. Viele Gäste sagen, das sei die schönste Zeit des Strandclubs gewesen. © Knut Vahlensieck (Archiv)
Das änderte sich 2001, als Gerhard Lang und Heribert Leutner am Hafen auftauchten. Das Investoren-Duo hatte hochtrabende Pläne: Sie wollten in Dortmund einen Szene-Hafen nach dem Vorbild des Kreativ-Kais in Münster und des Duisburger Innenhafens etablieren. Das Vorhaben unter dem Titel „Dockland“ überzeugte die Stadt, die Lang und Leutner die Speichergebäude an der Speicherstraße als Erbpacht überließ. Lang, der regelmäßig Gast im Swabedoo war, holte schließlich Buschmann ins Boot.
Zu der Zeit entstanden überall in Deutschland Strandbars, etwa der Monkey Beach am Medienhafen in Düsseldorf. Buschmann brachte den Trend an den Dortmunder Hafen. Nach einer kurzen Anlaufzeit mauserte sich das Solendo („Sol en Do“ für „Sonne in Dortmund“) im Sommer 2005 zum beliebten Ausgeh-Ort.
„Eine spannende Mischung aus cool und assi“
„Das war eine ganz neue Erfahrung“, erinnert sich Ex-Stammgast Kevin Stüker, „plötzlich gab es Zuhause Urlaubsfeeling“. Durch das Solendo fingen die Dortmunder an, den Hafen für sich zu entdecken. Stüker: „Das war eine spannende Mischung aus cool und assi.“

Das Solendo ermöglichte den Dortmundern, ihren Hafen neu zu entdecken. © Archiv
Nach dem ersten gelungenen Sommer entschieden sich Buschmann und sein Geschäftspartner Lang, das Solendo auf die nächste Stufe zu heben. „Ich fand es zu riskant, nur auf die guten Tage und die warmen Monate zu setzen“, erklärt Buschmann.
Zelt war 30 mal 30 Meter groß
Also ließen sie sich ein riesiges, wetter- und winterfestes Zelt anfertigen, 30 mal 30 Meter groß, getragen von stabilen Aluminium-Bühnensäulen. Dazu spendierten sie dem Solendo eine echte Musikanlage, eine Küche in einem Anbau und Toiletten im benachbarten Speichergebäude. Kostenpunkt insgesamt: über 500.000 Euro.
Die Investitionen sollten sich lohnen. Im WM-Sommer 2006 wurde das Solendo zum beliebten Public-Viewing-Ort. „Das war ein Bombenerfolg, die Schlange reichte bis zum Parkplatz der Santa Monika“, sagt Buschmann.

Zur WM 2006 wurde das Solendo zur beliebten Public-Viewing-Location. © Knut Vahlensieck (Archiv)
Auch abends und nachts war einiges los unter dem acht bis neun Meter hohen Zeltdach: zweimal im Monat stiegen Partys im Solendo. Bis zu 800 Leute tanzten auf der Edelstahl-Tanzfläche zwischen Palmen bis in den Morgen. Die Musik war nichts Besonderes, meistens Mainstream, die Location aber schon. Einen Winter besorgte Buschmann zum Beispiel einmal zweihundert Holzschlitten und hängte sie an die Alu-Träger des Zelts - ein Himmel voller Kufen. Daneben gab es Varieté-Abende, durch die auch schon mal Lilo Wanders führte, und Konzerte.
Anwohner verklagten das Solendo
Doch das laute Treiben gefiel nicht jedem. Anwohner der Lagerhausstraße klagten schließlich gegen das Solendo. „Das geht bis in die Morgenstunden. Und auch, wenn endlich Ruhe ist, kriege ich kein Auge zu, weil ich so aufgewühlt bin“, zitierten die Ruhr Nachrichten im Dezember 2007 eine Klägerin vor Gericht. Das Urteil erlaubte dem Strandclub nur noch eine Party nach 22 Uhr pro Monat. Das Solendo lief danach im Winter nur noch auf Sparflamme.

Das Solendo-Zelt stand noch einige Jahre verlassen am Hafenbecken, bevor es abgebaut wurde. © Peter Bandermann (Archiv)
Trotzdem schien es 2008 so, als könnte das Solendo zum Kern einer Party-Szene am Hafen werden: Als die Clubs auf dem Thier-Gelände wegen der bald beginnenden Bauarbeiten für die Thier-Galerie eine neuen Standort suchten, gerieten die Speichergebäude neben dem Solendo in den Blick. Ein Lärmgutachten bescheinigte den Speichern sogar, dass in ihnen Clubs heimisch werden könnten, ohne dass ihre laute Musik die Nachbarn stören würde.
Thier-Clubszene wollte in die Speicher ziehen
Doch die Vision eines Party-Hafens währte nur kurz. „Es scheiterte am Verkehrskonzept“, erinnert sich Till Hoppe, damals einer der Macher hinter der Thier-Clubszene und heute Betreiber des FZW. „Die an- und abfahrenden Autos hätten zu viel Lärm gemacht.“ So blieb das Solendo alleine an der Speicherstraße.
Den Streit mit den Nachbarn und die Konsequenzen daraus hätte das Solendo aber überlebt, davon ist Oliver Buschmann heute überzeugt. Was der Strandbar 2009 schließlich den Rest gab, waren zwei andere große Konflikte.

Oliver Buschmann im Solendo. © Knut Vahlensieck (Archiv)
Zuallererst waren da die inneren Streitigkeiten zwischen Buschmann und seinem Geschäftspartner Gerhard Lang, der gleichzeitig auch Pächter des Grundstücks war. Worum es dabei ging? Buschmann winkt ab, er will keine alten Wunden aufreißen. Der Zwist hatte schon länger gelodert, doch Anfang 2009 eskalierte er: Als Buschmann eines Tages der Zugang zum Solendo und zu seinem Büro verweigert wurde, schmiss er hin.
Stadt griff auf Ausstiegsklausel zurück
Zwar versuchte Lang, die Strandbar unter dem Namen „New Solendo“ weiterzubetreiben. Doch Ende 2009 hatte dann auch die Stadt genug. Seit Lang 2001 mit seinem Partner Leutner die Speicher übernommen hatte, wartete die Stadt darauf, dass sie ihre hochtrabenden Dockland-Pläne umsetzten. Trotz mehrfacher Ankündigungen war das Solendo die einzige Investition geblieben. Deshalb zog die Stadt nun eine Ausstiegsklausel im eigentlich bis 2041 laufenden Erbpachtvertrag. Das Geschäft wurde rückabgewickelt, Grundstücke und Gebäude fielen wieder an die Stadt. Lang und Leutner waren raus.
Trotz einiger Anläufe eröffnete das Solendo nie mehr. Wie ein Mahnmal blieb das Riesenzelt noch ein paar Jahre stehen, bis schließlich auch das letzte Überbleibsel der Strandbar verschwand.
Dortmunder haben Gefallen an ihrem Hafen gefunden
Dennoch fiel das Hafenbecken nicht zurück in den Tiefschlaf. Nach einigen Jahren Hängepartie nimmt die Entwicklung der Speicherstraße zu einem neuen urbanen Quartier mit Hafenpromenade langsam Fahrt auf. Die Dortmunder haben Gefallen an ihrem Hafen gefunden.
Mit dazu beigetragen hat auch Buschmann: 2011 landete er etwas weiter nördlich des alten Solendo ein 60 Meter langes, altes Frachtschiff an und taufte es „Club- und Eventschiff Herr Walter“. Um es herum ließ er wieder einen Strand aufschütten, Bar und Fressbude inklusive. Auch wenn sich Buschmann stark gegen die Bezeichnung „Solendo in klein“ verwehrt - ein würdiger Nachfolger von Dortmunds erstem Strandclub ist „Herr Walter“ dennoch.
„LEGENDEN DES DORTMUNDER NACHTLEBENS“
In der Serie „Legenden des Dortmunder Nachtlebens“ stellen wir immer samstags eine legendäre Dortmunder Diskothek oder Bar vor.1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
