Jörg Lohr ist neu im Vorstand des Dortmunder Ladesäulenherstellers Compleo. Vor dem Hintergrund eines stark gefallenen Aktienkurses und der Aufgabe zweier Standorte in Ostwestfalen übt der Manager auch Selbstkritik.

Jörg Lohr ist neu im Vorstand des Dortmunder Ladesäulenherstellers Compleo. Vor dem Hintergrund eines stark gefallenen Aktienkurses und der jetzt angekündigten Aufgabe zweier Standorte in Ostwestfalen übt der Manager auch Selbstkritik. © Compleo/Frank Peterschröder

Entlassungen und Aktien-Tief - Compleo-Chef: „Müssen uns klarer fokussieren“

rnElektromobilität

Die Aktie im Tief, zwei Werke vor dem Aus. Hat der Ladesäulenhersteller Compleo auf dem Markt der Elektromobilität den Anschluss verloren? Dazu äußert sich der neue Vorstand Jörg Lohr.

Dortmund

, 02.10.2022, 05:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Aufschrei in Ostwestfalen ist groß. Der Dortmunder Ladesäulenhersteller Compleo schließt seine beiden Werke in Paderborn und Schlangen. Den 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort wurde bereits gekündigt.

Hergestellt werden an den beiden Standorten Wallboxen, mit denen Elektroautos in Garagen oder Tiefgaragen aufgeladen werden können. Während aber in der gesamten Compleo-Gruppe das Geschäft mit AC- und DC-Ladestationen im ersten Halbjahr 2022 den Erwartungen entsprach, blieben die Verkaufszahlen für Wallboxen hinter den gesteckten Zielen zurück.

„Trotz aller Anstrengungen konnte bis heute kein kostendeckender Betrieb an beiden Standorten realisiert werden“, sagt der neue Vertriebschef im Vorstand, Jörg Lohr. Vor einem halben Jahr ist er bei Compleo eingestiegen, um das an der Börse böse abgestrafte Unternehmen mit zu konsolidieren.

Compleo übt Selbstkritik: Zu viele verschiedene Produkte

Nicht nur mit dem Kauf des ostwestfälischen Konkurrenten „wallbe“, der eben auch Wallboxen herstellte, auch mit der Übernahme der E.ON-Tochter Innogy eMobility Solutions GmbH scheint Compleo zu schnell gewachsen zu sein. Jörg Lohr sagt es so: „Wir haben durch unsere Zukäufe nicht schnell genug unser Produktportfolio geschärft.“

In Dortmund beschäftigt Compleo über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein Stellenabbau ist bisher nicht vorgesehen und gilt „als letztes Mittel der Wahl“.

In Dortmund beschäftigt Compleo über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein Stellenabbau ist bisher nicht vorgesehen und gilt „als letztes Mittel der Wahl“. © Compleo

Neben Lieferkettenproblemen und dem Wegfall der staatlichen Förderprogramme zur Installation von Wallboxen im privaten Bereich macht Lohr unumwunden auch „interne Faktoren“ für die wirtschaftlichen Probleme und den Sinkflug der Compleo-Aktie verantwortlich. So gebe es einige Doppel-Strukturen in der Compleo-Gruppe und zu viele verschiedene Produkte.

„Wir müssen uns klarer auf unsere stärksten Produkte fokussieren und Redundanzen reduzieren“, so Jörg Lohr. Im Fokus stehe hier insbesondere die Weiterentwicklung der eigenen Ladestations- und Softwareprodukte hinsichtlich der Kundenbedarfe sowie die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des Kundenservices.

Compleo-Aktie ist auf unter 11 Euro gefallen

Auf unter 11 Euro ist die im Herbst 2020 für 42,70 Euro ausgegebene Aktie inzwischen gesunken. Die Talfahrt hält an, obwohl Compleo immer wieder auch neue, große Aufträge vorweisen kann. Etwa von den Stadtwerken Berlin oder jetzt vom dänischen Charge-Ladelösungsanbieter Clever, der AC-Ladestationen geliefert bekommen möchte: Clever plant als größter Ladelösungsanbieter in Dänemark, schon bis Ende 2025 insgesamt 9000 neue Ladestationen im öffentlichen Raum zu errichten.

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„Wir können Vertriebserfolge vorweisen, die zeigen, dass der Markt gerne unsere Produkte bezieht. Er muss die Produkte allerdings auch bekommen. In der Vergangenheit haben wir uns ambitionierte Ziele gesteckt, die wir dann nicht erreicht haben. Dadurch haben wir an Glaubwürdigkeit verloren und wurden dafür an der Börse abgestraft“, sagt Jörg Lohr.

Anleger, die viel Geld verloren haben, sprechen von einem „Missmanagement“. Ein Aktienbesitzer aus Dortmund, der namentlich nicht genannt werden möchte, schreibt in einer E-Mail an unsere Redaktion: „Ende vom Lied ist, dass für mich als Dortmunder ein Dortmunder Unternehmen mit diesem Geschäftsmodell zu Anfang seines Börsengangs von mir sehr positiv gesehen wurde. Aber ich bin noch nie derartig enttäuscht worden von einer Unternehmens-Beteiligung und habe nun 87 Prozent meines Kapitaleinsatzes verloren, und das in neun Monaten.“

Compleo ist „eher ein spekulatives Investment“

Ein Journalist des in Dortmund ansässigen Magazins Ecoreporter, ein Fachmagazin für nachhaltige Geldanlagen, sagt: „Kleine Aktienwerte haben es sowieso schwer. Und für Compleo hat sich das Geschäft mit den Wallboxen bisher nicht so gut entwickelt. Aktionäre suchen da lieber den sicheren Hafen bei anderen Unternehmen. Bei Compleo als nach wie vor eher kleines Unternehmen im Markt der Elektromobilität ist die Zeichnung von Anteilen eher ein spekulatives Investment - und die Konkurrenz ist sehr groß.“

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Den einstige Wachstumsriesen Compleo soll nun Jörg Lohr wieder in die Spur bringen. „Mit ihm haben wir einen erfahrenen und erfolgreichen Kollegen in den Vorstand geholt, der in den letzten Monaten insbesondere das Software-Geschäft von Compleo erfolgreich vorangetrieben hat. Auf diese Erfolgsgeschichte wollen wir weiter setzen. Ich freue mich jetzt schon auf die Zusammenarbeit“, sagt Aufsichtsratsvorsitzender Dag Hagby.

Jörg Lohr ist optimistisch, dass Compleo trotz großer Konkurrenz seinen guten Platz im Markt nicht eingebüßt hat. „Mit der Eichrechtskonformität unserer Ladesäulen beispielsweise haben wir weiter einen Vorsprung vor anderen“, sagt er. Und: „Wir sind in einer Konsolidierungsphase und werden unsere Strukturen verbessern. Zudem glauben wir an eine Reaktivierung der Förderprogramme und sehen auch Potenzial im europäischen Ausland, wo es nach wie vor Förderprogramme gibt.“

Compleo konzentriert Produktion auf Dortmund

Wenn Ende des Jahres die Standorte in Ostwestfalen geschlossen werden, will Compleo seine deutsche Produktion in Dortmund konzentrieren. Ein Abbau der hiesigen über 600 Arbeitsplätze gilt als das letzte Mittel der Wahl. „Stand heute“, sagt Jörg Lohr, „wird die Konsolidierung des Unternehmens vorerst keine Auswirkungen in Dortmund haben.“

Als Mitgründer und Vorstandsmitglied von Compleo in Dortmund ist Checrallah Kachouh jetzt für viele überraschend aus dem Unternehmen ausgeschieden.

Als Mitgründer und Vorstandsmitglied von Compleo ist Checrallah Kachouh jetzt für viele überraschend aus dem Unternehmen ausgeschieden. © (A) Peter Wulle

An der Unternehmensspitze allerdings hat es schon eine weitere, nicht unerhebliche Veränderung gegeben, wie Compleo mitteilt. So ist der bisherige Technische Vorstand und Mitgründer, Checrallah Kachouh, ausgeschieden. „Ich schaue mit großer Freude auf mehr als 13 Jahre zurück“, so Kachouh, „aber jetzt ist der Moment gekommen, meinen Weg außerhalb der Compleo Gruppe weiterzugehen und mich meinen persönlichen Plänen zu widmen.“

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