Wenn im Roxy am 3. Oktober in einer Filmreihe zum Mauerfall der Film „Sonnenallee“ läuft, ist das ein Pflichttermin für Verena und Michi. Denn vor genau 25 Jahren hat es gefunkt bei den beiden Dortmundern. „Beim Abspann haben wir uns zum ersten Mal geküsst“, erzählt Verena. Inzwischen ist das Paar seit vielen Jahren verheiratet und hat zwei Kinder. Die Liebe zueinander ist ebenso geblieben wie die zum Roxy.
Geschichten wie die von Verena und Michi hört Peter Fotheringham öfter. „Ganz viele Leute erzählen, wie sie sich im Roxy kennengelernt haben und schwärmen von damals“, berichtet er. Ihm selbst geht es nicht anders. „Ich hab meine Frau Suse auch hier kennengelernt.“ Als Student hat Fotheringham in den 1990er Jahren selbst im Roxy gearbeitet. „Wir haben nicht wirklich Geld verdient, aber wir durften alle Filme sehen“, erzählt er schmunzelnd. Inzwischen ist Peter Fotheringham mit Suse Solbach über den Verein „SweetSixteen“ selbst Betreiber des Roxy-Kinos.

Das mit dem „nicht wirklich Geld verdienen“ ist geblieben. Es ist vor allem die Leidenschaft für gute Kino-Kultur, die Peter Fotheringham und Suse Solbach antreibt. Und für die steht das Roxy.
Die Geschichte des Kinos an der Münsterstraße reicht weit zurück. 1932 wurde es eröffnet, nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1950 wiedereröffnet. „Damals hatte das Kino über 600 Sitzplätze“, schwärmt Peter Fotheringham.
Und es war voll. Denn Dortmund war in den 1950er Jahren Deutschlands Kinohauptstadt. 1956 strömten in die damals 75 Kinos in Dortmund 13,5 Millionen Besucher. Heute sind es nicht einmal mehr 1 Million. Im statistischen Durchschnitt ging jeder Einwohner in Dortmund Mitte der 1950er Jahre 21,8 Mal im Jahr ins Kino. Dann kam das Fernsehen, dem als erste viele Vorort-Kinos zum Opfer fielen.
Erfolg mit Filmkultur
Doch das Roxy in der Nordstadt wird zu neuem Leben erweckt. Während viele Kinos auf immer trivialere Filme setzen, gehen Bernd Twardy und Gerlinde Veddeler den umgekehrten Weg. Sie machen aus dem Roxy 1979 das erste Programmkino in Dortmund. Programmkino heißt, dass nicht der kommerzielle Erfolg im Mittelpunkt steht, erklärt Peter Fotheringham. Statt wöchentlicher Wechsel je nach Filmerfolg gibt es feste Monatsspielpläne und Filmreihen. Im Roxy läuft vor allem der junge deutsche und europäische Film mit Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder oder Wim Wenders, die im kommerziellen Verleih kaum zum Zuge kommen.
408 Plätze hat das Roxy damals. Immer wieder wird das Kino für sein hervorragendes Jahresprogramm mit Filmtheater-Preisen ausgezeichnet. Ein Geldsegen, der auch nötig ist. Denn wirtschaftlich ist das Überleben für die Programmkinos nicht leicht.
Immerhin übersteht das Roxy das große Kinosterben in Dortmund Ende der 1990er-Jahre nach der Eröffnung des Cinestar. Das Programm unterscheidet sich schließlich deutlich. Statt Blockbuster laufen im Roxy weiterhin Autoren- und Independent-Filme mit festen Spielzeiten.
Generationenwechsel
2011 gibt es gewissermaßen einen Generationenwechsel. Sascha Kirchhoff und Holger Rosen, der gemeinsam mit Peter Fotheringham in den 90ern als Student im Roxy gejobbt hat, übernehmen das Kino an der Münsterstraße, setzen das anspruchsvolle Programm fort. Doch nach elf Jahren machen auch sie Schluss.
Das Roxy wäre wohl längst Geschichte, wenn nicht Peter Fotheringham und Suse Solbach gewesen wären. Sie sind die Köpfe des 2002 gegründeten „SweetSixteen“- Filmclubs, der im Depot an der Immermannstraße die Filmkultur hochhält. Anfangs gab es einmal im Monat eine Kinovorführung, jetzt gibt es täglich Programm im Depot - und weiterhin auch im Roxy.
Dass der Verein „SweetSixteen“ vor zwei Jahren das Roxy übernommen hat, ist nur mit großer Kinoleidenschaft zu erklären. „Rein kaufmännisch macht es keinen Sinn einen so großen Einzelsaal zu betreiben“, sagt Peter Fotheringham. „Aber ohne uns wäre der Ort hier weg gewesen.“
Also übernahm der gemeinnützige Verein, der nicht auf Gewinn aus ist, im Sommer 2022 das Roxy und investierten sogar kräftig. „Wir haben eine komplett neue Technik, eine neue Leinwand und eine neue Bestuhlung“, berichtet Fotheringham. Das Foyer wurde komplett renoviert. „Die Lampen kommen aus London.“

Der alte Charme des Kinos ist geblieben. „Wir versuchen, die alte Tradition des ersten Dortmunder Programmkinos fortzusetzen“, verspricht der Kinomacher. Doch das ist nicht leicht. „In der Coronakrise sind die Besucherzahlen drastisch gesunken. Inzwischen haben sie sich etwas erholt. Aber wir liegen immer noch 20 bis 30 Prozent unter der Vor-Corona-Zeit“, bilanziert Peter Fotheringham.
Die Hoffnung ruht auf wieder steigenden Besucherzahlen und erneuter Filmförderung. Die Aussichten dürften gut sein. Denn wie das „SweetSixteen“ gibt es auch im Roxy weiterhin ein anspruchsvolles Programm. „Wir bieten Filmreihen, Filmgespräche, Regisseur-Besuche und auch Schulvorstellungen“, zählt Fotheringham auf. Und nicht zuletzt mit 8 Euro Eintritt, ermäßigt 7 Euro günstige Preise.
Und dann sind da ja noch Filmkultur-Fans wie Verena und Michi, die sich teilweise auch in einem Förderverein für das Roxy engagieren. „Das Roxy ist für uns ein Herzensort“, sagt Verena. Und das nicht nur, wegen des ersten Kusses vor 25 Jahren.
Hinwis der Redaktion: Diese Artikel erschien ursprünglich am 25. September 2024.
Filmreihe zum Mauerfall
In Erinnerung an den Mauerfall vor 35 Jahren veranstaltet das Roxy-Kino an der Münsterstraße im Oktober eine Filmreihe mit Filmen, die an diese Zeit erinnern. Zusehen sind:
- Sonnenallee von Leander Haußmann am 3.10. um 19 Uhr
- Goodbye Lenin von Wolfgang Becker am 10.10. um 19.30 Uhr
- Herr Lehmann von Leander Haußmann am 17.10. um 19.30 Uhr
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