Stellenabbau und mehr Wie DEW-Chef Holtmeier den Versorger aus der Krise führen will

DEW in der Krise: Muss DSW21 künftig auf Millionen Euro verzichten?
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Dr. Gerhard Holtmeier (62) gilt als eloquenter Gesprächspartner mit hohem Fachwissen. Gefragt, ob er es bereue, nach Dortmund gekommen zu sein, kommt stets die unmissverständliche Antwort: „Nein, im Gegenteil, ich fühle mich hier sehr wohl.“ Im Oktober 2023 trat Holtmeier sein Amt als Vorsitzender der dreiköpfigen DEW-Geschäftsführung an – und pflanzte dem Haus als erstes eine „neue Unternehmenskultur“ ein. „Das Klima der Angst“, das vorher bei DEW geherrscht habe, sei einem „Klima des Miteinanders“ gewichen, wie Mitarbeiter kolportieren.

Der Zufall wollte es, dass wenige Monate nach Holtmeiers Amtsantritt zwei Affären öffentlich wurden, für die er gar nicht verantwortlich ist – die Dortmunds Grundversorger jedoch Millionen Euro kosten und DEW ins Mark treffen:

Die betrügerischen Maschen der Unternehmenstochter stadtenergie führten dazu, dass DEW für 2023 keinen Gewinn an seine beiden Gesellschafter DSW21 und Westenergie überweisen konnte. Das hat es in der bald 30-jährigen Geschichte des Unternehmens noch nie gegeben. Im Gegenteil: Um den Schaden aufzufangen, musste DEW Rückstellungen von 74 Millionen Euro bilden – die Summe übertrifft alle Ergebnisse, die DEW zuletzt jährlich erwirtschaftet hat.

Eine weitere zweistellige Millionsumme droht durch die umstrittene Einkaufspolitik im Krisenjahr 2022 verloren zu gehen, als sich DEW unter Holtmeiers Vorgängerin Heike Heim zu hohen Preisen für gleich drei Jahre mit Energie eindeckte. Kontingente, die DEW unterhalb der damaligen Einkaufspreise wieder absetzen muss. Die genauen Umstände der Affäre werden zurzeit von einer Dortmunder Wirtschaftskanzlei untersucht.

DEW verteilte 1,6 Milliarden

Und DEW-Chef Holtmeier? Er steht vor der nicht eben kleinen Aufgabe, Dortmunds Versorger wieder in die Spur zu bringen. Es ist ein Herkulesprojekt.

Die beiden Affären treffen DEW zur Unzeit. Das Unternehmen gilt als wichtiger Akteur in der Energiewende: DEW soll das Fernwärmenetz in Dortmund ausbauen, sein Stromnetz ertüchtigen und die Gasleitungen, sofern möglich, für späteren Wasserstoff präparieren. Das kostet. Summen von bis zu drei Milliarden Euro stehen im Raum. Das Problem: Aus eigener Kraft kann Dortmunds Energieversorger das nicht stemmen. DEW fehlt schlicht das Geld. Nicht nur wegen der beiden Affären. Das eigentliche Problem ist eine kleine Ewigkeit alt und liegt tiefer.

1995 nach langem politischen Streit aus den Dortmunder Stadtwerken (DSW21) und den damaligen VEW hervorgegangen, hat DEW jedes Jahr die nahezu gesamten Überschüsse an seine Gesellschafter abgeliefert. Seit der Gründung vor fast 30 Jahren sind es insgesamt 1,62 Milliarden Euro. Die Spitze war 2013 erreicht, als das Unternehmen 97,9 Mio. Euro ausschüttete – davon das meiste (68 Mio.) wie üblich an den Hauptgesellschafter DSW21, der aktuell 60,1 Prozent der Anteile hält. DEW galt als „Perle“.

Eigenkapitalquote ist gering

Ein solches Plus wie 2013 hat der Versorger seitdem zwar nicht mehr erwirtschaftet. Trotzdem warf die „Quelle DEW“ nach wie vor viele Millionen Euro ab. 2023 dann die Zäsur: DSW21 ging erstmals leer aus – und musste obendrein den Anteil des Minderheitsgesellschafters Westenergie (39,9 Prozent) aus eigener Kasse zahlen. Einen solchen Vorgang hatte es bis dato nicht gegeben. Auch 2024, so viel ist zu hören, wird DEW nicht die bislang üblichen Gewinnmargen erreichen. Aber immerhin so viel, dass man den Gesellschafter Westenergie aus eigener Kraft bedienen könne.

Ob und wieviel Geld in Zukunft für Investitionen bei DEW bleiben kann, ist offen. Bislang galt DEW für seine Gesellschafter stets als „sichere Bank“. Andere Stimmen sprachen despektierlich von einer „Melkkuh“, deren Gewinne u.a. für die Verluste des Flughafens herhalten mussten.

Nun aber brennt es unter den Nägeln. Sowohl bei den Akteuren in den betroffenen Unternehmen als auch im politischen Raum: Kann es so weitergehen wie bisher? Ist es wirklich sinnvoll, dass DEW seine Gewinne Jahr für Jahr wie aus einem Füllhorn ausschüttet, ohne wenigstens einen Teil im Unternehmen zu halten? DEW, rund eine Milliarde Umsatz pro Jahr, habe eine Eigenkapitalquote von gerade rund 14 Prozent. Gängig, heißt es, seien eher 30 Prozent. Kann DEW so millionenschwere Kredite aufnehmen, u. a. für die Energiewende? Was sagen die Banken dazu?

Windkraftanlagen verkaufen?

Inzwischen liegen mehrere Vorschläge auf dem Tisch, wie das Unternehmen an frisches Kapital kommen könnte. Als „erste Hilfe“ sind DSW21 und Westenergie nun bereit, das Spiel andersrum zu spielen - und ihrerseits insgesamt 100 Mio. Euro zur Eigenkapitalverstärkung bei DEW einzubringen. Das aber wird nach Einschätzung vieler nicht reichen – zumindest vonseiten DEW war zuletzt ein dreifacher Finanzbedarf (also rund 300 Mio.) in den Raum gestellt worden. Eine weitere Idee: DEW könne sein rund 65 Anlagen großes Portfolio an Windparks für einen Teilverkauf an Private öffnen. DEW könne immer noch mit 51 Prozent die Oberhand behalten – weitere 49 Prozent gingen an Private. Ein Deal, der Schätzungen zufolge weit über 100 Millionen Euro in die Kassen spülen würde.

Ans Eingemachte geht der weitere Vorschlag, die Ausschüttung an die Gesellschafter zum ersten Mal über einige Jahre tatsächlich auf eine Summe X zu deckeln. Und alles, was darüber hinaus geht, im Unternehmen zu belassen. Im Klartext: Die Mutter DSW21, selbst unter starkem Kostendruck, müsste auf etliche Millionen verzichten.

Eine weitere mögliche Option hat Westenergie ins Spiel gebracht: Westenergie, so das Angebot, stünde bereit, bei der DEW-Netztochter Donetz (Dortmunder Netz GmbH) einzusteigen. Kein Wunder: Die Netzgebühren sind eine Bank, die sichere und stabile Erträge verspricht. Welche der vielen Varianten tatsächlich zum Tragen kommt, ist bei allen bisherigen Gesprächen offengeblieben. Dabei wird auch über Kooperationen nachgedacht: etwa darüber, Teile des Energieeinkaufs künftig von Gelsenwasser übernehmen zu lassen, einem weiteren Versorger aus dem DSW21-Kosmos.

Stellenabbau soll kommen

Gleichzeitig hat sich DEW aufgemacht, seine eigenen Hausaufgaben zu erledigen. Dessen Chef Holtmeier und seine beiden Geschäftsführer krempeln das Unternehmen unter Beteiligung der Beschäftigten komplett um. Dortmunds Versorger will eine neue Ära einläuten. Die Details sollen bei einer Mitarbeiterversammlung am Montag (25. November) bekannt gegeben werden. DEW, heißt es, wolle seine Gesellschafter nicht nur um Geld bitten. Sondern auch einen eigenen Beitrag leisten, um die Krise hinter sich zu lassen.

Wie kolportiert wird, soll es ein mehrjähriges Programm zur Kostensenkung geben, mit dem ein zweistelliger Millionenbetrag eingespart werden soll. Dabei will DEW u.a. Stellen abbauen. Aktuell hat Dortmunds Versorger gut 1.050 Mitarbeiter. Davon wolle DEW mithilfe eines Altersteilzeitprogramms runter, wie es heißt. Betriebsbedingte Kündigungen werde es aber nicht geben.

Unklar ist, wie viele Stellen mittelfristig verschwinden sollen. Klar ist aber: Auch das wird zunächst einmal Geld kosten. Darüber hinaus wolle DEW seinen Kundenservice verbessern - ein Schwachpunkt, wie Kundenbeschwerden immer wieder zeigen. Eine wesentliche Stellschraube soll sein, die Digitalisierung voranzutreiben und dafür eine neue, innerbetriebliche Einheit zu etablieren.

An der Preisschraube hat DEW bereits gedreht: Inzwischen gibt es die neuen Tarife „Strom lokal“ und „Gas lokal“. Sie sollen beitragen, den Kundenrückgang zu stoppen. DEW geht aktuell intensiv auf Kundenfang. Und tatsächlich, so ist zu hören, gehe es seit Sommer mit den Zahlen bergauf.

"Die Dinge sind noch im Fluss"

Jörg Jacoby muss gleich zu Beginn seiner noch jungen Amtszeit als DSW21-Vorstands-Sprecher ein dickes Bett bohren und Lösungen für DEW und DSW21 finden.
Jörg Jacoby muss gleich zu Beginn seiner noch jungen Amtszeit als DSW21-Vorstandssprecher ein dickes Bett bohren und Lösungen für DEW und DSW21 finden. © RN

Jörg Jacoby (57) ist ein Mann mit einem gewissen Sinn für Symbolik. Er empfängt den Gast an einem länglichen, braunen Tisch im Konferenzraum in der DSW21-Zentrale an der Deggingstraße. Seine frühere Vorgesetzte, Ex-Vorstands-Vorsitzende Heike Heim, musste DSW im Juli 2024 verlassen. Sie war über den heftig diskutierten Energieeinkauf bei DEW gestolpert. Seitdem steht ihr Büro leer. Ex-Finanzvorstand Jacoby, am 22. Juli 2024 im ersten Schritt zunächst zum Vorstandssprecher von DSW21 gewählt, hat das Büro bislang nicht genutzt.

Als Chef des Gesamtkonzerns DSW21 kennt Jacoby die verschiedenen Vorschläge, wie der Tochter DEW finanziell der Rücken gestärkt werden könnte. Jacoby ist dabei einer der wichtigen Player, vielleicht sogar der wichtigste. Zahlen fliegen durch die Luft.

Natürlich müsse DEW gestärkt werden, betont Jacoby. Er hebt auf die ohnehin geplante 100 Mio. Euro schwere Finanzspritze ab. „Wir werden unseren Teil dazu beitragen“, sagt er. Aber Werte wie Windkraftanlagen an Private verkaufen? Die Skepsis ist ihm anzumerken.

Jacoby möchte Vermögenswerte und Anlagen tunlichst in Händen des Gesamtkonzern DSW21 behalten. „Warum an Private verkaufen?“, fragt er - und bringt einen Gegenvorschlag: Die Windkraftanlagen etwa könnten doch ebenso von DSW21 übernommen werden. Im weiteren Verlauf des Gesprächs wird dann deutlich: Entscheidungen sind noch nicht gefallen. „Dafür ist es zu früh“, sagt Jacoby.

„Die Dinge sind noch im Fluss", sagen andere. Und was sagt Westenergie? Aktuell wenig Konkretes: „Als Gesellschafter unterstützen wir die DEW21 bei der konsequenten Umsetzung der Energie- und Wärmewende in Dortmund und der Region. Ziel ist, die DEW21 zu einem gleichermaßen innovativen wie ertragsstarken Energieversorger zu entwickeln. Davon profitieren alle Beteiligten", heißt es bei dem Unternehmen.