
© Peter Bandermann
Borussia Dortmund: Sieg-Heil-Rufe in Block 13
Südtribüne
Mit den „Northside“-Hooligans sind ein Sympathisant einer verbotenen Nazi-Organisation und ein Totschläger auf der Südtribüne erschienen. Es gab „Sieg Heil“-Rufe. Der BVB zieht Konsequenzen.
Beim BVB-Heimspiel gegen Bayern erscheinen auf der Südtribüne der wegen mehrerer Gewaltstraftaten und eines Tötungsdelikts verurteilte Sven Kahlin und mit Timo K. auch ein Sympathisant des seit 2012 verbotenen „Nationalen Widerstands“ (NWDO). Unterwegs waren die beiden Herren mit der „Northside“-Gruppe – das ist ein Sammelbecken von Ultras und Hooligans auf der Südtribüne. Umstehende Fans aus dem benachbarten Block 14 hörten „Sieg Heil“-Rufe, skandiert von Personen mit kahl rasierten Köpfen unten am Zaun von Block 13.
Bei Northside untergekommen sind auch Hooligans von „Riot0231“, die sich nach Razzien der Polizei selbst aufgelöst haben, um einem Verbot durch das Innenministerium zuvorzukommen und massive Einschränkungen zu verhindern. Aufgefallen waren sie 2016 auf einer Fahrt zum DFB-Pokalfinale mit antisemitischen Gesängen.
Post von Borussia Dortmund
Nach dem Auftritt von Sven Kahlin und Timo K. auf der Südtribüne will Borussia Dortmund gegen beide Stadionbesucher ein Stadionverbot aussprechen. Kahlin und K. erhalten in diesen Tagen Post und damit die Aufforderung, sich binnen zwei Wochen schriftlich zu äußern. 2012 hatte Timo K. bereits ein Stadionverbot kassiert. Nach fünf Jahren ist es ausgelaufen. Die Stadionverbote sind also noch nicht gültig. Ob die Northside-Hooligans und die beiden Betroffenen vorzeitig reagieren, wird sich am 1. Dezember beim Heimspiel gegen Freiburg zeigen.
Die Präsenz von Timo K. und Sven Kahlin beim Heimspiel gegen Bayern am 11. November hatte auf der Südtribüne eine klare Botschaft. Keiner von beiden engagiert sich gegen den Rechtsextremismus. Die Botschaft lautete auch nicht: „Schaut her. Hier ist Sven Kahlin. Mit ihm werden wir neue kreative Choreografien erzeugen“ - sondern: „Hier ist ein Mann, der mit einem Messerstich ins Herz einen anderen Mann getötet, dafür eine Haftstrafe verbüßt, nach der Entlassung neue Gewaltstraftaten begangenen hat und dafür wieder ins Gefängnis gegangen ist. Und dieser Mann ist einer von uns. Er ist einer von der Northside.“
Junge deutsche Kämpfer
Eine Botschaft, die wirkt. Denn Sven Kahlin, Hooligans und seine Neonazi-Kameraden auch aus dem Umfeld der Partei „Die Rechte“ mischen mit beim „Kampf der Nibelungen“. Dabei geht es nicht um den Einsatz für Freiheit, Toleranz und Demokratie, denn die „jungen deutschen Kämpfer“ wollen nicht „als Teil eines faulenden politischen Systems“ verstanden werden, wie sie es selbst auf einer Internetseite formulieren.
Rechtsextreme mit Einfluss auf der Südtribüne
„Wir machen uns große Sorgen“, sagt Thilo Danielsmeier vom Fan-Projekt Dortmund über die Atmosphäre auf der Südtribüne. Fangesänge und Euphorie wie beim Spiel gegen die Bayern funktionieren in alter Manier. Aber schon seit einem „Besuch“ der Northside mit einer „Ansage“ im März 2018 bei jungen Ultras in der Unity-Halle an der Güntherstraße beobachtet das Fan-Projekt die Entwicklungen in der Ultraszene und auf der Südtribüne. Die Sorge bestehe darin, dass Hooligans und gewalttätige Rechtsextremisten „wieder Einfluss nehmen auf unsere Jungs von der Südtribüne“.
Thilo Danielsmeier über den deutlich erkennbaren Effekt nach Bedrohungen und Einschüchterungen: „Sie sind zurückhaltender geworden. Da ist ein Angstgefühl vorhanden. Man überlegt, was man sagt.“ Und „man“ überlegt, was man besser nicht sagt. Northside hat mit Nachdruck wissen lassen, dass politische Aussagen gegen Rechtsextremismus, neutral formuliert, unerwünscht seien. Mit dieser Einschätzung ist Danielsmeier nicht allein.
„Sieg Heil“-Rufe im Block 13
Ein langjähriger Fan aus Block 14 über seine Beobachtungen: „Die Bedrohungen wirken. Die Ultras aus The Unity zeigen vorauseilenden Gehorsam und sind kurz angebunden, wenn man sie auf die Situation anspricht.“ Der Name dieses Fans ist unserer Redaktion bekannt. Aus Sicherheitsgründen nennen wir ihn nicht. Beobachtet hatte er beim Spiel auch diese Situation: „Unten am Zaun im Block 13 standen vier oder fünf Jungs mit kahlrasierten Schädeln. Die hatten wir schon lange nicht mehr hier und darauf waren wir stolz. Als die Tribüne ,Sieg’ gerufen hat, haben die ,Heil“ hinterhergerufen. Die müssen raus aus dem Stadion.“ Der Fan wundert sich darüber, dass über das Thema nur hinter vorgehaltener Hand geredet werde. „Ich frage mich, warum Schwatzgelb.de und andere Organisationen nichts dazu sagen.“
„Borussia Dortmund muss die Fans schützen“
Die von Borussia Dortmund angestrebten Stadionverbote seien in diesem Fall wichtig, um die Fans zu beschützen, meint Thilo Danielsmeier vom Fanprojekt, das auf unsere Nachfrage reagierte. Der BVB müsse „alle Mittel ausschöpfen. Und die Szene muss selber überlegen, wie sie mit dieser Situation klarkommen will“. Thilo Danielsmeier: „Wer bedroht wird, muss auch alle Mittel des Rechtsstaates ausschöpfen.“ Doch Anzeigen und Zeugenaussagen bei der Polizei kommen für Ultras nicht in Frage. Wer sich doch für diesen Schritt entscheidet, verlässt nicht nur die Wertegemeinschaft, sondern als unerwünschte Person zwangsläufig auch die Südtribüne.
Hier ein Kommentar unseres Redakteurs Peter Bandermann:
Jahrgang 1967, geboren in Barop. Aufgewachsen auf einem Sportplatz beim DJK TuS Körne als Torwart. Lebt jetzt im Loh. Fährt gerne Motorrad. Seit 1988 bei den Ruhr Nachrichten. Themen: Polizei, Feuerwehr und alles, was die Großstadt sonst noch so hergibt. Mag multimediales Arbeiten. 2015 ausgezeichnet mit der "Goldenen Viktoria" für Pressefreiheit.
