Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist das erste Mal am 10.11.2022 online erschienen. Die Einführung von Tempo 30 auf Teilen der Mallinckrodtstraße nehmen wir zum Anlass, um Menschen, die seit zwei Jahren an einer Hauptverkehrsstraße mit Tempo 30 leben und arbeiten, nach ihrer Einschätzung zu fragen.
Es ist ein beständiges Rauschen, das Anwohner der Ruhrallee auch bei geschlossenen Fenstern im Hintergrund hören. Ab und zu wird es durchbrochen durch das Rumpeln der Lkw über den Asphalt oder die Sirenen der Einsatzfahrzeuge. An der Ruhrallee, eine der Hauptverkehrsadern der Innenstadt, ist es laut. Aber hat die Umstellung auf Tempo 30 im Jahr 2020 den Verkehrslärm gemindert?
Das wollten wir von Anwohnerinnen und Anwohnern wissen und von Menschen, die an der Straße arbeiten. Denn die Stadt Dortmund plant im kommenden Jahr in verschiedenen Straßenabschnitten der Innenstadt, das Tempo auf 30 oder 40 km/h zu reduzieren. Wie das Umweltamt mitteilt, besteht in ganz Dortmund bei etwa 60 Straßen „aus Sicht des Lärmschutzes“ Handlungsbedarf.
Bei der Ruhrallee ist das Tempo bereits im Jahr 2020 auf 30 km/h gedrosselt, zur Luftreinhaltung.
Seit Jahren sind vorher die Grenzwerte für Stickoxide überschritten worden. Die Luft ist nach der Maßnahme besser geworden. Aber ist es wegen der Geschwindigkeitsanpassung auch ruhiger geworden?
„Es ist immer laut“
„Wir haben nicht das Gefühl“, sagt Susanne Daum. Sie leitet die evangelische Kita Paul-Gerhard auf der Ecke Ruhrallee/Markgrafenstraße. „Es ist immer laut. Nicht nur der normale Verkehr. Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen preschen hier mit Sirenen durch, wenn sie zur B1 hochfahren“, sagt Daum.

Die Kita liegt direkt an einer Kreuzung. Wenn die Autos an der Ampel anfahren, sei das natürlich noch einmal lauter als bei fließendem Verkehr, sagt die 54-Jährige, die seit 12 Jahren in der Kita arbeitet. Zum Glück seien die Fenster gut isoliert. Innen höre man nichts, wenn sie geschlossen sind.
„Aber hier fahren viele noch zu schnell und schießen um die Kurve. Das ist natürlich an einer Kita besonders gefährlich, wenn die Eltern morgens ihre Kinder vorbeibringen“, sagt Daum.
„Runter vom Gas“
Die Ruhrallee herunter, ein Stückchen tiefer Richtung City, hängt ein Banner an der Ecke Landgrafenstraße/Ruhrallee. „Fußgänger? Runter vom Gas“, steht da. Daneben hängt ein Plakat „Vorsicht. Unsere Kids haben keinen Airbag.“ Hier ist die Winfried-Grundschule.
„Die Autofahrer rasen nicht so bis zur Ampel. Das trägt zur Sicherheit der Schülerinnen und Schüler bei“, sagt Konrektorin Regina Lindecke. „Da hat die Einführung von Tempo 30 auf jeden Fall geholfen.“

Aber ist der Lärm auch weniger geworden? Da muss sie etwas überlegen. „Ja, ich glaube schon, dass es ruhiger geworden ist“, sagt sie dann. „Früher haben wir die Fenster in der Schule wenig aufgehabt, jetzt deutlich häufiger.“
Lärm wird sehr subjektiv wahrgenommen. Jeder Mensch empfindet Geräusche unterschiedlich und damit auch, wann er sie als störend empfindet. Lärm kann aber auch gesundheitliche Folgen haben.
Lärm kann krank machen
„Starke Lärmeinwirkungen oder dauerhafter Lärm können sogar krank machen oder die Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen“, schreibt das Bundesumweltministerium auf seiner Seite. „Aus repräsentativen Umfragen des Umweltbundesamtes ergibt sich, dass der Straßenverkehrslärm mit Abstand als der größte Störfaktor empfunden wird“, heißt es vom Ministerium weiter.
„Wer an der Ruhrallee wohnt, muss schmerzfrei sein“, sagt Anke Klang. Sie selbst wohnt nicht hier, hat aber seit 30 Jahren ihren Friseursalon „Haartechnik Klang“ an der Ruhrallee. Wenn sie im Sommer die Tür aufhat, sei es sehr laut. Das sei bei 50 km/h so gewesen und auch bei 30.

„Hier fährt ohnehin niemand 30“, sagt aber auch Anke Klang. Tatsächlich hat der stationäre Blitzer auf der Ruhrallee kurz hinter der Kreuzung mit der B1 im Jahr 2021 mit Abstand am häufigsten in Dortmund ausgelöst. 41.352 Verstöße hat die Stadt hier registriert. Bei mobilen Messungen der Stadt sind noch einmal rund 3.500 Autofahrer geblitzt worden. Die Ruhralle lag damit auf Platz 3 der Dortmunder Straßen.
„Autofahren ist in Dortmund ohnehin eine Zumutung. Im Grunde macht es auch keinen Unterschied, ob 30 oder 50, auch wenn ich dafür wäre, dass Tempo 50 bliebe. Aber in der Innenstadt kann man ja jetzt schon froh sein, wenn man überhaupt mal 40 km/h fahren kann“, sagt Klang.
„Hier staut es sich nur noch“, sagt Stephanie Potthoff, aber auch das sei bei Tempo 50 schon so gewesen. Die 49-Jährige wohnt etwa 20 Jahre an der Ruhralle in der Nähe des Friseursalons von Anke Klang. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das weniger Abgase verursacht und weiß auch nicht, was Tempo 30 auf so einer Straße wie der Ruhrallee bringen soll“, sagt sie.
Ruhiger sei es durch die Geschwindigkeitsanpassung jedenfalls nicht geworden. Was aber wirklich etwas gebracht habe, sei die Verlegung des Flüsterasphalts gewesen.

„Der hilft aber natürlich auch nicht gegen das Gehupe, wenn einer eine Sekunde zu lang an der Ampel steht“, sagt sie und lacht. Sie habe sich schon vor Jahren bewusst dazu entschlossen, das Schlafzimmer im Raum zum Innenhof einzurichten.
„Umstellung generell sinnvoll“
„Es ist schon sehr laut hier“, sagt Anwohner Max P., der im unteren Bereich der Ruhrallee zur City hin wohnt. Er lebt seit etwa drei Jahren hier, kann aber nur den Ist-Zustand beschreiben. Bei seinem Einzug war an der Ruhrallee noch eine große Baustelle, erzählt er. Er kenne nur den Zustand kompletter Ruhe und den jetzigen Zustand. Und natürlich höre man die Straße trotz Tempo 30 deutlich.
Dadurch, dass so viele Autos die Ruhrallee befahren, ist eine gewisse Geräuschkulisse immer gegeben. Im Sommer mit offenem Fenster zu schlafen, ist hier schwierig.
Obwohl er selbst Autofahrer ist, findet Max P. eine Umstellung auf Tempo 30 in der Innenstadt generell sinnvoll. „Es ist sicherer und auch umweltfreundlicher. Generell ist ja das langfristige Ziel, dass weniger Autos in der Innenstadt fahren“, sagt der Anwohner.
„Natürlich ist Tempo 30 leiser“
Auch Jost Günther findet den Grundgedanken gut. Er arbeitet als Kurierfahrer bei einem Unternehmen an der Ruhrallee und verdient sich so etwas zu seinem Arbeitslosengeld hinzu. „Sicherer wäre es allemal“, sagt der 58-Jährige. Und: „Leiser wäre es auch.“

„Natürlich ist es leiser, wenn jemand 30 und nicht 50 km/h fährt. Hier, der fährt 30.“ Er zeigt auf ein vorbeifahrendes Auto. „Das wäre lauter, wenn er mit 50 unterwegs wäre. Das Problem ist aber, hier hält sich so gut wie niemand an das Tempolimit“, sagt auch Jost Günther.
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