Warntag auf dem Weihnachtsmarkt Dortmund Plötzlich ein großes MÖÖÖP-Konzert - nicht jeder war drauf gefasst

Plötzlich ein großes MÖÖÖP-Konzert - nicht jeder war drauf gefasst
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Die Dortmunder Weihnachtsstadt auf dem Hansaplatz erwacht um kurz vor 11 Uhr. Jetzt haben auch die letzten Stände ihre Auslagen vorbereitet und die Rollläden hochgezogen. Eine größere Gruppe trinkt Glühwein an Wendlers Almhütte. Das Kinderkarussell dreht die erste Runde. Und dessen Feuerwehrauto gibt eine sanfte Alarm-Melodie von sich. Mööööp. Mööööp.

Alarm ist das Stichwort. Es ist der 8. Dezember, bundesweiter Warntag. Das bedeutet: Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) löst um 11 Uhr in ganz Deutschland einen Probealarm der höchsten Warnstufe 1 aus.

Überpünktlicher Test

Bei Nieselregen und 2 Grad ist noch nicht viel los auf dem Hansaplatz. Ulrich Heil spaziert um Punkt 10.59 Uhr am Kinderkarussell vorbei, als sein Smartphone plötzlich anfängt, laute Warntöne von sich zu geben. Auf dem Handy-Display des 67-jährigen Dortmunders erscheint eine Mitteilung mit der Überschrift „Notfallalarm“. Diese weist auf den Warntag hin und gibt gleichzeitig Entwarnung: „Es besteht keine Gefahr“, heißt es.

Bei Ulrich Heil ist die Mitteilung überpünktlich. Unser Reporter hat gleich zwei Smartphones dabei. Das erste bimmelt parallel zu Ulrich Heils Handy. Das andere meldet sich um Punkt 11 Uhr. Der Text der Probewarnung ist exakt derselbe.

Das Möööp-Konzert

Und das Geräusch auch. Nicht vergleichbar mit dem Piepton einer SMS, sondern tatsächlich laut und alarmierend.

MÖÖÖÖP, MÖÖÖÖP, MÖÖÖP! So schallt es gegen 11 Uhr aus vielen Handys über den Hansaplatz. Deren Besitzer reagieren, schauen auf die Displays. Ein Berührung genügt, um Kenntnisnahme zu signalisieren, und das Geräusch endet. Wenngleich nicht jeder Handybesitzer auf dem Hansaplatz sein Gerät griffbereit hat: Das Möööp-Konzert - inklusive Echo, weil nicht alle denselben Rhythmus haben - hält kurz an und wird dann übertönt von dem wesentlich lauteren Sirenen-Ton.

Die Karte zeigt die 32 Sirenen-Standorte in Dortmund, die am Donnerstag getestet wurden.
Die Karte zeigt die 32 Sirenen-Standorte in Dortmund, die am Donnerstag getestet wurden. © Stadt Dortmund

Die Warnung über die Handys ist ein neu eingeführtes Instrument, das mit einer Technik funktioniert, die Cell Broadcast heißt. Diese ermöglicht es, Warnnachrichten an Mobiltelefone zu senden, ohne dass darauf eine Warn-App installiert sein muss.

Ulrich Heil war nicht überrascht. „Ich war vorbereitet“, sagt der 67-Jährige. „Sinnvoll“ findet er die Technik mit den Handy-Meldungen. Schließlich seien andere Warnsysteme nicht immer so verlässlich. „Es kommt ja auch darauf an, wo man sich gerade aufhält“, sagt er. Das Handy habe man immer mit dabei. „Es ist gut, wenn alle Möglichkeiten ausgenutzt werden.“

Manches Handy bleibt stumm

Die zehnköpfige Gruppe an Wendlers Almhütte ist auf einem inoffiziellen Betriebsausflug. Die Arbeitskollegen, zu denen Max Weikamp (24) gehört, haben eine Spontan-Auswertung des Handy-Alarms vorgenommen.

Acht von zehn Telefonen hätten sich gemeldet, erzählt Weikamp. Eines war ausgeschaltet, das andere - ein Iphone 11 - blieb einfach stumm, während ein weiteres Handy dieses Modells ins Möööp-Konzert einstimmte. Woran es lag?

Die Gruppe rätselt. Eventuell am Mobilfunkanbieter? Das Iphone 11 mit O2-Netz war stumm geblieben.

Die Gruppe um Max Weikamp hat sich an Wendlers Almhütte auf einen Glühwein getroffen.
Die Gruppe um Max Weikamp hat sich an Wendlers Almhütte auf einen Glühwein getroffen. © Tim Schulze

In der Gruppe herrscht Einigkeit: Die Warnung über Cell Broadcast kann in Notfällen zum Retter werden. „Gerade bei Hochwasserkatastrophen ist so etwas sinnvoll“, sagt Max Weikamp. „Wenn diese Warnung nachts gekommen wäre, dann wäre ich aufgestanden, um zu sehen, was los ist.“

An einem anderen Tisch der Almhütte haben sich die Studenten Noah (21), Dawid (21) und Sevda (22) getroffen. Ihre Uni-Veranstaltung am Donnerstagmorgen war ausgefallen. Zeit für einen Glühwein. Dass bundesweiter Warntag ist, haben die drei nicht im Kopf.

Alarm sorgt für Verunsicherung

„Mir fiel es wieder ein, als mein Handy gebimmelt hat“, sagt Noah aus Essen. Er findet die Smartphone-Warnung durchaus sinnvoll, „aber ich weiß nicht, ob sie manche Leute nicht verunsichert“. Auf seinen Kumpel Dawid trifft das zu. Er sagt, er verspüre eine gewisse Panik bei einem Alarm. Dafür müsse nicht mal sein Handy piepen. Das bekannte Sirenen-Geheul reiche schon aus.

„Da fühlt man sich wie in einem Film“, sagt der 21-Jährige aus Köln. Sein Handy blieb übrigens stumm. Es handelt sich um ein Samsung S9 - also ein älteres Modell. Auf einer Liste des BKK, die empfangsfähige Smartphones für Cell Broadcast aufführt, ist dieses Modell nicht zu finden.

Sevda (22) aus Wuppertal hat ein neueres Smartphone, das sich eigentlich hätte melden sollen. Aber ihr Telefon sei stumm geblieben, berichtet sie. Grundsätzlich befürwortet sie das System. „Das Handy hat man schließlich immer am Start.“ Gleichwohl könne so ein Alarm auch beunruhigen, ergänzt sie.

Behörden hatten im Vorfeld des Warntags geschätzt, dass etwa die Hälfte aller Handys in Deutschland von dem System erreicht würden. Das BKK weist darauf hin, dass einige ältere Modelle keine Warnungen über Cell Broadcast empfangen können. Wichtig sei zudem, dass die Betriebssysteme der Geräte auf dem neusten Stand und dass die Telefone eingeschaltet sowie empfangsbereit sind. Das Cell Broadcast System soll auf allen aktuellen iPhones und Android-Smartphones automatisch aktiviert sein.

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BBK-Präsident Ralph Tiesler sagte in einer ersten Bilanz zu Cell Broadcast, das System habe gut funktioniert. Er räumte jedoch ein, dass es womöglich „an der einen oder anderen Stelle Verbesserungsbedarf“ geben könne. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte: „Cell Broadcast in den Mix aus Warnmitteln aufzunehmen und damit auch den positiven Erfahrungen in zahlreichen Ländern zu folgen, war eine richtige und wichtige Entscheidung.“

Mit Material von dpa