
© Gaby Kolle
Besucher vermisst – Dortmunder Zoobewohner sind tierisch allein
Corona-Lockdown
Der Dortmunder Zoo ist seit dem Teil-Lockdown am 10. November wieder geschlossen. Die Tiere haben keine Menschen mehr zum Gucken. Fehlt ihnen das Unterhaltungsprogramm? Das sagt der Zoolotse.
Der Zoo ist zu. Die Menschen sind zu Hause, dürfen wegen Corona mal wieder nicht kommen. Damit gibt es kein Show-Programm für die Tiere. Nichts zu sehen für sie weit und breit. Corona-Stille – bis auf den Baulärm, der mal hier, mal da ertönt, weil der Zoo fit für die Zukunft gemacht wird.
Einige der rund 1500 Tiere aus 220 Arten vermissen die Besucher, die sonst vor ihren Gehegen stehen und nach ihnen Ausschau halten. Jetzt halten die Tiere Ausschau nach den Besuchern. Nähert man sich dem Gehege der Antilopen und Hirsche, gucken alle in eine Richtung. Zu dem Menschen, der – die Tierpfleger ausgenommen – plötzlich in ihrem Blickfeld auftaucht. Der Nilgau-Bock kommt nah ans Gitter. Das Gefolge rückt mit auf.

Der Nilgau-Hirsch nimmt den zurzeit seltenen Zweibeiner in den Blick. © Gaby Kolle
Für in Zoos geborene Tiere gehören die Besucherströme und Gruppen vor den Gehegen zur Normalität. Fällt das plötzlich weg, verändern manche ihr Verhalten. Für die Affen, vor allem die Orang-Utans, kommt es doppelt hart. Sie müssen unter sich im Regenwaldhaus bleiben. Es herrscht absolute Ausgangssperre und Kontaktverbot – wegen der Ansteckungsgefahr, die von dem genetisch verwandten Menschen ausgeht. Nur die eigenen Tierpfleger der Primaten dürfen zu ihnen und müssen sie mehr denn je beschäftigen.
Bei Siamang-Affen Trennung auf Zeit
Die schwarzen Siamang-Affen Gilette und Raja, die sonst auf ihrer Insel wären, sind zurzeit in der Außenstation. Nicht wegen des Virus, sondern wegen Beziehungsstress. Sie, seit gut anderthalb Jahren in Dortmund, möchte gern, er aber nicht. Sie bringt ihm sogar zu essen. Er nimmt es auch, aber nur, wenn sie nicht hinguckt. Jetzt sind sie getrennt, leben aber in der Außenstation in Gehegen nebeneinander. Vielleicht lässt sie die Trennung auf Zeit näher zusammenrücken.

Die Siamang-Äffin Gilette versucht es mit Trennung auf Zeit © Marcel Stawinoga
Giraffe Zikomo hat dieses Problem nicht. Im Gegenteil. Der siebenjährige Bulle, ein gebürtiger Dortmunder, ist ganz allein, jedenfalls ohne Artgenossen, seitdem seine Tante und in diesem Jahr seine Mutter Gambela gestorben sind. Bald bekommt er allerdings zwei junge Giraffenkühe an die Seite.
„Er ist generell neugierig und an Besuchern interessiert, doch im erneuten Lockdown noch mehr“, erzählt Marcel Stawinoga. „Kommt zum Beispiel ein Baufahrzeug vorbei oder das Auto der Tierärztin, reckt er den Hals und schaut lange hinterher.“
Dass Tiere Besucher beobachten, wisse man schon immer, berichtet der Zoolotse, „aber jetzt wird es sehr deutlich“. Selbst die scheuen Zebras kommen angelaufen, um zu gucken, was sich auf der anderen Seite des Gitters tut. Auch die Elenantilopen kommen ganz dicht an den Zaun, um drunter her den leckeren Farn auf der anderen Seite zu zupfen.

Die Elenantilopen im Dortmunder Zoo kommen näher als sonst an den Zaun. © Gaby Kolle
Nashorn Willi wundert sich
Ganz entspannt sind die Nashörner. Ausgeglichen und in sich ruhend. „Die beschäftigen sich als Gruppe viel miteinander“, sagt Stawinoga. Trotzdem kommt der kleine Superstar Willi mit drei massigen Damen im Schlepptau angelaufen, um zu gucken, wer da ruft. Das Fehlen der Besucher falle den Nashörnern gar nicht so auf, sagt der Zoolotse, „aber wenn die Besucher wieder da sind, wird man es schon merken.“ Das habe man schon beim Lockdown im Frühjahr gesehen.
Nashörnchen Willi ist am 8. Januar dieses Jahres geboren. Da standen die Besucher Schlange, um den putzigen Wirbelwind zu sehen. Dann kam Corona, und die Zuschauer waren weg. Stawinoga: „Als die Besucher dann wiederkamen, hat Willi sich gewundert und seine Ohren ausgerichtet, was denn da auf einmal so laut war.“
Willi hat kleine blutige Macken rund ums Maul. Muss man sich Sorgen machen? „Nein“, sagt Stawinoga, „er ist jetzt in einem Alter, in dem die drei Frauen, mit denen er zusammen wohnt, ihm nicht mehr alles durchgehen lassen. Dann kriegt er auch schon mal ein Horn zurück. Das ist normal bei Nashörnern.“ Eine Erziehungsmaßnahme.
Training für die Robben
Die Kalifornischen Seelöwen und Südamerikanischen Seebären sitzen wie gewohnt auf dem Felsen oder ziehen ihre Runden im Wasser. „Die beiden täglichen Schaufütterungen um 11 und um 15 Uhr fehlen denen schon“, sagt der Zoolotse, „das machen wir nicht nur, um die Besucher zu bespaßen, sondern das ist auch ein Anreiz für die Tiere. Es fordert sie körperlich und geistig.“ Die Zeit der Schaufütterung nutzten die Tierpfleger zur Umstrukturierung des Trainings. Sie bringen den Robben ein paar neue Übungen bei.
Die beiden Stachelschweine Barry und Rita, die ihr Domizil gegenüber vom Orang-Utan-Außengelände haben, können zwar nicht gut sehen, aber gut hören. „Sie kennen die Stimmen“, sagt Stawinoga. Als sie seine Stimme hören, kommen sie neugierig aus dem Bau – in der berechtigten Hoffnung, dass er leckere Walnüsse in der Tasche hat.
Kleinen Panda stört Corona nicht
Der Zoolotse: „Die Bespaßung der Zoo-Pädagogik fehlt denen schon ein bisschen; denn sie sind unsere Protagonisten bei Führungen, bei Kindergeburtstagen und im Ferienprogramm.“ Die Kinder basteln Beschäftigungsgegenstände für Stachelschweine, bohren Löcher in Hölzer. In die stopfen wir dann Nüsse, die sie herausnagen müssen. „Das müssen jetzt alles die Tierpfleger ausgleichen.“
Den Kleinen Panda in der Baumkrone ficht das alles nicht an. Dem ist die Schließung des Zoos vermutlich egal. „Der pennt eh den ganzen Tag“, sagt Zoolotse Stawinoga, „der ist nachtaktiv.“
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
