Es war eine zähe Angelegenheit. Anfang Dezember 2024 trafen sich der Ex-Prokurist von stadtenergie, mitsamt Rechtsbeistand und die DEW-Anwälte vor dem Dortmunder Arbeitsgericht. Im Mittelpunkt der fast zweistündigen Verhandlung stand die Frage: War es rechtlich in Ordnung, dass M. 2024 gefeuert worden ist, nachdem der Skandal aufgeflogen war? Der Mann jedenfalls wehrt sich mit einer Kündigungsschutzklage.

Doch die Entscheidung der 7. Kammer des Dortmunder Arbeitsgerichts blieb aus. Offenkundig waren die Geschehnisse bei stadtenergie in den Jahren 2022 und 2023 zu komplex. Nun steht die nächste Runde an:
Nach aktuellem Stand wird die Verhandlung am Mittwoch, 29.1., am Arbeitsgericht fortgesetzt – mit der allgemeinen Erwartung, es möge ein Urteil geben.
Ex-Prokurist im Fadenkreuz
Für DEW steht der ehemalige Prokurist von stadtenergie im Fadenkreuz des Skandals, bei dem bundesweit rund 70.000 Kunden mit zu hohen Abschlägen und Abrechnungen geprellt worden sein sollen.
DEW musste den Schaden auffangen, Rückstellungen von insgesamt 74 Millionen Euro bilden und damit das komplette Ergebnis aus dem Geschäftsjahr 2023 in den Wind schreiben.
Wichtig dabei: Die Gesamtsumme von 74 Millionen Euro setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Allerdings wird der ehemalige Prokurist nicht für alles verantwortlich gemacht.
Ihm wird jener Schaden zugerechnet, der durch den Abrechnungsbetrug entstanden ist. Die Angaben von DEW schwanken: Ursprünglich war von 36 Millionen Euro die Rede, später von rund 24,6 Millionen, die man geprellten Kunden von stadtenergie zurückzahlen müsse.
Die Vorwürfe gegen den Ex-Prokuristen: Sein Agieren soll darauf ausgerichtet gewesen sein, die Bilanzen von stadtenergie zu „fälschen“, um das Unternehmen besser dastehen zu lassen.
Bei der Verhandlung im Dezember 2024 hieß es beispielsweise, er habe die eigenen Mitarbeiter „angewiesen“, die Tarife von 30.000 Kunden mit Umlagen von 1,42 Cent pro Kilowattstunde nach oben zu drücken – obwohl die Umlagen bereits in den Preisen enthalten gewesen seien. Der Ex-Prokurist widersprach: Eine solche „Anweisung“ habe er nicht erteilt.
Auch auf andere Art soll der Mann kapitale Böcke geschossen haben: Die DEW-Seite hielt ihm vor, dafür gesorgt zu haben, dass 9.000 ausgesuchte Kunden mit niedrigen Preisen plötzlich exorbitante Erhöhungen bekamen. Durch „gezielte Manipulation“, wie es hieß, seien die Preise von 19 auf 42 Cent pro Kilowattstunde hochgetrieben worden.
Dabei habe sich der damalige Prokurist die Wirren und Diskussionen um die zunächst geplante Gasumlage, die Mehrwertsteuer und später die staatlichen Strom- und Gaspreisbremsen zunutze gemacht, die zu jenem Zeitpunkt aktuell waren.
Strafverfolger ermitteln noch
Hintergrund: Der Staat hatte die Energiepreise Anfang 2023 zum großen Teil gedeckelt. Den für Gas beispielsweise auf 12 Cent pro Kilowattstunde. Was darüber hinausging, zahlte der Staat. Für stadtenergie/DEW ging der Schuss offenbar nach hinten los: Dortmunds Versorger muss dem Staat nun Geld zurückzahlen – von „rund 20 Millionen Euro“ war im Dezember vor dem Arbeitsgericht die Rede.
Dennoch blieben für Richter Phillipp Busch am Ende etliche Fragen offen. Beispielsweise konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, wie viel Beschäftigte für stadtenergie tätig waren. Das ist nicht unwichtig für die Frage, ob das Kündigungsschutzgesetz, auf das sich der Ex-Prokurist nun beruft, überhaupt greift: Es gilt in der Regel erst bei Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten.
Vor dem Arbeitsgericht also geht es um den Rauswurf des ehemaligen Prokuristen. Gleichzeitig ermitteln die Strafverfolgungsbehörden gegen ihn wegen Betrugs – und das seit Monaten. Abgeschlossen sind die Ermittlungen nicht, wie Staatsanwalt Henner Kruse sagt. Es seien auch noch nicht alle Zeugen vernommen. Von daher sei bislang keine Entscheidung getroffen, ob es zu einer Anklage komme. Wann damit zu rechnen ist, ließ Kruse offen.
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