
© Verena Hasken
Das Festi Ramazan ist auch ein religiöses Fest - deshalb sollte es stattfinden
Klare Kante
„Das Festi Ramazan ist kein religiöses Fest, sondern eine kommerzielle Veranstaltung“, hat Ulrich Breulmann vergangene Woche geschrieben. Sein Kollege Said Rezek widerspricht.
In den vergangenen Wochen ist viel über das Festi Ramazan diskutiert worden. Zuletzt von meinem Kollegen Ulrich Breulmann vor einer Woche an dieser Stelle und danach in vielen Zuschriften von Leserinnen und Lesern. Für mich steht fest: Das Festi Ramazan ist ein religiöses und kommerzielles Fest zugleich. Es steht für den Islam in Dortmund wie kein zweites Fest.
Die religiöse Note des Festivals ist, anders als Ulrich Breulmann behauptet, offensichtlich. Muslime beenden ihr Fasten auf dem Fest. Und das Fasten ist eine der fünf Säulen des Islams. Der Fastenmonat zeichnet sich ferner vor allem durch die Gemeinschaft aus. Das Festival bietet dafür die Plattform.
Niemand kann Muslimen vorschreiben, was religiös ist
150.000 überwiegend muslimische Gäste aus ganz Europa haben das Festival 2018 besucht. Liberale, konservative und andere, die in keine Schublade passen. Niemand kann sich anmaßen, Muslimen vorzuschreiben, was sie als religiös betrachten sollten.
Vor allem muss sich der Staat aufgrund seiner weltanschaulichen Neutralität aus der Lehre und Praxis von Religionsgemeinschaften heraushalten.
Das Festi Ramazan steht auf der Kippe
Als einem von etwa fünf Millionen Muslimen in Deutschland entspricht das Festival freilich nicht meinem Geschmack, gerade wenn es um den Kommerz geht. Der wirtschaftliche Faktor ist jedoch ein Grund mehr für das Festival, denn es spült Geld in die Kassen der Stadt. Das ist im Sinne Dortmunds.
Trotzdem steht das Festi Ramazan seit dem Auftakt 2012 immer wieder auf der Kippe. Anwohner beschweren sich jedes Jahr aufs Neue über Lärm und parkende Autos. Für sie kann es nur eine Konsequenz geben: Das Festival darf nicht stattfinden. Kompromisse? Fehlanzeige!
Bei Moscheebauten und dem Festi Ramazan gibt es immer wieder Kritik
Die Diskussion um das Festi Ramazan erinnert an die Debatte um Moscheebauten. Oft wird kritisiert, dass sich muslimische Gotteshäuser in Hinterhöfen befinden. Aber sobald Muslime ihre Moscheen in die Innenstädte bauen, gibt es regelmäßig Proteste.
Die nicht-muslimische Mehrheitsgesellschaft kann nicht Integration fordern und gleichzeitig Desintegration betreiben, indem Muslimen die Grundlage für das Festival genommen wird. Wir führen eine schizophrene Diskussion.
Wollen wir ernsthaft alle BVB-Spiele und Konzerte verbieten?
Der Dortmunder Rat geht nun den richtigen Weg. Er hat dem Veranstalter des Festes Auflagen in Bezug auf Sicherheit, Verkehr und Lärmschutz gestellt. In den letzten Jahren hat es dadurch fast keine Beschwerden mehr gegeben. Dieses Jahr wird es außerdem weder Musik noch öffentliche Gebete geben.
Trotz der Zugeständnisse und Auflagen wird es für die Anwohner in der Nachbarschaft während des Festes zweifelsohne ungemütlicher. Es liegt in der Natur der Sache, dass es bei Großveranstaltungen lauter wird. Aber wollen wir in Dortmund ernsthaft alle BVB-Spiele und Konzerte verbieten?
Hierzulande werden in Teilen der Bevölkerung sehr erregte Diskussionen darüber geführt, dass Weihnachtsmärkte angeblich aufgrund des Drucks von Muslimen in Wintermärkte unbenannt werden sollen. Abgesehen davon, dass es derartige Forderungen von Muslimen nicht gibt: Was wäre erst los, wenn Muslime die Abschaffung von Weihnachtsmärkten aufgrund von Lärmschutz fordern würden? Der Ärger wäre groß – und zurecht! In Dortmund steht hingegen tatsächlich zur Debatte, das Festi Ramazan ausfallen zu lassen. Allein die Diskussion darüber steht Dortmund nicht gut zu Gesicht.
Weihnachtsmarkt und Festi Ramazan passen zusammen
Die Öffnungszeiten des Dortmunder Weihnachtsmarktes und des Festi Ramazans zu vergleichen, wie Breulmann es getan hat, ist müßig. In diesem Jahr muss das Festi laut den Auflagen der Stadt abends um 24 Uhr enden. Das klingt spät im Vergleich zum Weihnachtsmarkt in der City, wo wochentags um 21 Uhr Schluss sein muss und an Wochenenden um 22 Uhr.
Aber während Glühwein und Bratwurst den Weihnachtsmarkt-Besuchern auch vor 21 Uhr gut schmecken, können sich die Muslime nicht aussuchen, wann sie ihr Fasten brechen. Der Islam schreibt vor, dass dies erst nach Sonnenuntergang passieren darf. Der ist im Mai und Juni nun einmal ziemlich spät. Ein Festi Ramazan, das um 21 Uhr beendet werden müsste, könnte aktuell gar nicht stattfinden.
In ein paar Jahren kann das Festi Ramazan früher schließen
Die Problematik wird sich in den kommenden Jahren aber entschärfen, weil der Ramadan jedes Jahr circa zehn Tage früher stattfinden wird. Muslime orientieren sich am Mondjahr. In den Wintermonaten werden sie also schon gegen 17 Uhr ihr Fasten brechen können – und dann wäre es auch in Ordnung, wenn das Festi zu den gleichen Zeiten schließen müsste wie andere Feste auch.
Wir leben in einer vielfältigen religiösen Gesellschaft. Das ist aufgrund unterschiedlicher Traditionen und Feste nicht immer leicht. Aber es kann auch eine Bereicherung sein. Im besten Fall finden in 15 Jahren der Weihnachtsmarkt und das Festi Ramazan parallel statt. Wir wären in Dortmund eine der wenigen Städte weltweit, die das von sich behaupten kann. Diese Chance sollten wir uns nicht entgehen lassen.
Said Rezek (31) ist seit Juli 2018 Volontär bei Lensingmedia. Vorher war er als freier Journalist unter anderem für den Tagesspiegel und bei der taz tätig.
Said Rezek ist Volontär bei den Ruhr Nachrichten. Hier schreibt er über alles und jeden. Vorher war er als freier Journalist unter anderem für die WAZ und bei der taz tätig. Dort hat er vor allem über Medien und Migration berichtet.
