
© Rottmann
BVB-Fan fuhr früher den Meistertruck rund um den Borsigplatz
DFB-Pokalfinale
„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“ Das Credo auch der BVB-Fans vor dem Pokalfinale. Nicht so 2021. Das gilt auch für einen BVB-Fan, der oft genug den Meistertruck gefahren hat.
Zwei Autos stehen nebeneinander in der Garageneinfahrt. „Berlin, Berlin, wir sind in Berlin!“ steht auf der A-Klasse. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“ auf einem Golf. „Berlin, Berlin,...“ – der alljährliche Ruf in den Achtel-, Viertel- und Halbfinalspielen des DFB-Pokals.
Für echte Fans ist er mehr als das. Selbstverständnis. Hochamt. Kurzurlaub. Ob mit oder ohne Karte: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“ Am Donnerstag (13.5.) trifft der BVB im DFB-Pokalfinale in der Hauptstadt auf RB Leipzig.
Ohne Kurzurlaub und Hochamt. Ohne Fahnen und Schals auf der A2. Ohne gelbe Bananen wie 1989, in Potsdam-Dreilinden. Kein schwarz-gelbes Farbenmeer auf dem Kudamm und unter dem Brandenburger Tor. Auch Heinrich Rottmann bleibt zu Hause. Dabei hat er seit 1989 kein Pokalfinale versäumt.
Unikat seit vier Jahren auf der Heckscheibe
Dennoch hat er es sich nicht nehmen lassen, die beiden Autos zu bekleben. „Ich habe in diesem Jahr noch gar kein schwarz-gelb geschmücktes Auto gesehen“, sagt der Deusener im Gespräch mit dieser Redaktion. Darum hat er nicht lange überlegt und die beiden Autos beklebt.

Der Hausflur der Familie gleicht einem kleinen "Borusseum": Das Plakat vom Champions-League-Finale gegen Turin 1997, ein handsigniertes Trikot und ein schwarz-gelber Truck. © Rottmann
Das BVB-Logo mit der stilisierten Dortmund-Silhouette auf der Heckscheibe des Mercedes ist ein wenig ausgeblichen. Heinrich Rottmann hat es 2017, nach dem letzten Pokalfinale mit BVB-Beteiligung, auf dem Auto gelassen.
2:1 gegen Eintracht Frankfurt – die frühe Führung durch Ousmane Dembélé, der Ausgleich, dann das erlösende 2:1 durch Pierre-Emerick Aubameyang. Heinrich Rottmann war im Olympiastation dabei. „Berlin war schwarz-gelb“, sagt er. Wie immer. „Das ist ein Gefühl. Links und rechts im Stadion die vielen Leute. Man kennt sich.“

Erinnerung an das Double 2012: Auch beim Finalsieg gegen Bayern München war der Deusener dabei. © Rottmann
2021 ist anders. „Berlin, Berlin, wir sind in Berlin“, steht in sattem Gelb in diesen Tagen auf der Heckscheibe. Wie das Logo mit der Silhouette ein Unikat. Ein befreundeter Grafiker hat die Folien erstellt. „Am Donnerstag sind wir in Gedanken in Berlin“, sagt er. Tochter Melanie war vor vier Jahren ebenfalls beim Finale in der Hauptstadt dabei. Keine Frage: Ihr gehört der beklebte Golf mit dem klassischen Credo: „...wir fahren nach Berlin“.
Das erste Spiel auf Papas Schoß
Vater und Tochter leben gemeinsam ihre BVB-Leidenschaft. „Bei meinem ersten Spiel habe ich im Stadion auf Papas Schoß gesessen“, erzählt die 51-Jährige. „Da hat Ente Lippens noch gespielt.“ Lange her. Ende der 70er Jahre. „Früher gab es ja immer Karten“, sagt Heinrich Rottmann.
Das änderte sich 1995 mit der ersten Meisterschaft nach mehr als drei Jahrzehnten. Heinrich und Melanie Rottmann haben seitdem Dauerkarten. Bis heute. Stehplatz, Block 11, Süd – wo auch sonst? „Ja sicher Süd!“, sagt der 80-Jährige.
„Noch fühle ich mich topfit. Das Alter ist doch nur eine Zahl.“ Keine Zigaretten, kein Alkohol, auch am Donnerstag beim Pokalfinale nicht. „Vielleicht deswegen“, sagt Rottmann. „Fußball in Dortmund ist Religion. Auch wenn man lange stehen muss.

Heinrich Rottmann fuhr zwischen 1995 und 2002 viermal den Champions-Truck des BVB beim Korso durch Dortmund. © Rottmann
Apropos Meisterschaften: Kaum ein Fan dürfte die rauschenden Feiern zwischen Borsigplatz und Friedensplatz näher an der Mannschaft erlebt haben als der Deusener. 1995, 1996 und 2002 sowie nach dem Champions-League-Sieg 1997 fuhr Rottmann den Champions-Truck.
Werkstattleiter bei Mercedes
Damals war er Werkstattleiter bei Mercedes-Benz am Rheinlanddamm. „Die Geschäftsleitung, Niebaum und Meyer haben die Fahrt klar gemacht“, erzählt er. „Sie haben dann gefragt, wer sich zutraut, den Wagen zu fahren.“ Er traute sich. 38 Jahre arbeitete er für die Niederlassung mit dem Stern.

Hunderttausende Menschen säumten den Straßenrand: "Das kann mir keiner nehmen. Das bleibt für immer haften", sagt Heinrich Rottmann. © Rottmann (Repro)
„Das kann man nicht vergessen“, erzählt Heinrich Rottmann. Der Auflieger mit Toilette, Theke und jeder Menge Pils. „Was da für Leute standen.“ Zehn Ordner an jeder Seite. „Da konnte nichts passieren“, sagt er. „1995 war auf dem Borsigplatz eine Baustelle. Dreimal sollte ich um den Platz fahren, das ging überhaupt nicht.“
Heinrich Rottmann lacht. „Ich hatte 16 Gänge an dem Auto, bin aber nur im halben Gang gefahren.“ Zwölf Kilometer in fünfeinhalb Stunden. „Das kann mir keiner nehmen, das bleibt immer haften“, sagt der Senior.
Tochter Melanie war bei den vier Meister-Korsos nicht weit. „Ich hatte das Privileg und durfte mitfahren“, erzählt die 51-Jährige. „Immer da, wo mein Papa fahren durfte, habe ich Fotos gemacht.“ Nicht in der Fahrerkabine, neben dem Vater, sondern hinten auf dem Pressewagen.
Mit dem Herzen in Berlin
Die Herzen der Familie schlagen in einem ganz besonders satten Schwarz-Gelb. Im Hausflur hängen die Original-BVB-Embleme von den Meistertrucks. Bilder von Heinrich Rottmann am Steuer. Das Plakat und die Eintrittskarten vom DFB-Pokalfinale gegen Bayern München – 2012, das Double.

Ein Trophäe im Hausflur: das Original-Emblem von einem der Champions-Trucks. © Rottmann
„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“ Donnerstagabend, um 20.45 Uhr ist Anstoß zum Finale 2021 (Live in der ARD und auf Sky). „Nur rund 50 Ordner werden dabei sein“, sagt Heinrich Rottmann. In der Deusener Hauseinfahrt werden die beiden beklebten Autos stehen. „Wir sind in Berlin“ – mit dem Herzen, in Gedanken und vor dem Fernseher.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
