Dr. Bert Klebl ist wissenschaftlicher Leiter des Lead Discovery Centers (LDC), das das gemeinsame Impfstoff-Projekt mit Potsdamer Forschern steuert. Und er gehört zur Geschäftsführung des finanzierenden Dortmunder Fonds Khan I.

© HARDY WELSCH

Neue Impf-Technologie aus Dortmund soll ohne Nadel vor Coronavirus schützen

rnHoffnung auf Impfstoff

Im weltweiten Rennen um den Corona-Impfstoff sind Dortmunder und Potsdamer Forscher mit einem gemeinsamen Projekt dabei: Sie entwickeln eine völlig neue Impf-Technologie - ohne Nadel!

von Annette Feldmann

Dortmund

, 20.07.2020, 08:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Stoff, der die Corona-Pandemie stoppen soll, wird zur Zeit in rund 150 Forschungsprojekten auf der ganzen Welt gesucht. Einige Wissenschaftler arbeiten mit Lebendwirkstoffen, andere mit Virusproteinen oder mit Genen des Virus in Form der Botenstoffe mRNA oder RNA. Aber fast alle basieren auf der Injektion des Wirkstoffs in den Muskel des Patienten. Ganz anders das Dortmunder Projekt: Es funktioniert über die Haut.

„In der Haut ist die Dichte der Immunzellen, die in Aktion gesetzt werden müssen, wesentlich höher als in den Muskeln. Und die Menge macht einen Unterschied. Hier befinden sich auch die sogenannten Langerhans-Zellen. Diese Zellen aktivieren und koordinieren die Abwehr-Antwort des Körpers auf das Virus“ erklärt Dr. Bert Klebl.

Finanzierung über 60 Mio.-Fonds

Er gehört zur Geschäftsführung des in Dortmund ansässigen Biotech-Fonds KHAN I, der gerade mit 60 Millionen Euro Risikokapital aufgelegt worden ist und es finanziell überhaupt erst möglich macht, ein schnell verfügbares Impf-Verfahren zu entwickeln. Gleichzeitig ist Klebl wissenschaftlicher Leiter des Biotech-Unternehmens Lead Discovery-Center (LDC) auf dem Uni-Campus. Das LDC beschafft die Antigene für den Impfstoff und steuert das Gesamtprojekt.

Der Impfstoff, auf den die ganze Welt wartet, wird derzeit in rund 150 Projekten weltweit gesucht. Ein Forschungsteam aus Dortmund und Potsdam entwickelt eine Impfung über die Haut, ohne Nadel.

Der Impfstoff, auf den die ganze Welt wartet, wird derzeit in rund 150 Projekten weltweit gesucht. Ein Forschungsteam aus Dortmund und Potsdam entwickelt eine Impfung über die Haut, ohne Nadel. © HARDY WELSCH

Aber nichts ginge ohne die Grundlagenforschung des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam, wo Dr. Christoph Rademacher sitzt, der Haupterfinder der neuen Technologie. An seinem Institut wurde die Plattform-Technologie entwickelt, also sozusagen das Transportsystem, das die Langerhans-Zellen in der Haut gezielt ansteuern kann: Das Langerhans Cell Targeted Delivery System (LC-TDS). Mit diesem System können die Impfstoffe direkt auf die Haut aufgetragen werden, z.B. als Gel, oder per Pflaster. Oder sie werden mit Mikronadeln injiziert.

Mehrere Wirkstoffe möglich

„Wir gehen davon aus, dass unser System alle Impfstoffe freisetzen kann, die Proteine, Peptide oder mRNA verwenden“, sagt Rademacher. Das heißt: Dieses Impf-Verfahren soll nicht nur besonders effizient wirken, weil es größere Mengen an Immunzellen erreicht, es soll auch verschiedene Wirkstoff-Varianten transportieren können. Denn bisher ist noch gar nicht erforscht, welcher Wirkstoff das Virus am besten oder überhaupt erfolgreich bekämpft.

Welcher Wirkstoff Covid 19 am besten bekämpft, ist noch völlig offen. Die Technologie des Forscher-Teams aus Dortmund und Potsdam kann mehrere Wirkstoffe transportieren.

Welcher Wirkstoff Covid 19 am besten bekämpft, ist noch völlig offen. Die Technologie des Forscher-Teams aus Dortmund und Potsdam kann mehrere Wirkstoffe transportieren. © HARDY WELSCH

Die deutschen Firmen Curevac und Biontech, die öffentlich im Mittelpunkt stehen, weil Bundesregierung und EU bisher die größten Hoffnungen auf ihre Projekte setzen, arbeiten mit dem Botenstoff mRNA. Er ist biotechnologisch schnell herstellbar und würde es ermöglichen, kurzfristig Impfstoff für viele Menschen bereitzustellen. „Wenn das mit RNA funktioniert, würden wir uns freuen“, kommentiert Dr. Bert Klebl die parallel laufenden Projekte der anderen Biotech-Unternehmen.

Jetzt lesen

„Auch wir können mit RNA arbeiten. Aber eben auch mit anderen Stoffen. Allein auf RNA zu setzen ist nicht ohne Risiko. Sollte das nämlich nicht funktionieren, müssten wieder andere Ansätze weiterverfolgt werden.“

Langerhans-Zellen sind Schlüssel

Die zentrale Rolle bei der Dortmund-Potsdamer Impf-Technologie spielt ein chemischer Baustein, der das Andocken ausschließlich an Langerhans-Zellen ermöglicht. Die Langerhans-Zellen sind wandernde Zellen. Sie wandern über das Lymphsystem in die Blutbahn und treffen dort auf die T- und B-Zellen, die dann Antikörper bilden. Jetzt soll das Verfahren helfen, ein schnell wirksames Impfverfahren gegen Corona zu entwickeln. „Aber grundsätzlich ist die Technologie auch geeignet, um z.B. Influenza-Antigene einzuschleusen und es könnte auch in der Onkologie oder bei Allergien eingesetzt werden“, beschreibt Bert Klebl die Bandbreite, auf die er große Hoffnungen setzt. Der Dortmunder Fonds KHAN I finanziert bisher die Entwicklung, künftig wird die Technologie aber unternehmerisch selbstständig in einer neu gegründeten Gesellschaft, der Cutanos GmbH. Ob sie ihren Sitz in Dortmund haben wird, ist noch nicht sicher. Jedenfalls sind dann auch weitere Investoren gefragt.

Klinische Studie nicht vor 2021

Eine der entscheidenden Fragen bei allen Impfstoff-Projekten ist das Wann. „Ein schnell verfügbarer Impfstoff heißt leider nicht: in diesem Jahr“, dämpft der LDC-Wissenschaftler allzu große Hoffnungen. „Wenn wir alle Hürden bis dahin nehmen, werden wir nächstes Jahr mit den Behörden über die Zulassung einer klinischen Studie sprechen. Vor 2021 wird es sicher keinen Impfstoff geben.

Jetzt lesen

Ob eine Impfung dann – egal mit welchem Verfahren – tatsächlich zu einer dauerhaften oder zumindest längeren Immunität führt, ist keineswegs sicher. Neue Untersuchungen mit genesenen Covid 19 Patienten dämpfen die Hoffnung auf eine längere Wirksamkeit von Antikörpern im Blut und damit auch möglicherweise von Impfungen. „Andererseits kann man auch immun sein ohne Antikörper“, ergänzt Bert Klebl das ganze Spektrum der Unklarheiten um das Corona-Virus. „Bei der Influenza gibt es ja unterschiedliche Virusstämme und man muss immer wieder erneut impfen. Das kann man sich bei Covid 19 auch vorstellen. Man muss bei der Entwicklung flexibel reagieren und man darf vor allem an der anderen Front nicht schlafen: Es müssen auch Medikamente zur Behandlung von Covid 19 entwickelt werden.“ Beim LDC wird neben dem Impfstoff parallel mit Hochdruck an drei Therapie-Ansätzen gearbeitet, damit Covid 19-Patienten gar nicht erst schwerst erkranken.