Das Coronavirus ist nicht nur ein gesundheitliches Problem, sondern wird auch zusehends eines für Dortmunder Unternehmen mit Niederlassungen in und Geschäftsbeziehungen nach China.

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Corona-Virus ist ein Wirtschafts-Risiko für hunderte Dortmunder Unternehmen

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Mit der Corona-Epidemie steigen die wirtschaftlichen Risiken für Dortmunder Unternehmen, die Geschäfte mit und in China betreiben. Das sind viele. Wie große Firmen auf die Krise reagieren.

Dortmund

, 20.02.2020, 07:15 Uhr / Lesedauer: 4 min

Udo Dolezych, Chef des gleichnamigen Dortmunder Unternehmens für Ladungssicherung, erhielt am Dienstag, 18. Februar, gute Nachrichten aus China. Herr Bo, der Geschäftsführer der Dolezych-Tochter Doleco in Kunshan nahe Shanghai, meldete, dass bei Doleco wieder gearbeitet wird.

Am Samstag zuvor wurde der Betrieb von der Regierung überprüft, am Montag gab es das Zertifikat, mit dem die Produktionsbänder in dem Werk wieder laufen dürfen.

Dolezych produziert seit fast 18 Jahren in China Seile, Ketten, Hebebänder und Rundschlingen zum Heben von Lasten und Sichern von Ladungen auf LKW, Zügen, Schiffen und Flugzeugen. Udo Dolezych wurde 2006 sogar zum Ehrenbürger von Kunshan ernannt.

Seine Firma ist wie rund 300 weitere Unternehmen, die im Zuständigkeitsbereich der Dortmunder Industrie- und Handelskammer Geschäftsbeziehungen zu China unterhalten, von den Folgen des Coronavirus betroffen. Mit Produktions- und Lieferausfällen drohen Umsatzrückgang und Gewinneinbruch.

Udo Dolezych (Archivbild).

Udo Dolezych (Archivbild). © Stephan Schütze (A)

Keine Bestellungen

Auch wenn der Produktionsprozess in Kunshan wieder langsam anläuft, sei das Geschäftsleben in China eingeschränkt, sagt Dolezych: „Wir bekommen aktuell keine Bestellungen für diesen Markt.“ Zudem importiere das deutsche Mutterunternehmen chinesische Artikel, „die wir für unsere Produkte brauchen.“ Es werde wohl zu Lieferverzögerungen kommen, vermutet der Seniorchef.

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In vier Wochen wisse man mehr, wenn möglicherweise die eigenen Lagerbestände zusammengeschmolzen sind. Das Problem wäre aber drängender, wenn sein Unternehmen nicht so ein großes Lager hätte.

Was sonst teuer sei, zahle sich jetzt aus, sagt Udo Dolezych. Natürlich versuche man auch, wo möglich, bei den Transportketten umzusteuern. Dennoch geht Dolezych davon aus, dass das Schlimmste überstanden ist.

Auswirkungen in den Lieferketten

Schon mit der Konjunkturabschwächung und dem Handelskonflikt waren die wirtschaftspolitischen Unsicherheiten für exportorientierte Unternehmen in Dortmund auf dem Höchststand. Jetzt noch der Pausenknopf in China durch die Virus-Epidemie.

„Wir werden konkrete Auswirkungen in den Lieferketten haben. Da machen sich die Unternehmen schon Gedanken, wie sie darauf reagieren“, sagt Wulf-Christian Ehrich, bei der IHK Dortmund zuständig für internationale Geschäftsbeziehungen.

Große Dortmunder Unternehmen wie der Pumpenhersteller Wilo und der börsennotierte Halbleiter-Produzent Elmos sind trotz der Risiken zuversichtlich, gut durch diese Krise zu kommen.

So meldet Weltmarktführer Wilo, dass die Produktion in den zwei chinesischen Werken wieder angelaufen ist. Man stehe aber noch nicht voll unter Strom, teilte am Dienstag Vorstandsmitglied Dr. Patrick Niehr auf Nachfrage mit.

Task Force für den Einkauf

„Der wesentliche Teil der Mitarbeiter ist zurück oder arbeitet verstärkt im Home-Office“, so Niehr. Mit Hilfe der IT-Mitarbeiter in Dortmund habe man weitere gesicherte Verbindungen aufgebaut. Niehr: „Damit reduzieren wir das Infektionsrisiko.“

In der Belegschaft in den Werken, in den zehn Vertriebsniederlassungen und am Verwaltungsstandort in Peking gebe es keine Corona-Verdachtfälle.

Auch bei den Lieferketten habe man bislang keine Ausfälle, berichtet der Vorstand. Für den Einkauf habe man eine Task Force gebildet, die über Alternativen und Optionen nachdenke, um mögliche Ausfälle in der Zukunft auszugleichen, so Niehr.

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Wilo glaubt nicht, dass der Coronavirus das Umsatzwachstum bremsen wird, auch wenn China als zweitwichtigster Markt nach Deutschland einen großen Effekt auf den Umsatz habe, so Niehr: „Natürlich wird es im ersten Halbjahr Einbußen geben, doch wir gehen davon aus, dass wir das im zweiten Halbjahr kompensieren.“

Wilo werde auch außerhalb Chinas wachsen, und man erwarte von den Mitarbeitern weltweit ein Zusammenstehen.

Zwangspause bis März

Härter als Wilo trifft es wohl KHS, einen der führenden Hersteller von Abfüll- und Verpackungsanlagen für die Getränke-, Food- und Non-Food-Industrie mit Stammsitz in Dortmund. Die Produktion in China ist noch nicht wieder angelaufen.

„Wir gehen davon aus, dass die Produktion im März wieder aufgenommen werden kann“ sagt ein Unternehmenssprecher. Die Mitarbeiter seien zwar aus den Neujahrsferien zurück, müssten aber 14 Tage in Quarantäne bleiben. Auch die Lieferketten seien teilweise unterbrochen. Bei den Zulieferern habe KHS in der Regel eine zweite Quelle außerhalb Chinas.

Ob sich die Warenströme durch das Virus nachhaltig verändern werden, lasse sich noch nicht absehen, so der KHS-Sprecher. Ebenso sei es für eine Prognose, wie sehr sich das Coronavirus auf die Unternehmenszahlen auswirken werde, noch zu früh.

Weniger Umsatzplus

Der noch nicht absehbare Einfluss des Coronavirus auf die derzeit ohnehin verhaltene Konjunktur insbesondere im Automobilsektor ist ein Grund, warum der Dortmunder Halbleiter-Hersteller Elmos Semiconductor für 2020 nur noch mit einem Umsatzplus im niedrigen einstelligen Bereich rechnet. Laut vorläufig veröffentlichter Zahlen lag das Plus 2019 mit 7,7 Prozent auf 273,4 Millionen Euro höher.

Elmos entwickelt, produziert und vertreibt Halbleiter und Sensoren vornehmlich für den Einsatz im Auto, ist Weltmarktführer sowohl für Ultraschall-Einparkassistenz-Systeme als auch für die optische Annäherungserkennung und Gestensteuerung im Fahrzeug. Durch Corona lahmgelegte Autofabriken treffen auch Zulieferer wie Elmos mit einer Niederlassung in Shanghai.

Man habe den Produktionsstart nach den Neujahrsferien in China um eine Woche verschieben müssen, erläutert Dr. Anton Mindl, Vorstandschef von Elmos, im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Lieferketten funktionierten noch. Sollten sie jedoch unterbrochen werden, helfe es Elmos wenig, sich nach Alternativen umzusehen. Wenn beim Bau eines Autos ein Teil fehle, „bremst es die ganze Kette“.

Dr. Anton Mindl (Archivbild).

Dr. Anton Mindl (Archivbild). © Elmos (A)

Mobilität braucht Elektronik

Dennoch bleibt Mindl relativ gelassen. Das Coronavirus sei „momentan eine ziemlich traurige Angelegenheit“, doch es werde nichts daran ändern, dass das Auto als modernes Mobilitätsvehikel das digital vernetzte Produkt der Zukunft sein werde: „Die Mobilität der Zukunft braucht viel mehr Elektronik, viel mehr Software.“ Wo früher zwei Halbleiter-Chips in ein Auto verbaut wurden, seien es heute 25.

Als weltweiter Marktführer in der Ultraschallsensorik hat Elmos bereits eine Milliarde sogenannter ICs (integrierte Schaltkreise) an Kunden ausgeliefert. Früher halfen vier Sensorbuchsen mit einem Schaltkreis dem Autofahrer beim Einparken, in einem vernünftig ausgestatteten Wagen seien es heute zwölf Schaltkreise, sagt Mindl. In jedem neuen Auto stammen durchschnittlich fünf ICs von Elmos.

Elmos weiter auf Wachstumskurs

Und das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Allein für die Lichtanzeigen im Inneren des Autos – bei zu geringem Sicherheitsabstand zum Vordermann blinkt es zum Beispiel rot – werden es künftig 100 bis 200 ICs sein. Mindl: „Und außerhalb des Fahrzeugs passiert das Gleiche“, sagt der Elmos-Chef: „Ich sehe überhaupt keine Anzeichen, dass das weniger wird.“

Elmos habe sich mit seinen Unternehmenszahlen schon im vergangenen Jahr von den Mitbewerbern abgehoben. Mindl: „Wir bereiten uns weiter auf Wachstum vor. China wird eine Weile brauchen, um sich zu erholen, aber Elmos wird nicht daran zugrunde gehen.“

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