
© Julien März
„Hier ist die Hölle los!“ - Corona-Boom bei Dortmunds Fahrradhändlern
Verkehr in Dortmund
Viele Branchen leiden unter der Corona-Krise - doch bei Dortmunds Fahrradhändlern brummt das Geschäft: Sie können sich vor Aufträgen kaum retten. Das führt zu einem speziellen Problem.
Zu Beginn der Corona-Krise in Deutschland mussten auch Fahrradgeschäfte vorübergehend den Verkauf einstellen, lediglich Reparaturen durften noch angeboten werden. Die Sorgen der Branche waren zu Beginn der Krise groß - auch, weil viele der Komponenten aus China und anderen asiatischen Ländern, aber auch aus Italien kommen.
Laut dem Zweirad-Industrie-Verband befürchteten Mitte März mehr als 80 Prozent der Verbandsmitglieder Auswirkungen und rechneten mit längeren Lieferzeiten. Wie sieht die Lage nun aus?
Für Rudolf Hölker, Betreiber des Geschäfts „Fahrrad-Service-Kreuzviertel“, läuft es aktuell gut. Seit Beginn der Ausbreitung des Coronavirus in Dortmund nimmt er ein steigendes Interesse an Fahrrädern wahr. Jedoch gibt es seit mehreren Wochen bei bestimmten Komponenten Lieferengpässe, erzählt er.
Fahrrad als Alternative
Hölker sieht die Gründe für die steigende Nachfrage nach Fahrrädern und Reparaturen bei dem Umstieg vieler Menschen von Bus und Bahn aufs Zweirad. Aber auch viele Familien kommen in seine Reparaturwerkstatt.
„Viele Menschen kommen, weil sie ihr Fahrrad aus dem Keller geholt haben und es wieder auf Vordermann gebracht haben wollen“, erzählt Hölker. Seine Werkstatt schließen musste er nicht. Kundengespräche und Verkäufe erledigt er auf dem kleinen Hof vor seinem Laden.

Rudolf Hölker erlebt im Moment ein steigendes Interesse an Fahrrädern und Reperaturen. © Julien März
Auch Thomas Brechtmann vom Fahrradgeschäft „Rund ums Rad“ nimmt eine erhöhte Nachfrage nach Reparaturen wahr. Er verkauft keine Fahrräder, repariert sie aber. Daher musste er sein Geschäft auch nicht schließen. Kunden können ohne Termin in sein Geschäft kommen und bei kleineren Reparaturen ist das Fahrrad nach drei Stunden wieder abholbereit.
Momentan hat Brechtmann sogar Probleme die Nachfrage zu bedienen. „Hier ist die Hölle los“, sagt er. Seine Händlerkollegen würden teilweise bis zu 100 Prozent mehr Umsatz machen, erzählt er. Aber auch bei ihm würde es bei bestimmten Teilen zu Lieferengpässen kommen.
„Plus von 30 Prozent“
Fabian Seiffert vom Fahrradgeschäft „Edelhelfer Dortmund“ sieht ähnliche Entwicklungen. Auf die Frage, ob es eine erhöhte Nachfrage nach Fahrrädern gibt, antwortet er: „Ja auf jeden Fall, wir können ein Plus von 30 Prozent wahrnehmen“.
Laut Seiffert vermeiden viele Kunden die Nutzung von Bus und Bahn. Auch gestrichene Urlaubspläne sorgen für eine höhere Nachfrage. Viele Menschen hätten sich jetzt ein Fahrrad gekauft und sich Fahrradtouren als Alternative zum Urlaub ausgesucht.
Da Fabian Seiffert schon zu Beginn der Corona-Krise bei seinen Händlern viele Fahrräder vorbestellt hatte, hat sein Geschäft kein Problem, die große Nachfrage zu bedienen. Jedoch gebe es bei anderen Artikeln Lieferengpässe, etwa bei Helmen, Fahrradschlössern und Fahrradtaschen.
„Mit der allgemeinen Situation sehr zufrieden“
Sven Rasewerg, Geschäftsführer von „2 Wheel Garage“, ist „mit der allgemeinen Situation sehr zufrieden“. Auch er erlebt eine erhöhte Nachfrage bei Fahrrädern und Reparaturen. Bei ihm kann man auch gebrauchte Fahrräder kaufen.
Doch da so viele Menschen ihr Fahrrad in seiner Werkstatt reparieren lassen, kann er seine gebrauchten Fahrräder im Moment kaum für den Verkauf fertig machen. Zudem gebe es „massive Lieferengpässe in der einen oder anderen Warengruppe“, so Rasewerg.
Jochen Noll vom Fahrradgeschäft „Radsport Noll“ merkt auch das steigende Interesse an seinen Zweirädern. Die Nachfrage kann insgesamt bedient werden, allerdings kann es sein, dass der Kunde sein Wunschfahrrad nicht bekommt.
Allerdings habe er „ja noch ein paar hundert Fahrräder herumstehen“. Außerdem „wird es ja irgendwann wieder Winter, dann geht die Nachfrage auch wieder zurück, denke ich“, so Noll.
Gleicher oder höherer Umsatz im Vergleich zum Vorjahr erwartet
In einer Pressemitteilung vom 19. Mai des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) heißt es, dass 69 Prozent der Dienstleiter einen gleichen oder sogar höheren Umsatz als 2019 erwarten. Dies gehe aus einer Branchenumfrage der Fahrradwirtschaft hervor.
Dies lässt sich aber noch nicht endgültig bestätigen, sagt David Eisenberger, Leiter für Marketing und Kommunikation des ZIV - denn die Verkaufszahlen werden nur jährlich erhoben.
Jedoch konnte man einen 20- bis 30-prozentigen Anstieg der Verkäufe im April registrieren. Gründe hierfür sieht David Eisenberger einerseits in der Corona-Pandemie, aber auch bei nachgeholten Käufen. Denn die Saison fängt eigentlich schon im März an. Eine erhöhte Nachfrage sei vor allem bei E-Bikes festzustellen.
Auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Dortmund (ADFC) sagte auf Anfrage unserer Redaktion, dass seit März 2020 mehr Fahrräder gekauft werden.
Da es in China, einer der Hauptproduktionsstätten für Fahrräder, Mitte Februar zum Shutdown kam, gibt es aktuell bei einigen Produkten Lieferengpässe, die wohl erst im dritten Quartal 2020 spürbar werden.