Das Geheimnis der ältesten Grabstätte auf dem Dortmunder Hauptfriedhof

© Oliver Volmerich

Das Geheimnis der ältesten Grabstätte auf dem Dortmunder Hauptfriedhof

rn100 Jahre Hauptfriedhof

Er ist Deutschlands drittgrößter Friedhof, Dortmunds größte Grünanlage und ein Ort mit Geschichte: Der Hauptfriedhof wird im Juli 100 Jahre alt. Die älteste Grabstätte wird besonders gepflegt.

Dortmund

, 05.07.2021, 19:18 Uhr / Lesedauer: 3 min

Hans-Georg Baecker könnte stundenlang aus seiner Familiengeschichte erzählen. Als Erinnerungsstütze hat er eine stattliche Mappe mit alten Fotografien und Dokumenten. Etwa über seinen Urgroßvater Georg-Eduard Baecker. „Er war Weinhändler in der Nordstadt und hat als Präsident des Nördlichen Dortmunder Schützenbundes dem Kaiser bei seinem Besuch zur Hafeneröffnung in Dortmund 1899 die Hand geschüttelt“, erzählt Hans-Georg Baecker.

Die Frau von Georg-Eduard Baecker schrieb auf andere Weise Geschichte. Sie ist die erste Dortmunderin, die auf dem Hauptfriedhof begraben wurde und das große Familiengrab der Familie Baecker damit das älteste Grabmal auf dem Hauptfriedhof.

Neben Wilhelmine Baecker wurde elf Jahre später auch ihr Mann Georg-Eduard Baecker bestattet.

Neben Wilhelmine Baecker wurde elf Jahre später auch ihr Mann Georg-Eduard Baecker bestattet. © Oliver Volmerich

16 Grabplatten sind dort in einem Halbrund aufgereiht. Und ein großer Grabstein, der die Inschrift „Familie G.E. Becker“ trägt - verbunden mit dem Hinweis: „Auf diesem Friedhof wurde als Erste am 22. Juli 1921 Frau Wilhelmine Baecker beerdigt.“

Hans-Georg Baecker, Urenkel von Wilhelmine Baecker vor der Inschrift, die an das älteste Grab auf dem Hauptfriedhof erinnert.

Hans-Georg Baecker, Urenkel von Wilhelmine Baecker vor der Inschrift, die an das älteste Grab auf dem Hauptfriedhof erinnert. © Oliver Volmerich

Die Inschrift wurde erst neulich denkmalgerecht aufgearbeitet, erklärt Ralf Dallmann als Betriebsleiter der Friedhöfe Dortmund. Sie soll aber nicht der einzige Hinweis auf die Besonderheit des großen Familiengrabes im Südwestzipfel des Hauptfriedhofs bleiben. In den nächsten Wochen wird eine Stele, versehen mit einem Bild von Wilhelmine Baecker und Erläuterungen zur besonderen Geschichte des Grabmals, aufgestellt, kündigt Ralf Dallmann an.

Ein historisches Bild aus dem Familienarchiv von Hans-Georg Baecker soll die Stele zur Erinnerung an das älteste Grabmal zieren.

Ein historisches Bild aus dem Familienarchiv von Hans-Georg Baecker soll die Stele zur Erinnerung an das älteste Grabmal zieren. © Oliver Volmerich

Ein Dutzend solcher Stelen gibt es bereits auf dem Hauptfriedhof. Sie erinnern mit historischen Ansichten, an die 100-jährige Geschichte des Friedhofs, die mit der Beerdigung von Wilhelmine Baecker begann. Aufgestellt in derselben Blickachse bieten die historischen Bilder spannende Vergleiche, wie sich der Friedhof in 100 Jahren verändert hat.

Zum 100-jährigen Bestehen des Hauptfriedhofs sind schon zahlreiche Stelen aufgestellt worden, die spannende Vergleiche zwischen historischen und aktuellen Ansichten ermöglichen.

Zum 100-jährigen Bestehen des Hauptfriedhofs sind schon zahlreiche Stelen aufgestellt worden, die spannende Vergleiche zwischen historischen und aktuellen Ansichten ermöglichen. © Oliver Volmerich

Und dabei gibt es viel zu entdecken. Denn der Dortmunder Hauptfriedhof ist mehr als nur eine Begräbnisstätte. Mit einer Fläche von 135 Hektar ist er nach dem Friedhof in Hamburg Ohlsdorf und einem Friedhof in Stahnsdorf/Brandenburg bei Berlin der drittgrößte Friedhof in Deutschland - und die größte Grünanlage in Dortmund, etwa doppelt so groß wie der Westfalenpark. Und nur ein Drittel des riesigen Areals zwischen Wambel und Brackel ist wirklich Bestattungsfläche für rund 70.000 Gräber.

Der Hauptfriedhof symbolisiert damit auch das Wachstum der Großstadt Dortmund zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Schon vor dem Ersten Weltkrieg gab es erste Pläne für einen zentralen städtischen Friedhof, vorangetrieben wurden sie dann 1919 mit einem deutschlandweit ausgelobten Wettbewerb.

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Auf der Grundlage der besten Entwürfe erarbeitete dann Stadtbaurat Hans Strobel mit zwei Siegern des Wettbewerbs, dem Gartenarchitekten Gustav Allinger und dem Hochbau-Architekten Josef Wentzler, 1920 den Ausführungsplan.

Der historische Plan für den Hauptfriedhof aus dem Jahr 1920.

Der historische Plan für den Hauptfriedhof aus dem Jahr 1920. © Archiv

Entstehen solle, so formulierte es Oberbürgermeister Dr. Ernst Eichhoff bei der offiziellen Eröffnung des Hauptfriedhofs am 16. Juli 1921, nicht nur „eine würdige und stimmungsvolle Stätte zur Aufnahme der Toten und zur Erhebung und Erbauung trauender gebeugter Seelen, sondern auch ein Gefilde, das Tausenden und Abertausenden von Menschenkindern ausgiebige Erholung in frischer, freier Luft, die sehnlichst gesuchte Gelegenheit zur Selbstbesinnung und Verinnerlichung und ungetrübten Genuss vom Schönen und Edlen in Kunst und Natur schenken wird.“

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Bauliches Prunkstück ist der 1924 fertiggestellte Gebäudekomplex am Gottesacker mit der 20 Meter hohen Trauerhalle, dem alten Krematorium und dem runden Kolumbarium, in dem Urnen in Wandnischen aufbewahrt werden. Sie stehen ebenso unter Denkmalschutz wie die gesamte Friedhofsanlage mit ihren fächerartig angelegten Wegen und großzügigen Grünbereichen wie der langgezogenen Talaue, die sich diagonal über den Friedhof zieht.

Wie ein riesiger Park wirkt der Hauptfriedhof aus der Vogelperspektive. Gut zu erkennen ist die grüne Achse der Talaue, die sich über das Areal zieht.

Wie ein riesiger Park wirkt der Hauptfriedhof aus der Vogelperspektive. Gut zu erkennen ist die grüne Achse der Talaue, die sich über das Areal zieht. © Hans Blossey

„Wir haben auch viele botanische Besonderheiten“, berichtet Dallmann. Denn der damalige Leiter des Garten- und Friedhofsamtes Richard Nose stattete den Friedhof mit zahlreichen Sämlingen aus, die bei der Anlage des Botanischen Garten Rombergpark übrig blieben. 2019 wurde ein 2,5 Kilometer langer Pfad der Zukunftsbäume angelegt. An 25 Stationen geben Stelen mit Tafeln Informationen zu den dort gepflanzten besonders robusten Baumarten.

Viele besondere Grabmale

Es gibt Ehrenmale, die etwa an die Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnern,einen separat angelegten jüdischen Friedhof und einen Friedhof für ausländische Soldaten, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter.

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Bei Spaziergängen kann man aber auch Grabstätten bekannter Persönlichkeiten wie die des früheren NOK-Präsidenten Willi Daume, der Alt-Oberbürgermeister Dietrich Keuning und Günter Samtlebe und der Friedhof-Entwickler Strobel und Nose entdecken. Sie werden von der Stadt dauerhaft gepflegt - genauso wie die unter Denkmalschutz stehende Grabstätte der Familie Baecker.

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