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CDU Dortmund ringt um Chef für Parteivorsitz - und mit der Technik
Digitale Diskussion
Wer soll CDU-Parteichef werden? Die Dortmunder CDU-Delegierten für den Bundesparteitag hörten digital bei der Basis nach. Einige hatten mit dem neuen Format arg zu kämpfen.
Der Sonderparteitag, der am Samstag (16.1.) den neuen Bundesvorsitzenden der CDU wählen soll, wird komplett im Internet übertragen. Ein Novum. Es ist der erste digitale Wahlparteitag der Geschichte der Bundesrepublik.
Aber auch die Dortmunder Christdemokraten hatten im Vorfeld eine Premiere: Die knapp 1600 Mitglieder des Kreisverbandes konnten am Donnerstagabend (14.1.) in einem virtuellen Dialog den wahlberechtigten Delegierten aus Dortmund Anregungen, Hinweise, Empfehlungen und dringende Wünsche mit auf den Weg geben.
Vorhersagen, wer das Rennen beim Parteitag macht – NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Ex-Fraktionschef Friedrich Merz oder der Außenpolitiker Norbert Röttgen –, sind schwierig. Doch die vier Dortmunder von insgesamt 1001 Delegierten sind sich bislang einig: Armin Laschet soll die Christdemokraten in die Nach-Merkel-Ära führen. So einhellig allerdings ist die Stimmung in der Dortmunder CDU nicht.
Kein Bild, schlechter Ton
Bis zu 41 Teilnehmer gleichzeitig wählten sich in die Videokonferenz ein. Viele mussten sich dabei auf das für sie neue digitale Terrain vortasten, einschließlich der Akteure in der CDU-Kreisgeschäftsstelle, die mit der Technik kämpften. Sascha Mader, Moderator und kommissarischer Kreisverbands-Vorsitzender, war anfangs schlecht zu hören, die Delegierte Ute Mais hatte zunächst kein Bild.
Sie war wie Mader vor Ort in der Geschäftsstelle, die Parteitags-Delegierten Steffen Kanitz und Dr. Annette Littmann nahmen am heimischen Bildschirm teil. Die vierte Delegierte aus Dortmund, Claudia Middendorf, war verhindert, weil sie in einer Videokonferenz des Landesverbandes saß, auf dessen Ticket sie am Samstag mit abstimmen wird – für Laschet.
Dass sich die Dortmunder Delegierten vorab zumindest in der Tendenz auf Laschet festgelegt haben, das hat Peter Müller, der sich als einer der ersten zu Wort meldete, „überhaupt nicht gefallen. Mein Votum wäre für Merz, ein echter Sauerländer, der ich auch bin.“
„Wie kann ich es lauter stellen?“
Aus dem Off kommt eine andere Stimme, die klagt: „Das kommt sehr leise bei mir an. Wie kann ich es lauter stellen? Ich möchte es lauter haben. Ich bin sehr für Laschet, nicht für Merz und auch für keinen anderen“.
Joachim Weidner meldet sich und will wissen, ob man ihn sehen kann und wie Wortmeldungen gehen, dabei spricht er schon. Die Corona-Geschichte werde NRW noch lange beschäftigen, deshalb wäre es nicht gut, einen Erfahrenen auszutauschen. „Laschet sollte in Düsseldorf bleiben.“
Die Diskussion ist kontrovers, der Ton sachlich, aber die technischen Rückkopplungen stören zuweilen. „Bitte alle anderen, die nicht reden, das Mikrofon auf stumm schalten“, ermahnt Sascha Mader.
Sorge um NRW
Adolf Weintz aus der Ortsunion Brackel und ehemaliges Ratsmitglied outet sich ebenfalls als Merz-Fan. Laschet sei ein ausgezeichneter Ministerpräsident, doch sollte er unterliegen, komme er beschädigt nach NRW zurück. „Wird er aber siegen, werden wir in NRW große Probleme haben. Ich mache mir Sorgen um NRW nach Laschet.“

Die Parteitagsdelegierte Ute Mais blieb am Ende bei ihrer Präferenz für Armin Laschet. © Kolle
Auch Stephan Wallmeyer aus der Ortsunion Wellinghofen gibt zu bedenken, dass Laschet als Parteichef nicht genug Zeit haben werde, weiter eine Landesregierung zu führen. Und das in Zeiten der Pandemie.
Das Für und Wider der Dortmunder CDU-Mitglieder zu Laschet und Merz hält sich die Waage. Röttgen spielt nur eine untergeordnete Rolle. Martin Ludwig von der Ortsunion Asseln ist für Laschet, bei Merz stört ihn dessen „Ich-Bezogenheit“ und „Arroganz“.
„Keine Bulldozer-Mentalität“
Die Dortmunder Vorsitzende der Jungen Union, Sarah Beckhoff, dagegen, will den Delegierten ins Gewissen reden. Ihr Favorit ist Merz. Er biete ein gutes Programm an, mit dem Deutschland aus der Corona-Krise herauskomme, ohne zu viele Schulden zu machen.
„Wir brauchen keine Bulldozer-Mentalität“ hält Annette Bruckhaus von der Ortsunion Dorstfeld und Mitglied im CDU-Kreisvorstand dagegen. „Mein Votum ist für Laschet. Das Vermittelnde ist richtig in einer Volkspartei.“
Für Werner Gollnick, Bezirksbürgermeister in Scharnhorst, hat Merz „etwas Staatstragendes“. Mit ihm an der Parteispitze würde sich die CDU die Kanzlerkandidatur von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nicht entreißen lassen.
Kanitz traut Laschet am ehesten die Kraft der Mitte zu
Nicht wenige sind für Merz aus Sorge, dass NRW ohne Laschet nicht zurechtkommt. Das kontert Klaus Wegener, Präsident der Auslandsgesellschaft: „Die Friedhöfe sind voll von Leuten, die angeblich unentbehrlich sind.“
Steffen Kanitz legt noch einen nach: „Helmut Kohl war ein starker Ministerpräsident und wurde für lange Zeit Bundeskanzler. Regierungserfahrung kann durchaus helfen. Es hieß auch, dass Kohl niemals zu ersetzen sein würde. Dann kam ratzfatz Angela Merkel.“ Merz habe seine Zeit in der CDU gehabt, die Kraft der Mitte traue er am ehesten Laschet zu.
Die Einwände der Parteimitglieder in der 75-minütigen Diskussion konnten die Delegierten letztlich nicht überzeugen. Das Laschet angekreidete Zaudern und Zögern habe man auch Kohl und Merkel vorgeworfen, sagte Littmann. Ute Mais ist klar geworden, „was man Laschet alles zumutet und was für eine Rotation seine Wahl auslösen würde“. Umgestimmt hat sie das Argument aber nicht.
Nun kommt es auf die Reden an, die die Kandidaten vor der Abstimmung halten werden. Mader wünschte den Delegierten „eine weise Entscheidung“. Und unter die Pings beim Ausklinken aus der Videokonferenz mischt sich eine Stimme: „Das war eine schöne Veranstaltung.“
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
