„Beste Bildung“ bestellt - Schul-Misere bekommen Halbzeitbilanz der Dortmunder Schulpolitik

Schulpolitik in DO: „Beste Bildung“ bestellt, Schul-Misere bekommen
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Der Wahlkampf ist die Zeit für Versprechen, aber was zählt, ist aufm Platz. Dieses Diktum von Adi Preißler gilt auch für die Politik und erst recht für die Kommunalpolitik. Denn nirgends sind Anspruch und Wirklichkeit einfacher zu überprüfen als vor der eigenen Haustür. Das gilt auch und gerade für die Politik, die den Kleinsten dieser Stadt zugute kommen soll - den Kindergartenkindern, den Schülerrinnen und Schülern, den Jugendlichen.

Alle Parteien haben vor der Kommunalwahl am 13. September 2020 ihre Ziele unter prägnanten Überschriften zusammengefasst. Bei der größten Fraktion - der SPD - hieß es sogar: „Dortmund muss Hauptstadt der Kinder werden.“ Wir haben zur Halbzeit der kommunalen Legislaturperiode - die nächste Kommunalwahl findet in NRW im Herbst 2025 statt - nachgeschaut, was aus den Versprechen wurde, was die größten Fraktionen dazu sagen und wie die Verwaltung den Stand beurteilt.

Was wollten die Parteien?

Die Dortmunder SPD hatte unter dem Punkt „Beste Bildung“ angekündigt, dass - nachdem zuvor „massiv in die Modernisierung unserer Schulen investiert wurde“ - es nun mit hoher Schlagkraft weitergehen muss“. Auch die CDU signalisierte „Unterstützung“ für das zuletzt 2020 unter OB Ullrich Sierau formulierte Schulbauprogramm. Die Grünen sprachen sich ebenso für „Ausbau und Sanierung unserer Schulen“ aus. Darüber hinaus forderten sie ein „Sonderbudget Schulbau“.

Letzteres sei „nicht realisiert worden“, räumt Sabine Pezely, Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen, ein. Aber die vorliegende Planung zeige, „dass die Stadt aller Voraussicht nach gut aufgestellt ist“. Auch CDU und SPD verweisen jeweils auf ihre Unterstützung des Schulbauprogramms - „die Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung bis 2028/29 ist Ausdruck des festen Willens, nicht nur in die Quantität, sondern vor allem auch in die Qualität zu investieren“, heißt es in der Antwort der SPD-Fraktion auf Fragen unserer Redaktion.

Unterschiede gab es 2020 und gibt es heute noch bei der Frage, welcher Schultyp welcher Partei besonders wichtig. Die Grünen hatten sich gewünscht, dass von Ausbau und Sanierung alle Schulformen profitieren - allerdings sahen sie „akuten Handlungsbedarf“ bei Gymnasien und Gesamtschulen. Die SPD setzte „auf Neubau und Gründung von Gesamtschulen, die CDU lehnte „eine ideologisch motivierte Bevorzugung einzelner Schulformen“ ab. Konkret forderte sie den Neubau von zwei Gymnasien.

Vieles ist auf den Weg gebracht worden. Die Zuwanderung aus der Ukraine hat die Politik vor ungekannte Probleme gestellt.
Vieles ist auf den Weg gebracht worden. Die Zuwanderung aus der Ukraine hat die Politik vor ungekannte Probleme gestellt. © dpa, Verena de Azevedo

Was wurde unternommen?

Fakt ist: Die Stadt hat massiv investiert und hat zuletzt im März die Weichen gestellt, auch künftig viel Geld in den Schulbau fließen zu lassen. Der größte Teil des Geldes, das in städtische Immobilien gesteckt wird - nämlich 1,25 von 1,9 Milliarden Euro - fließt in den Schulbau. Wichtig und unumstritten sind die Investitionen in Grundschulen und in der Nordstadt. Drei neue Grundschulen werden derzeit geplant - in der Innenstadt-Ost, in Hörde und in der Nordstadt. Kontroverser ist der Ausbau der weiterführenden Schulen: Erweitert werden das Helmholtz-Gymnasium, das Leibniz-Gymnasium und zum Beispiel die Anne-Frank-Gesamtschule an der Burgholzstraße.

In Wellinghofen wird zum kommenden Schuljahr aus der Johannes-Gutenberg-Realschule eine Gesamtschule, aus der Reinoldi-Schule wurde bereits eine Gesamtschule. Auch Eving soll nun eine solche erhalten. „Diese ist dringend notwendig und ist ein Meilenstein in die richtige Richtung“, so die Stellungnahme der SPD-Fraktion. Notwendig ist sie, weil der Wunsch, dass ihr Kind auf die Gesamtschule soll, von Eltern mittlerweile so oft geäußert wurde, dass Schuldezernentin Monika Nienaber-Willaredt dort 241 Kinder ablehnen musste.

Wie viele Plätze fehlen wo?

Insgesamt 400 Schulplätze fehlen in Dortmund, rechneten der Planerladen und die ILS Research gGmbh kürzlich vor. Das ist eine richtige Diagnose - und die Politik sieht das auf Basis aktueller Zahlen sogar dramatischer: „Circa 450 Kinder haben noch keinen wohnortnahen Schulplatz für das kommende Schuljahr - und monatlich kommen ca. 150 Kinder dazu“, rechnet Sabine Pezely vor.

Insbesondere treffe das die Grundschulkinder in der Nordstadt. Denn mit Blick auf die ganze Stadt gibt es eigentlich genug Grundschulplätze - 6388 für 6039 Kinder. Nur halt nicht da, wo die Kinder wohnen. Die Folge: „Viele Kinder werden aus der Nordstadt in andere Stadtbezirke gefahren, bekommen Überbrückungsangebote oder haben im schlimmsten Fall überhaupt keinen Platz“, schildert Sabine Pezely. Auf Initiative von Grünen und CDU hat der Rat vor der Sommerpause ein 4,5 Millionen-Euro-Paket beschlossen, dass betroffenen Kindern und Eltern helfen soll.

Die Ursache dieser Misere ist nicht in der Dortmunder Kommunalpolitik zu suchen: „Die seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine erfolgende, unerwartete Zuwanderung führt zu Abweichungen gegenüber der Schülerzahl-Prognosen“, heißt es in der Stellungnahme der SPD-Fraktion.

Wie steuert die Politik gegen?

Was die Förderung bisher benachteiligter Stadtteile wie der Nordstadt angeht, hatten sich SPD und Grüne in ihren Wahlprogrammen einen sogenannten schulscharfen Sozialindex gewünscht, um besser steuern zu können, wo investiert werden sollte und wo besonders Lehrer benötigt werden. Diesen hat NRW „zum Schuljahr 2021/22 eingeführt“, erläutert Stadt-Sprecherin Katrin Pinetzki. Allerdings sei der „für kommunale Planungsprozesse nicht ausreichend.“ Gerade wird ein spezifischer Index entwickelt.

Auf Antrag der Grünen und der CDU wurde die Vergabe der Mittel aus dem Programm „Aufholen nach Corona“ nach diesem Index verteilt. Aber: „Uns ist bewusst, dass Umverteilung in einem nicht auskömmlich finanzierten Bildungssystem an anderer Stelle zu Mangel führen kann“, sagt Sabine Pezely von den Grünen. Hier habe das Land für mehr Mittel zu sorgen.

Wie digital sind die Schulen?

Alle Parteien hatten 2020 eine weitere Digitalisierung der Dortmunder Schulen im Programm - das Breitbandnetz sollte ausgebaut werden, alle Schulen über WLAN verfügen. Die CDU hat dafür ein „Memorandum zur Digitalisierung 2020 bis 2025“ erstellt - hinter diese „Roadmap“ haben sich nach CDU-Angaben „ein breites Bündnis der Fraktionen von Bündnis90/Grüne, Linke + und SPD gestellt“.

Die Zahlen der Verwaltung hierzu sehen gut aus: 93 Prozent der Schulen hatten Ende 2022 WLAN . „Die fehlenden 7 Prozentpunkte sind durch die fehlende Datenvernetzung innerhalb mehrerer sehr alter Grundschulgebäude bedingt“, erläutert Stadt-Sprecherin Katrin Pinetzki. Bis spätestem Mitte 2024 soll das sich ändern. Ein Jahr später - also Mitte 2025 sollen alle Dortmunder Schulen über einen Breitbandanschluss verfügen. Derzeit sind es 77. „Dortmund hat seine Hausaufgaben gemacht“; zieht die SPD-Fraktion hierzu Bilanz.

Seit 1. September 2022 ist Monika Nienaber-Willaredt - hier nach der Wahl im Stadtrat mit OB Thomas Westphal - Schuldezernentin in Dortmund.
Seit 1. September 2022 ist Monika Nienaber-Willaredt - hier nach der Wahl im Stadtrat mit OB Thomas Westphal - Schuldezernentin in Dortmund. © Kolle

Was ist mit dem Gratis-ÖPNV?

In ihren Wahlprogrammen hatten die Grünen die stufenweise Einführung der kostenlosen ÖPNV-Nutzung für Schüler angekündigt, die SPD wollte „handeln“, damit ein solches kommt. Jetzt ist klar: Das Gratis-Ticket kommt nicht.

Die SPD hat es zumindest versucht. In den Beratungen zum Etat 2023 hat die Partei einen entsprechenden Antrag eingebracht, der auch mehrheitlich beschlossen wurde. Aber das Sagen und das Geld haben bei dem Thema mit VRR, Land NRW und dem bundesweiten Deutschlandticket andere.

Zum Start des neuen Schuljahres wird das Schokoticket für Schüler als Deutschlandticket zur Verfügung stehen. Die Grünen sehen das als „Schritt in die richtige Richtung“ und lobten dafür den grünen NRW-Verkehrsminister. Die SPD-Ratsfraktion „wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass Schülerinnen und Schüler den ÖPNV kostenlos nutzen können“.

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