„Mit Lust gegen Frust“ - Axel Kunstmann lebt altes Motto Dortmunder Bezirksbürgermeister wird 70

Bezirksbürgermeister Axel Kunstmann wird 70: Mit Lust gegen Frust
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Es ist ein warmer Sommersamstag, einzelne weiße Wolken ziehen über den satt-blauen Himmel. Der warme Wind weht durch die enge Gasse der Altstadt. „Uuuwe“, tönt es plötzlich aus gut 50 Metern Entfernung durch die enge Gasse aus Fachwerk und Backstein. „Was machst du denn hier?“

„Hier“ ist an diesem 13. August 2016 die alte Schifferstadt Lauenburg an der Elbe – gut 350 Kilometer von der gemeinsamen Heimat entfernt. Die Stimme kenne ich: Axel Kunstmann. Unsere Kinder besuchen die gleiche Jahrgangsstufe am Heinrich-Heine-Gymnasium in Dortmund-Nette.

Zu Hause im beruflichen Alltag begegnen wir uns normalerweise bei Terminen: der Grünen-Politiker Kunstmann und der Journalist. „Zuletzt waren wir da noch beim Sie“, denke ich und muss schmunzeln. „Aber gut, schließlich sind wir ja privat unterwegs.“ Ein kurzer Plausch über den Zufall der unerwarteten Begegnung nahe am Elbufer.

Erst SPD - dann „LUST“

Der Mengeder ist mit seinen vier jüngeren Geschwistern auf dem Fahrrad unterwegs. „Auf der Radroute innerdeutschen Grenze“, erzählt er. „Einmal im Jahr treffen wir uns zu einer mehrtägigen Radtour.“ Die Geschwister schauen suchend um die Ecke der Café-Terrasse. Zeit für Kaffee und Kuchen. Er verabschiedet sich: „Bis bald, in Mengede.“ Axel Kunstmann, der Familienmensch.

Vier Jahre und 90 Tage später wählen ihn die Mengeder Bezirksvertreter zum Bezirksbürgermeister. Am 11.11. – für den Rheinländer schon seit Geburt ein Feiertag. Im Krankenhaus in Haan geboren, wächst er in Hilden auf. In seiner Heimatstadt ist er am 24. November 1980 Gründungsmitglied des Ortsverbands der Grünen.

Politisch engagiert ist er da schon länger. Während seiner Ausbildung zum Industriekaufmann bei Hoesch tritt er den Jusos in Dortmund-Wambel bei. „Wenn du da arbeitest, hast du zwangsläufig mit der SPD zu tun.“

Während des Studiums an der Uni Wuppertal engagiert sich Axel Kunstmann in der „LUST“, der Liste undogmatischer Studenten. „Mit Lust gegen Frust war unser Motto“, erzählt er und lacht. Ein Credo, das auch heute, Jahrzehnte später noch Gültigkeit hat.

Axel Kunstmann (r.) mit zwei Vorstandmitgliedern der Grünen und einer Torte 1981.
Nur die Fotokopie eines Zeitungsbildes erinnert an den ersten Geburtstag der Grünen in Hilden. Axel Kunstmann (r.) war 1980 Gründer des Ortsverbandes. © Repro privat

Beruflich folgt er letztlich seinem Großvater und Vater. Beide waren Lehrer. Kunstmann studiert Englisch und Evangelische Theologie. Vom Rheinland führt der berufliche Weg schließlich nach Dortmund. 31 Jahre ist er Lehrer an der Gesamtschule Huckarde. Axel Kunstmann, der Lehrer: Zuhörer und Begleiter. Wenn er heute ehemalige Schüler trifft, ist gegenseitige Freude zu beobachten.

Beruf als Leidenschaft. Als er 2016 in den Ruhestand geht, gönnt er dem nur ein Jahr. Schon 2017 unterrichtet Axel Kunstmann an einer Grundschule in Lünen-Brambauer als Aushilfe die Fächer Englisch und Deutsch als Fremdsprache. Auch im kommenden Schuljahr noch.

Sein Augenmerk: „Wir haben viele Kinder aus der Ukraine, Rumänien, Afghanistan und anderen Ländern.“ Ihr Schicksal, ihre Erzählungen, das beschäftigt ihn. Vor allem die Kriegs-Erlebnisse. „Der Frieden in der Ukraine ist mir ein Herzensanliegen“, sagt er. „Da leide ich echt mit.“

Axel Kunstmann und weitere Bezirksvertreter drücken vor eine Mauer im Mengeder Volksgarten.
"Bergfest" der Bezirksvertretung. In der Mai-Sitzung ging es um die Standfestigkeit der Mauer im Mengeder Volksgarten. Die Politiker überprüften sie selbst. © Jürgen Utecht

Axel Kunstmann, der Christ. Sein Glaube passe zum politischen Engagement bei den Grünen. „Mir sind die Bewahrung der Schöpfung und der Umgang von Jesus mit Außenseitern wichtig“, betont er. Ein Statement, das sich auch in anderen ehrenamtlichen Engagements widergespiegelt hat: als Vorsitzender der IG Mengeder Heimatwald oder als Presbyter in der früheren Evangelischen Remigiusgemeinde.

Orientierung. Grundsätze. Ziele. Der raue politische Alltag ist anders. Das merkt er spätestens seit seiner Wahl zum Bezirksbürgermeister. „Ich muss mich um viel kümmern“, erklärt er. „Letztlich kann ich aber nicht die großen Veränderungen vornehmen, mit denen ich angetreten bin.“

Das ehemalige Nickel+Eggeling-Gelände an der Dönnstraße, der Schandfleck der Bauruine ein paar hundert Meter weiter. „Es geht nicht voran.“ Das wurmt den ehrenamtlichen Politiker. Da hält er es mit Schriftsteller Ralph Waldo Emerson: „Adopt the pace of nature. Her secret is patience.“ (Nimm das Tempo der Natur an. Ihr Geheimnis ist Geduld.)

Quiz beim Bergfest

Durchschnittlich 100 Stunden im Monat ist Axel Kunstmann für sein Amt im Einsatz. Die Suche nach Lösungen, wenn Bürger mit Sorgen und Beschwerden an ihn herantreten. Er telefoniert. Er textet Reden und Grußworte. Er schreibt, liest und korrigiert Protokolle. Besucht Veranstaltungen. „Ein Vollzeit-Job.“

Die Aufwandspauschale für den Einsatz beträgt 650 Euro – abzüglich Steuern und Parteiabgabe. Der Netto-Stundenlohn: 4,25 Euro. Der ehrliche Lohn ist dann das positive Feedback von Menschen aus dem Stadtbezirk, „wenn mir jemand sagt, du machst einen guten Job“.

Eine große Portion Idealismus gehört dazu. Kunstmanns Selbstverständnis: „Für andere da sein ohne eigenen Vorteil, das ist Politik in meinen Augen.“ Es mache Spaß, mit den Bezirksvertretern zusammenzuarbeiten. „Wir wollen gemeinsam etwas für Mengede reißen“, betont Axel Kunstmann.

Der Bezirksbürgermeister: ein humorvoller Moderator und Motivator. Beim „Bergfest“ der Wahlperiode im Mai machte er ein Quiz. Hauptpreis ein Candlelight-Dinner: Teelicht, Streichholz, Serviette, Tütensuppe. Kunstmann, der Humorvolle.

Axel Kunstmann vor den roten Felsen der Helgoländer Steilküste.
Axel Kunstmann auf Helgoland. "Ich mag die Insel", sagt er. 2010 bewarb er sich für das Amt des Insel-Bürgermeisters. © privat

Trotzdem: 2025 ist Schluss. Mehr Zeit vor allem für die Familie, für Ehefrau Heike, die drei erwachsenen Töchter und für die Geschwister. Mehr Zeit zum Lesen von Krimis. Oder zum Lösen von Sudokos und kryptischen Kreuzworträtseln. Und: Mehr Zeit für Reisen. „Vergangenes Jahr haben wir alle ostfriesischen Inseln abgeklappert, dieses Jahr sind die nordfriesischen dran.“ Kunstmann, der Inselmensch.

2010 wollte er ganz aufs Eiland. Helgoland. Der Bewerbung als hauptberuflicher Bürgermeister folgten Sondierungsgespräche. Es kam anders: Der Mengeder sah keine Chance und zog zurück.

Keine Überraschung: Zu seinem runden Geburtstag wünscht sich Axel Kunstmann „erstmal Gesundheit“ und „ein harmonisches Familienleben“. Wie sieht's mit Träumen und Zielen aus? „Ich bin 70. Da hat man keine Träume und Ziele mehr.“ Noch ein Statement. Er sagt es mit Überzeugung – und einem Augenzwinkern.

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