Stadtkämmerer Jörg Stüdemann kündigt weitere Einsparungen an.

Stadtkämmerer Jörg Stüdemann kündigt weitere Einsparungen an. © Kolle

Stadtkämmerer: „Situation ist dramatisch wie bei der Weltfinanzkrise“

rnHaushaltssicherung droht

Inflation, hohe Energiekosten, steigende Zinsen: Die Stadtfinanzen drohen aus dem Ruder zu laufen. Der Kämmer kündigt harte Sparvorschläge für Dortmund an.

Dortmund

, 28.07.2022, 04:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Aufschlag kommt im September: Dann will Kämmerer Jörg Stüdemann den Ratsgremien ein erstes Zahlenwerk für den Haushalt 2023 präsentieren – und die Aussicht auf die Folgejahre gleich dazu. Spaßig dürfte das nicht werden.

Noch im Herbst 2021 hatte Stüdemann gewarnt: Wenn nicht gegengesteuert werde, laufe Dortmund Gefahr, spätestens ab 2025 in die Haushaltssicherung zu rutschen. Folge: Die Stadt wäre gezwungen, der Arnsberger Kommunalaufsicht einen Plan vorzulegen, mit dem Einnahmen und Ausgaben innerhalb von zehn Jahren in Einklang gebracht werden. Von Arnsberg verordnet müsste Dortmund sparen bis es quietscht – und gleichzeitig wohl Gebühren und Steuern erhöhen.

Das wollen die Stadt-Spitzen und die Ratspolitiker tunlichst vermeiden. Nur: Nach derzeitigem Stand der Beratungen im Verwaltungsvorstand läuft es aber genau darauf hinaus. „Die Situation ist dramatisch wie bei der Weltfinanzkrise 2008“, sagt Stüdemann. Die Zahlen sind besorgniserregend: 2023 werde noch zu schaffen sein, sagt Dortmunds oberster Finanzhüter.

Steigende Zinsen belasten den Etat mit bis zu 45 Millionen Euro

2024 werde es bereits eng. Ab 2025 aber sitzt die Stadt endgültig in der Klemme: Nach aktueller Prognose gibt sie dann „deutlich über 100 Millionen Euro“ mehr aus, als sie unter dem Strich darf.

Als größtes Schreckgespenst für die Finanzen gelten die Aufwendungen zur Bekämpfung von Corona. Sie schlagen ab 2025 erstmals auf den Haushalt durch. Zuletzt war die Stadt davon ausgegangen, die Kosten würden sich bis Ende 2024 auf satte 424 Millionen Euro summieren. Möglicherweise war das zu hoch gegriffen. „Aktuell liegen wir bei 130 Millionen“, sagt Stüdemann. Er bleibt aber vorsichtig: „Wir wissen nicht, was noch kommt.“

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Dabei ist Corona nur eines von zahlreichen Risiken. Es gibt weitere Einschläge, mit denen die Stadt 2023 und in den Folgejahren fertig werden muss. Stüdemann geht davon aus, „dass uns bereits die steigenden Zinsen mit zunächst 20 Millionen und bis 2026 mit 45 Millionen Euro zusätzlich belasten.“

Hinzu kommt der Krieg in der Ukraine: Inzwischen seien rund 2000 ukrainische Kinder nach Dortmund gekommen. „Das ist fast die Hälfte eines Geburtenjahrgangs“, sagt Stüdemann. Die Kosten für Kita- und Schulbesuche blieben an der Stadt hängen – laut Stüdemann weitere zehn Millionen Euro.

Höhere Energiepreise schlagen auch auf die Stadt durch

Einen spürbaren Rückgang erwartet Dortmunds oberster Kassenwart nach aktueller Lage auch bei den Schlüsselzuweisungen, die das Land NRW an die Kommunen überweist. Geplant waren mal mehr als 700 Millionen Euro. Die Stadt hatte bereits 2022 mit einem Rückgang um fast 20 Millionen Euro gerechnet. Ab 2024, fürchtet Stüdemann, „könnten es 70 Millionen Euro weniger sein.“

Weiterer Knackpunkt: die Energiekosten. Ebenso wie Privathaushalte und Unternehmen muss auch die Stadt ordentlich draufzahlen. Den Mehraufwand beziffert Stüdemann mit „8 bis 12 Millionen Euro, die bereits 2023 voll zu Buche schlagen.“

Hinzu kommen die inflationsbedingt steigenden Preise. „Das zieht sich quer durch alle Ebenen und Bereiche“, schildert Stüdemann. Zahlen mochte er noch nicht nennen. „Aber wir müssen quasi alle Budgets anpassen.“

Derlei Kosten werden wohl auf den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) zurollen. Dortmunds Kämmerer stellt sich darauf ein, dass der LWL den Mehraufwand wie üblich per Umlage an die Mitgliedskommunen weiterreicht. Geschätzte Zusatzausgaben: bis zu 20 Millionen Euro.

Erstattung von Abwassergebühren: Kämmerer beugt vor

Was dem Kämmerer ebenfalls Sorge bereitet: Muss die Stadt Dortmund den Bürgern eventuell Millionen Euro an Abwassergebühren zurückzahlen? Mehrere Hundert Dortmunder Grundbesitzer haben Widerspruch gegen ihren Gebührenbescheid 2021 eingelegt, vor dem Gelsenkirchener Verwaltungsgericht ist sogar eine Klage anhängig.

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In einem ähnlich gelagerten Fall hat ein Bürger aus Oer-Erkenschwick vor dem OVG Münster gesiegt; die Abwassergebühren aus 2017 seien zu hoch, entschieden die Richter. Zwar ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Doch für den Kämmerer ist das ein Alarmzeichen, denn das Verfahren könnte auch Folgen für Dortmunds Stadtkasse haben. Als vorsichtiger Kaufmann preist Stüdemann einen Betrag X in den Haushalt ein – schweigt sich mit Blick auf die laufenden Verfahren zu Zahlen jedoch aus.

Sparpakete sollen „mehr als 60 Millionen Euro“ herauskitzeln

Dafür kündigt er ein Paket mit neuen Sparvorschlägen an. Es soll im September dem Rat vorgelegt werden; zeitgleich mit dem Haushaltsentwurf 2023 und dem Finanzplan für die Folgejahre. „Eigene Kraft“ heißt das Programm, das der Rat 2021 als Fortsetzung des Sparpakets „Memorandum II“ beschlossen hat. Das enthält bereits Entlastungen von rund 30 Millionen Euro jährlich. Nun sollen weitere 30 Millionen aus „Eigene Kraft“ hinzukommen. „Wir füllen das Programm jetzt mit Leben“, sagt Stüdemann.

Insgesamt sollen also „60 Millionen Euro Entlastungen“ herauskommen – „und noch ein Stückchen mehr“, wie Stüdemann sagt. Gleichzeitig hofft er auf die nächste Steuerschätzung des Bundes – und darauf, dass endlich eine Altschuldenregelung für die klammen Kommunen kommt.

Das wird wohl auch nötig sein: Als der Rat im Dezember 2021 den Haushalt fürs Jahr 2022 verabschiedete, war ein Minus 37,1 Millionen Euro einprogrammiert. Wenige Monate später, im Mai 2022, betrug die Prognose fürs Jahresende bereits minus 72,4 Millionen Euro.