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Geister-Derby als „Katastrophe“ für Kneipen - Arzt spricht Warnung aus
Coronavirus
Das Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 findet ohne Zuschauer statt. Das hat Auswirkungen auf die Dortmunder Gastro- und Hotelbranche. Ein Infektiologe sieht Risiken.
Was tagelang in der Diskussion stand, ist jetzt beschlossene Sache: Das Fußball-Derby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 wird am Samstag (14.3.) vor leeren Tribünen stattfinden. Als Sicherheitsmaßnahme wegen des Coronavirus‘ sind keine Zuschauer bei einem der beliebtesten Fußballspiele Deutschlands zugelassen.
„Das ist kein Spaß und keine Spielverderberei, sondern es geht hier um Leben und Tod für die Zuschauerinnen und Zuschauer“, sagte Oberbürgermeister Ullrich Sierau am Dienstagmittag. Verschiebungen seien nicht zu bewältigen, weil Finalspiele der Pokalwettbewerbe und die Europameisterschaft anstehen.
Polizei gibt keine Prognose zum Verhalten der Fans
Die Polizei Dortmund hat ihr Sicherheitskonzept fürs Derby bereits Ende Februar vorgestellt. Ein beliebter Anreiseweg sollte gesperrt werden, damit die rivalisierten Fangruppen getrennt werden. Zur Nachricht des Geister-Derbys sagt Polizeisprecherin Nina Kupferschmidt mit Blick auf die dann vermutlich veränderten Fan-Bewegungen zunächst nur: „Wir können noch nicht prognostizieren, wie sich die Fans verhalten werden.“ Die Behörde bereitet sich auf viele verschiedene Szenarien vor.
Die Vermutung liegt nahe, dass viele Fans das für sie wichtigste Bundesliga-Spiel des Jahres nicht alleine schauen wollen. Die Dortmunder Kneipen dürften am Samstagnachmittag also voll werden.
Das Strobels direkt am Stadion hat Platz für mehr als 1000 Besucher. Oberbürgermeister Sierau hat aber angekündigt, aus Sicherheitsgründen keine Veranstaltungen mit so viel Teilnehmern zuzulassen. „Unsere Security ist angewiesen, zu gucken, dass weniger als 1000 reinkommen“, sagt Betriebsleiter Oliver Biermann.
„Wir gehen mit dem Thema schon seit 14 Tagen um“, sagt er: „Wir sind sehr vorsichtig.“ Schließlich gehe es um die Gesundheit einzelner Personen, aber auch um das Geschäft des ganzen Ladens.
Sollte einer der Mitarbeiter am Coronavirus erkranken, „dann wird der Laden zugemacht“, sagt Biermann. Jeder, der mit Erkrankten in Kontakt stand, muss zwei Wochen lang in Quarantäne.
300 Stornierungen für die Zeit rund ums Spiel
Die Kneipe Mit Schmackes an der Hohen Straße ist bereits seit fünf Wochen für das Spiel ausgebucht. Aber: „Wir haben etwa 300 Stornierungen für die Zeit vor und nach dem Spiel“, wie Betreiber Christopher Reinecke sagt. Er befürchtet, der Schaden gehe allein durch die Besucher, die bereits abgesagt haben, in die Tausende.
Reinecke spricht von einer „Katastrophe“, die ganz viele Hotels und Gaststätten in Dortmund treffe. Er merke durchaus, dass viele auswärtige Stadionbesucher ihren Besuch in der Stadt komplett absagen. „Nicht weil sie Angst haben, sondern weil man sich Hotel und Anfahrt sparen kann“, so Reinecke.
Sorge vor einer Ansteckung in der Kneipe hat der Schmackes-Chef offenbar nicht. Auch wenn die etwa 120 Sitzplätze ausgebucht sind, müsse eh immer so viel Platz im Raum bleiben, dass die Kellner ordentlich durchkommen und niemand einem anderen die Sicht auf die Fernseher nimmt. Der Gastronom versichert: „Wir sind über jeden Gast traurig, den wir zum Spiel nicht reinlassen können.“
Ein Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga sieht die Lage noch deutlich dramatischer: „Das Thema wird uns die nächsten Monate über beschäftigen“, sagt Thorsten Hellwig. Beim Gedanken, dass die Zahl der Erkrankungen in Richtung Sommer mit Blick auf die wärmeren Ausgeh-Monate weiter steigen könnte, sagt er: „Das ist eine Horrorvorstellung für meine Branche.“
„Unlogische“ Entscheidung, wenn die Leute in Kneipen gehen
Infektiologe Dr. Bernhard Schaaf vom Klinikum Dortmund sagt: „Man kann sich in der Kneipe genauso anstecken, vielleicht auch besser, wenn nicht gelüftet wird und man näher beieinander steht.“ Für ihn ist es unlogisch, den Zuschauern den Zugang zum Stadion zu verwehren, wenn sie stattdessen in Kneipen zusammenstehen und womöglich trotzdem Arm in Arm Tore feiern.
Ein Mindestabstand von mehr als einem Meter, eher 1,50 Metern zu anderen Personen sei zur Vorsicht sinnvoll. Das Coronavirus werde beim Sprechen übertragen, in lauten Kneipen sei das durchaus problematisch, wenn sich die Gäste nahekommen müssen, um einander zu verstehen.
Oberbürgermeister Sierau rät nicht explizit jedem von Kneipenbesuchen ab, sein Appell wird aber deutlich. „Wenn jemand im Skiurlaub in Südtirol war und vom Arbeitgeber schon gebeten wurde, Home Office zu machen, dann würde ich erwarten, dass derjenige sagt: ‚Ich gucke den Sieg des BVB gegen Schalke zu Hause.‘“
Sierau, selbst großer BVB-Fan, formuliert ganz deutlich: So viel Grips müsse jeder haben, zu sagen: „Jetzt ist zwar Derby, aber ich will das nächste noch erleben. Also gehe ich nicht in die Kneipe.“ Das müsse aber jeder Dortmunder für sich entscheiden.
Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
