Mit der Vernehmung einer Assistentin der Staatsanwaltschaft ist der Prozess um mutmaßlich knapp 600 Corona-Scheinimpfungen durch einen praktizierenden Arzt (67) im Recklinghäuser Paulusviertel fortgesetzt worden. Im Fokus der Befragung: Umstrittene Nazizeit-Vergleiche und mutmaßliche Pläne des Angeklagten, sich nach Sansibar (Tansania) abzusetzen.
Die Zeugin hatte zuletzt am 14. Februar im Bochumer Gefängnis erneut einen Besuchskontakt zwischen dem Arzt und seiner Ehefrau (wegen Beihilfe mitangeklagt) „überwacht“. An mehreren Stellen stieß die Ermittlungsassistentin auf „verfahrensrelevante“ Gesprächsthemen, fertigte einen Vermerk.
Die Zeugin gab an, dass die Ehefrau ihrem Mann zu Beginn des Gefängnisbesuchs berichtet hat, dass der neu hinzugezogene Anwalt ihn (den Arzt) mit „Oskar Schindler“ verglichen habe, weil er tausenden Menschen das Leben gerettet habe. Der Arzt habe sich über diesen Vergleich gefreut.
Trauminsel als Fluchtziel?
Dann, so die Zeugin, habe die Frau dem Arzt erklärt, „dass sie als Ungeimpfte behandelt würden wie die Juden im Nazi-Regime und dass sie einen Judenstern auf der Brust tragen“. Besonders hellhörig wurde die Ermittlungsassistentin aber bei dem Wort „Sansibar“.
Die Zeugin: „Die Frau hat zu dem Arzt gesagt, dass sie sich ihren Lebensabend anders vorgestellt habe. Daraufhin hat er geantwortet: Ja, auf Sansibar.“
Eine Trauminsel im Indischen Ozean? Ein Fluchtziel?
Wie jetzt bekannt wurde, lautet bereits der Haftgrund im Haftbefehl gegen den Arzt auf Fluchtgefahr. Der Arzt war am 13. Mai 2022, vier Monate einer Razzia in seiner Recklinghäuser Praxis, festgenommen worden.
Die Staatsanwaltschaft hatte schon damals Indizien für eine mutmaßlich konkret geplante Flucht ermittelt. Auf Sansibar soll das Ehepaar angeblich Aussicht auf eine Immobilie gehabt haben, außerdem war die Hertener Privatwohnung offenbar kurzfristig gekündigt und das Praxisinventar via Kleinanzeigen zu Bargeld gemacht worden. Gewohnt haben soll der Arzt zuletzt bei einem Verwandten im Westen von Dortmund.
Gespräch am Valentinstag
Die Verteidigung will von alldem nichts wissen. „Man hat nichts in der Hand und dichtet ihm jetzt Fluchtpläne nach Sansibar an“, beklagte sich der neue Verteidiger. Der Anwalt, ein bekennender Impfkritiker, behauptete, Schindler-Zitat und Judenstern-Vergleich seien anders gemeint beziehungsweise nur Wiedergaben aus einem Buch gewesen. Zum Thema Sansibar hieß es: „Das war ja ein Gespräch am Valentinstag. Gemeint war, das es dort natürlich jetzt schöner wäre.“
Laut Anklage soll der Arzt 589 Corona-Schutzimpfungen vorgetäuscht, trotzdem originale Impfpässe ausgegeben haben. Ein anfängliches Geständnis hatte der Mediziner zuletzt für ungültig erklärt.
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