Das erlebt man nun wahrlich nicht alle Tage: erst die Einladung ins Schloss Bellevue nach Berlin, dann eine bundesweite Auszeichnung erhalten und dazu auch noch ein Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. „Man kann auch sagen, man erlebt es wahrscheinlich nie“, sagt Dr. Markus Tendahl, stellvertretender Schulleiter am Goethe-Gymnasium in Hörde, und lacht.
Da muss auch Schülerin Valérie Raillon (16) kurz schmunzeln. Sie hat es erlebt. Für sie standen zuletzt aufregende Tage an. Denn: Die Schülerin des Goethe-Gymnasiums wurde für ihre historische Forschung über die inzwischen abgerissene Hörder Arbeitersiedlung „Felicitas“ ausgezeichnet. Aus über 5.600 Schülerinnen und Schülern in Deutschland erreichte sie beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten einen der fünf mit je 2.500 Euro dotierten ersten Preise (wir berichteten).
Gemeinsam mit Geschichtslehrerin Maren Abendroth nahm sich Valérie für uns direkt nach Schulschluss etwas Zeit, um von der intensiven Recherche und dem Aufeinandertreffen mit dem Bundespräsidenten zu berichten.
„Siedlung Felicitas“ in Hörde
Bereits seit mehreren Jahren nimmt das Goethe-Gymnasium an dem von der Körber-Stiftung ausgerichteten Geschichtswettbewerb teil. Und das auch mit beachtlichem Erfolg. „Wir haben es geschafft, dreimal hintereinander Landessieger hervorzubringen. Und das ist eben jetzt das erste Mal jetzt, dass on top noch der Bundespreis dazu kommt“, freut sich Geschichtslehrerin Maren Abendroth, die Valérie bei ihrer Projektarbeit unterstützt hat. Das Motto des Wettbewerbs in diesem Jahr: „Mehr als ein Dach über dem Kopf. Wohnen hat Geschichte“.
Die 16-jährige Schülerin, die durch ihre langjährige Klassenlehrerin auf den Wettbewerb aufmerksam wurde, musste gar nicht lange überlegen, um ein passendes Thema zu finden. Sie entschied sich, die „Siedlung Felicitas“ in Dortmund-Hörde genauer unter die Lupe zu nehmen. Diese entstand bereits in den 1850er-Jahren als zweite Werkssiedlung einer Zeche im heutigen Dortmunder Stadtgebiet und wurde 1977 teilweise abgerissen und für eine Halde (heute Halde Entenpoth) „überschüttet“. Wegen neuer Lärmschutz- und Umweltgesetze hatte man die direkt neben dem Hochofen liegenden 40 Häuser abgerissen
„Das fand ich spannend“
„Die Story, dass da, wo der Berg heute ist, früher mal Häuser standen, hatte ich vor ein paar Jahren schonmal mitgekriegt. Das fand ich dann spannend, weil sich mir erst kein Grund erschlossen hat, warum man dort Wohnraum zugunsten eines Berges aufgegeben hat. Und da habe ich mir halt gedacht, wenn das ein Weg für mich ist, mehr herauszufinden, dann mache ich das“, erklärt die 16-jährige Schülerin des Goethe-Gymnasiums, die in ihrer Freizeit gerne Fußball spielt.

Geschichte ist dabei nicht mal unbedingt ihr Lieblingsfach, wie sie grinsend gesteht. „Das sind eher Physik und Mathe. Aber Geschichte ist auch relativ hoch im Kurs.“ Da freut sich die Geschichtslehrerin, die neben ihr sitzt und ebenfalls lachen muss.
Archive angefragt
Von September 2022 bis Februar 2023 arbeitete die damalige Neuntklässlerin dann an ihrem rund 40-seitigen Projekt, unterstützt von ihren Eltern, ihrer Schwester und eben Lehrerin Maren Abendroth.
„Ich habe Archive angefragt. Das Archiv in Münster, das Zeitungsforschungsarchiv, das Wirtschaftsarchiv und das Krupp-Archiv in Duisburg. Da haben mich meine Eltern auch hingefahren“, berichtet Valérie. Zumeist an den Wochenenden und auch eine Woche in den Weihnachtsferien investierte die Schülerin für ihr Projekt und traf Zeitzeugen zum Gespräch – das hat sich ausgezahlt.
„Fühle mich wie in The Crown“
Gedanken an den Sieg des Bundeswettbewerbs verschwendete Valérie, die bereits sehr überlegt und erwachsen spricht, bis zur freudigen Nachricht nicht. „Ich wäre auch vollkommen zufrieden gewesen, wenn ich einfach hinterher gesagt hätte: Ich habe das jetzt für mich gemacht“, erklärt sie bescheiden.

Doch per E-Mail wurde dann die frohe Kunde übermittelt – für die junge Schülerin aus Hörde ging es dann am Dienstag (14.11.) gemeinsam mit ihrer Lehrerin schnurstracks ins Schloss Bellevue zum Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier.
Eine unglaubliche Erfahrung, wie sie erklärt: „Ich muss sagen, es war relativ surreal. Ich fühle mich immer noch so ein bisschen wie in ‚The Crown‘ (britische Fernsehserie; Anm. d. Red.). Da ist der Kaffee in dem königlich-preußischen Geschirr gebracht worden.“ Ganz glauben kann sie es noch nicht, das ist ihr anzumerken.
„Smalltalk über Dortmund“
Das Highlight war dann das Aufeinandertreffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der die Preisträger des Geschichtswettbewerbs offiziell auszeichnete. Und: Das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland nahm sich sogar ein paar Minuten, um mit der jungen Dortmunder Schülerin ein paar Worte zu wechseln.
„Wir haben auch ein kleines bisschen einen Smalltalk über Dortmund gemacht. Ich war schon aufgeregt. Er hat gefragt, ob das in der Nordstadt liegt“, berichtet sie von der vielleicht einmaligen Begegnung. Da konnte der Bundespräsident sogar noch etwas von ihr lernen.
Auch für Lehrerin Maren Abendroth war die Einladung nach Berlin etwas ganz Besonderes. Viel habe sie bei Valéries Arbeit gar nicht tun müssen, erklärt sie. Umso stolzer sei sie auf den Erfolg ihrer Schülerin: „Ich glaube, das ist dann wie bei einer Mutter. Man freut sich einfach nur total, dass das geklappt hat.“
Nicht nur Sport am Goethe
Und auch der stellvertretende Schulleiter Dr. Markus Tendahl findet die Leistung seiner Schülerin „total klasse“. Dass das Goethe-Gymnasium eine Eliteschule des Sports sei, habe sich in Dortmund mittlerweile herumgesprochen. „Das ist eben hier nur ein Teil. Es ist total toll, wenn so etwas dann geschieht, was eine gewisse Strahlkraft hat, und die Leute dann wirklich erkennen, dass hier auch andere Dinge laufen außer Sport.“
Valérie selbst muss wohl noch einige Nächte drüber schlafen, um zu realisieren, was in den vergangenen Tagen alles passiert ist. „Ich glaube, es wird immer so ein bisschen als eine andere Welt in Erinnerung bleiben“, erklärt sie mit strahlenden Augen.
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