Christin aus der Wall-Szene: „Wir beten, dass die Polizei nicht da ist“

© Oliver Schaper

Christin aus der Wall-Szene: „Wir beten, dass die Polizei nicht da ist“

rnCar-Freitag in Dortmund

Die 35-jährige Christin Schmitt ist schon seit vielen Jahren regelmäßig auf dem Dortmunder Wall unterwegs. Die Polizei-Kontrollen sieht sie kritisch, weil sie alle über den gleichen Kamm scheren würden.

Dortmund

, 16.04.2022, 18:13 Uhr / Lesedauer: 3 min

Das, was Christin Schmitt am späten Abend Karfreitag (15.4.) auf dem Dortmunder Wall beobachtet, gefällt ihr überhaupt nicht. Sie steht am Straßenrand des Königswalls, zwischen der Brinkhoffstraße und Bahnhofstraße. Es ist dunkel, die einzige Beleuchtung sind die Straßenlaternen – und viel Blaulicht.

Hier findet eine große Kontrollaktion der Polizei statt, bei der Autos aus dem Straßenverkehr gezogen werden. Denn es ist „Car-Freitag“, der Saison-Auftakt der Tuner-Szene und von Auto-Fans. Für die Polizei landesweit ein Grund für erweiterte Kontrollen.

Regelmäßig finden solche Kontrollen in Dortmund statt. Sie und das Tempo 30 ab 21 Uhr sollen die vielen Raser, Tuner und Poser auf dem Wall verdrängen. Die Straße, die um die Innenstadt führt, ist ein beliebter Ort von ihnen.

„Die scheren alle über einen Kamm“

Schon seitdem sie ihren Führerschein im Jahr 2006 gemacht hat, ist Christin Schmitt auf dem Dortmunder Wall unterwegs. Die 35-Jährige aus Waltrop zählt sich selbst zur Wall-Community, also Menschen, die gerne mit ihrem Auto um den Wallring fahren. Und die regelmäßig von der Polizei kontrolliert werden.

Dafür hat Schmitt aber wenig Verständnis: „Die scheren alle über einen Kamm“. Die Polizei würde ihrer Meinung nach nicht differenzieren, wer Raser, Tuner, Poser oder eben einfach nur Auto-Fan ist. Für die Beamten seien alle gleich. Die Polizei hat diesen Vorwurf in der Vergangenheit immer abgestritten.

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Laut Schmitt habe nämlich der Großteil der Leute, die sich am Wall sind – die Polizei spricht von einer Szene – nicht viel mit den Rasern zu tun. Die verurteilt sie selbst nämlich auch: „Mit 150 übern Wall zu brettern ist nicht okay“.

„Ehrenkodex“ wird gebrochen

Es gebe innerhalb der Wall-Community eine Art „Ehrenkodex“, erzählt Christin Schmitt. Der besagt, dass man sich an die Straßenverkehrsordnung halten, niemanden gefährden und sich respektieren solle. Viele Menschen, die auf dem Wall unterwegs sind, würden sich nicht daran halten, das seien gerade Jüngere, die durch ihr prolliges und gefährliches Fahrverhalten, mit geliehenen Autos und Hupen negativ auffallen.

Das Argument der Ruhestörung kann sie etwas nachvollziehen, Hupen und Motorgeheule seien unnötig. Aber sie merkt zu den Beschwerden von Anwohnern wegen Ruhestörungen auch an, dass der Wall nun mal eine Hauptverkehrsstraße ist und dass es klar sei, dass es dort auch mal laut ist.

Ihr persönlich geht es nicht primär um das Autofahren, sondern eher darum, Freunde zu treffen. Jedes Wochenende trifft sich die Waltroperin am Wall mit ihren Leuten, die zum Teil aus Gelsenkirchen, Oberhausen oder Iserlohn kommen. Dortmund liegt da eben in der Mitte, so Christin Schmitt. Sie treffen sich, drehen auch ihre Runden über den Wall, und stehen auf Parkstreifen, um zu quatschen. „Wir sind keine Leute für die Shishabar, sondern eher nur für draußen“.

Der Wall bedeutet ihr viel

Trotzdem gab es für sie schon auch unschöne Erlebnisse mit der Polizei. Zwei Platzverweise habe sie schon ausgesprochen bekommen, obwohl sie nur friedlich auf dem Seitenstreifen mit ihren Freunden gestanden sein will.

Für Schmitt ist das ein durchaus emotionales Thema, man merkt im Gespräch mit ihr schnell, dass ihr der Wall viel bedeutet. Umso mehr stört es sie, dass die Polizei „jeder, der im Kreis fährt, gilt als Poser“ sagt.

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Car-Freitag – viele Polizeikontrollen auf dem Wall

Auto-Enthusiasten und Tuner machen den Karfreitag (15.4.) zum Car-Freitag. Ein Pflichttermin der Szene. Für die Polizei blieb es den Tag über ruhig, am Abend und in der Nacht verstärkte sie aber die Kontrollen.
16.04.2022

Sie hat das Gefühl, dass die „wirklichen Raser“, also diejenigen, die sich und andere durch rücksichtsloses Fahrverhalten in Gefahr bringen, nicht kontrolliert werden würden.

Und Schmitt stellt auch infrage, aus welchen Motiven kontrolliert wird. Sie glaubt, dass die Polizei nur Geld verdienen wolle. Und sie habe schon viel Ungerechtigkeit beobachtet.

Die Polizei begründete ihre Einsätze mit der Verkehrssicherheit und dem Ruhebedürfnis der Anwohner. Demnach sei zielloses Herumfahren nicht erlaubt. Besonders während des Lockdowns in der Corona-Pandemie waren besonders an den Wochenenden viele Autos auf dem Wall unterwegs. Zu dieser Zeit erklärte Polizeipräsident Gregor Lange die Einsätze auf dem Wall zu einem „behördenstrategischen Schwerpunkt“. Zum Einsatz am „Car-Freitag“, bei dem laut Polizei im Vergleich zu den vergangenen Jahren weniger Szene-Autos unterwegs gewesen seien, hieß es in einer Pressemitteilung: „Die Straße ist keine Rennstrecke und kein Laufsteg, um sich selber zu inszenieren. Raser sind Straftäter und gefährden das Leben anderer.“

Negative Erfahrungen

Den negativen Erfahrungen zum Trotz: „Ich verstehe schon, warum diese Kontrollen stattfinden, aber nicht das Ausmaß und die Willkür“. Die Polizei sollte laut Schmitt Meinung nach besser selektieren, denn „die wirklichen Poser und Raser sollen gepackt werden“. Sie könnte sich vorstellen, dass das der Polizei mit mehr zivilen Kräften gelingen könnte.

Trotzdem will Schmitt weiter machen: „Ich bin am Wall, ich treffe da meine Freunde und ich drehe da meine Runden“. „Ich halte mich an die Regeln, denn ich habe keinen Bock geblitzt zu werden oder andere Menschen zu gefährden“.

Auch wenn sich die Fronten verhärtet hätten, werde die Wall-Community nie verschwinden, sagt sie. Zukünftig werden Schmitt und ihre Freunde aber „beten, dass die Polizei nicht da ist“, damit sie einen entspannten Abend haben. Denn ihre Autos seien ganz normale Serienwagen und sie haben „keinen Bock auf unnötige Diskussionen oder Ordnungswidrigkeiten“.

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