
© Stephan Schütze
Altenheim-Öffnung zu Muttertag: „Plexiglas ist das neue Toilettenpapier“
Coronavirus
Die Seniorenheime werden ab Sonntag (10.5.) mit strengen Regeln für Besuche geöffnet. Neben Freude für Bewohner und Angehörige schwingt Respekt bei den Mitarbeitern mit – und Unverständnis.
Wochenlang mussten sich die Seniorenheime abschotten. Jetzt sollen sie wieder öffnen. Pünktlich zum Muttertag (10.5.) dürfen Angehörige wieder ihre Lieben besuchen. Das sorgt nicht nur für Freude.
„Ich freue mich sehr für unsere Bewohner“, sagt Peter Boeckel als Leiter des Awo-Seniorenzentrums Kirchlinde. „Aber ich hätte mir eine Öffnung erst dann gewünscht, wenn alle Bewohner und Mitarbeiter getestet wurden – so war es auch mal angedacht. Aber wir sind halt nicht die Bundesliga.“
Nun arbeitet das Team des Seniorenzentrums mit Hochdruck an einem Konzept für die Besuche. „Am Sonntag stand noch nichts dazu in den neuen Verordnungen, am Dienstag musste ich es dann aus den Nachrichten erfahren“, sagt Peter Boeckel. „Und jetzt muss es schnell gehen.“
Besuche sind nur mit Plexiglas-Trennung erlaubt
Sowohl die Awo als Träger der Einrichtung als auch das Seniorenzentrum selbst haben jedoch vorgesorgt. Mit Mundschutzen beispielsweise, die auch die Besucher tragen müssen, sei das Heim gut ausgerüstet. Und noch wichtiger: mit Plexiglas-Scheiben.
Denn nur damit sind die Besuche überhaupt erlaubt. „Plexiglas ist das neue Toilettenpapier“, sagt Peter Boeckel. „Wir sind zum Glück bereits so ausgestattet, dass wir vier Besuchsbereiche aufbauen können.“
In Zelten oder Pavillons und in Bereichen mit vielen Fenstern werden je ein Tisch für den Bewohner und den Angehörigen aufgebaut, dazwischen steht eine Plexiglas-Scheibe. Körperkontakt ist nicht erlaubt.
„Ich kann verstehen, dass der Wunsch da ist, sich endlich wieder in den Arm zu nehmen, und es tut mir auch leid“, sagt Peter Boeckel. „Aber ohne die Abtrennung wären Besuche gar nicht erlaubt.“ Die Mitarbeiter werden darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden.
Heimleiter geraten in Erklärungsnot
Ein Besuch dauert eine halbe Stunde, eine weitere halbe Stunde wird benötigt, um Bewohner und Angehörige zueinander zu führen und den Bereich nach dem Besuch für die nächsten zu desinfizieren. „Das ist ein enormer personeller Aufwand“, sagt Peter Boeckel. „Wir machen das aber gerne.“
Am Sonntag sollen so von 9 bis 18 Uhr 36 Besuche ermöglicht werden. Die Angehörigen müssen sich anmelden und ein Formular mit persönlichen Daten ausfüllen, um mögliche Infektionsketten nachzuvollziehen.
„Diese abrupte Öffnung sorgt auch für Unverständnis“, sagt Boeckel. „Sechs Wochen lang waren wir geknebelt, bloß niemanden ins Haus zu lassen. Das habe ich regelmäßig allen Beteiligten erklärt. Jetzt ist plötzlich alles offen – wie will man da erklären, dass das Virus immer noch gefährlich ist?“
Redakteurin, davor Studium der angewandten Sprachwissenschaften in Dortmund und Bochum. Sportbegeistert und vor allem tänzerisch unterwegs.
