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Betriebe kämpfen um Azubis – Manche geben Bewerbern „fast schon eine Garantie“
Ausbildungsplätze in Dortmund
Zwar hellt sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt derzeit wieder auf - doch Corona hinterlässt Spuren. Die Dortmunder Betriebe suchen aktuell händeringend Nachwuchs. Einige Bereiche sind besonders betroffen.
Fabian Vellguth (18) ist zufrieden. Er ist Auszubildender im Hotel Esplanade in Dortmund und bereitet sich dort im dritten Lehrjahr auf seinen Beruf als Hotelfachmann vor. Ausschlaggebend, sagt er, sei sein dreiwöchiges Praktikum gewesen, das er damals als Schüler der Ricarda-Huch-Realschule im Hotel Esplanade absolviert habe. „Ich habe mich sofort aufgenommen gefühlt, wie in einer Familie“, schwärmt Vellguth.
Und seine Chefin, Hoteldirektion Katja Kortmann, ist voll des Lobes über ihren Schützling. „Er will alles wissen, fragt nach und macht seine Dinge sehr gut“, sagt sie. Ihr Hotelbetrieb, ein Familienunternehmen, beschäftigt zurzeit fünf Auszubildende. Trotz Corona.
So viel Glück hat offenbar nicht jedes Unternehmen. Quer durch viele Branchen mangelt es an Auszubildenden – vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Veranstaltungsgewerbe, im Tourismus und im Handwerk. Die Corona-Pandemie hat die Lage zusätzlich verschärft, der oft beschworene Fachkräftemangel zeichnet sich für die Zukunft immer stärker ab.
Schulpraktika sind reihenweise ausgefallen
Zwar hat sich der Ausbildungsmarkt im laufenden Jahr 2021 wieder verbessert. „Doch vom Vorkrisenjahr 2019 sind wir noch einiges entfernt“, räumt Heike Bettermann ein, die Chefin der Dortmunder Arbeitsagentur. Seitdem ist beides gesunken: die Zahl der Bewerber von 4366 in 2019 auf 3784 in 2021.
Im selben Zeitraum sank das Angebot an Ausbildungsstellen von 4116 auf 3858. Aktuell sind noch 79 junge Menschen auf der Suche – obschon es noch 145 offene Ausbildungsplätze gibt.
Also fast doppelt so viele. Anders ausgedrückt: Es mangelt an Interessenten, Betriebe müssen um ihren Nachwuchs kämpfen.
Einen Grund sieht Arbeitsagentur-Chefin Bettermann in der Corona-Pandemie. Anstelle persönlicher Beratungsgespräche mussten digitale Formate entwickelt werden - was nicht jedermanns Sache ist. Schulpraktika fielen coronabedingt reihenweise ins Wasser. Jugendliche, so Bettermann, hätten fast keine Möglichkeit gehabt, ihre erste Praxisluft zu schnuppern. „Am Ende fehlte dann oft der Impuls, sich zu bewerben.“
Die Verunsicherung sei noch immer da. „Entscheidungen werden hinausgezögert“, sagt Bettermann. Und: Nach wie vor zieht es viele junge Menschen eher in ein Studium als beispielsweise in eine duale Ausbildung im Handwerk. Corona hat daran nichts geändert.
Handwerk gibt Bewerbern „fast schon eine Garantie“
„Vor allem in den Bau- und Ausbaugewerken werden händeringend Nachwuchs- und Fachkräfte gesucht“, sagt Olesja Mouelhi-Ort, Geschäftsführerin der Dortmunder Handwerkskammer (HWK). Auch im Handwerk gilt: Dortmunds Betriebe öffnen sich wieder stärker für Auszubildende. Es gibt aktuell 753 Neuverträge.

Sie trommeln für mehr Bewerbungen: Jutta Reiter (DGB), Heike Bettermann (Areitsagentur), Hotelchefin Katja Kortmann, Holger Nolte (Schulamt) sowie Michael Ifland (IHK) und Olesja Mouelhi-Ort von der HWK (v.l.). © RN
Doch von der Zahl 844 wie im Vorkrisenjahr 2019 ist auch das Handwerk noch ein gutes Stück entfernt. 91 Ausbildungsstellen in Handwerksbetrieben seien zurzeit unbesetzt. Was Mouelhi-Ort zur Aussage veranlasste, man könne jedem, der einen Platz wolle, „fast schon eine Ausbildungsgarantie geben“.
Ganz so weit wollte Michael Ifland (IHK) nicht gehen. Aber auch er stellt fest, „dass unsere Unternehmen nicht genug passende Bewerber finden“. Exemplarisch das Hotel- und Gaststättengewerbe: Noch 2019 hätten dort 217 Schulabgänger ihre Ausbildung gestartet – im laufenden Jahr hingegen 124.
Die Botschaft von Ausbildungsexperte Ifland gleicht der von Arbeitsagentur-Chefin Bettermann: Wer noch auf der Suche ist, sollte sich bewerben. Jetzt.
Hotelchefin fordert von Betrieben „ein Umdenken“
„Es führt kein Weg daran vorbei, dass Unternehmen ausbilden“, sagte Dortmunds DGB-Chefin Jutta Reiter. Genau wie Bettermann macht sie Interessenten Mut, auf die (wieder persönlichen) Beratungsangebote der Arbeitsagentur zurückzugreifen. Zudem müssten Betriebe wieder mehr Schulpraktika anbieten - und sollten sich auch von schwächeren Schulnoten ihrer Bewerber nicht täuschen lassen.
Dafür plädiert auch Hotel-Chefin Kortmann. „Noten“, das habe sie im Berufsleben erfahren, „sind für die Tonne“. Wichtig sei, dass jemand arbeiten wolle. Auch Betriebe müssten umdenken und ihre Auszubildenden besser anleiten. Auch sie habe früher so ihre Erfahrungen machen müssen: „Als Praktikantin habe ich drei Wochen lang Gläser und Besteck poliert“, sagt sie. „Das war es nicht.“
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.