Bericht über Hass gegen trans Frauen Heftiger Protest während Diskussion im Keuning-Haus

„Zwei Stunden Hass“ gegen trans Frauen: Heftiger Protest während Diskussion im Keuning-Haus
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Das Dietrich-Keuning-Haus wird nur selten zur Kulisse für Demonstrationen. Trotzdem versammelten sich am Dienstagabend (22.11.) viele Menschen mit Transparenten und Schildern vor dem Kulturzentrum an der U-Bahn-Haltestelle Leopoldstraße.

Anlass war eine Veranstaltung der Dortmunder Städtegruppe von „Terre des Femmes“, einem Verein, der sich nach eigenen Angaben für die Rechte von Frauen einsetzt.

Der Titel der Veranstaltung lautete „Was ist eine Frau?“. Man habe sich „anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen mit der feministischen Kritik am Selbstbestimmungsgesetz“ beschäftigt. „Die Diskussion lief weit überwiegend respektvoll ab“, so der Verein.

Gegen das Selbstbestimmungsgesetz

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz will die Bundesregierung die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt vereinfachen. Ein wichtiger Punkt in diesem neuen Gesetz: Menschen können ihr Geschlecht und ihre Vornamen leichter selbst festlegen und die Einträge beim Standesamt ändern lassen – frei von bürokratischen Prozessen.

Im Zuge dessen soll auch das 40 Jahre alte und noch geltende Transsexuellengesetz abgeschafft werden, das auch vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde, da es nach dessen Einschätzung Rechte und Würde betroffener Menschen verletzt. Wann genau das Selbstbestimmungsgesetz kommen soll, ist noch offen. Aktuell rechnet man mit dem ersten Quartal 2023.

Die Dortmunder Städtegruppe von Terre des Femmes ist gegen das Selbstbestimmungsgesetz. Deshalb haben sie gemeinsam mit anderen Städtegruppen und Vereinigungen einen Appell an die Bundesregierung verfasst. Das Selbstbestimmungsgesetz sei demnach eine Gefährdung von Frauenrechten. Die biologischen (binären) Geschlechter „Mann“ und „Frau“ würden dann bedeutungslos werden, was Folgen für andere Gesetze und gesellschaftliche Bereiche nach sich ziehe.

In diesem Appell werden diverse Gründe aufgelistet: Etwa Sexualstraftäter könnten sich dann zu Frauen erklären und in Frauengefängnisse verlegen lassen und dort weiter Straftaten begehen, so Terre des Femmes. Oder Männer, die sich als Frauen identifizieren, könnten im Sport Preise gewinnen und Rekorde brechen, die eigentlich cis Frauen zustünden. Also Frauen, die mit diesem Geschlecht geboren wurden und sich auch damit identifizieren.

Transfeindliche Behauptungen

Wegen dieser Behauptungen wurde am Dienstabend vor dem Dietrich-Keuning-Haus demonstriert. Der Anlass der rund 150 Teilnehmenden: Terre des Femmes verbreite transfeindliche Behauptungen, die weit von „feministischer Kritik“ entfernt sind. Laut Polizei war die Demonstration friedlich.

Emily ist Referentin beim queer-feministischen Referat der TU Dortmund. Sie hat die Demonstration mit organisiert und sich auch die Veranstaltung von Terre des Femmes angeschaut. Eigentlich sei sie eine lautstarke Person, die sich auch gut verteidigen kann. Bei der Veranstaltung habe sie sich aber nicht getraut, etwas zu sagen. Die „zwei Stunden Hass“ hätten sie so stark eingeschüchtert. Emily ist selbst eine trans Frau.

Bereits im Grußwort sei behauptet worden, dass trans Frauen keine Frauen seien, sondern immer noch Männer. Die umstrittene Autorin Eva Engelken, die eingeladen war, habe die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer, eine trans Frau, als „es“ bezeichnet. Engelken hat ein Buch mit dem Titel „Trans*innen? Nein Danke!“ veröffentlicht. Außerdem waren noch die Biologin Marie-Luise Vollbrecht und Sabeth Blank zu Gast – Blank machte ihre Geschlechtsangleichung wieder rückgängig. Beide gelten wie auch Engelken als transfeindlich.

Emily berichtet außerdem, dass bei kritischen Wortbeiträgen aus dem Publikum zu transfeindlichen Äußerungen das Mikrofon weggezogen worden sei.

„Für mich ist das unverständlich, dass so viel Hass geschürt wird“, erzählt Emily. „Danach bin ich raus und habe auch geheult“ – so sehr habe sie die Veranstaltung aufgewühlt. Normalerweise würde Emily nie in der Öffentlichkeit weinen.

„Transfrauen sind Frauen“

Die Stadt Dortmund teilte dieser Redaktion mit, dass bereits im Vorfeld der Veranstaltung diesbezüglich viele Bedenken an die städtische Koordinierungsstelle für LSBTIQ* herangetragen wurden. Mitarbeiterin Susanne Hildebrandt habe sich deshalb die Veranstaltung ebenfalls angeschaut.

Im Vorfeld habe man Terre des Femmes darauf hingewiesen, dass nicht eine Rhetorik reproduziert werden soll, „durch die Menschen, die für sich selbst andere geschlechtliche Identitäten beanspruchen, abgewertet werden“. Trotzdem sei es „immer wieder zu problematischen Zuschreibungen bezogen auf trans Menschen gekommen“.

Wie die Behauptung, dass Frauen Übergriffen von trans Frauen ausgesetzt seien, wenn sie Zugang zu Schutzräumen wie Frauenhäusern haben. Belege gibt es dafür nicht, sondern sogar Studien, die das Gegenteil beweisen. „Trans Frauen sind Frauen. Alle Frauen, auch trans Frauen, sollten vor Gewalt geschützt werden. Auf Frauen gerichtete Gewalt wird ganz überwiegend von cis Männern (Geschlechtsidentität entspricht dem zugewiesenen Geschlecht, Anm. d. Red.) ausgeübt“, so Hildebrandt.

Das für das Selbstbestimmungsgesetz verantwortliche Bundesfamilienministerium weist zudem darauf hin, dass sich damit nicht die bestehende Praxis in Frauenschutzräumen ändere. Über die Aufnahmen entscheiden die Frauenhäuser, eine Verpflichtung zur Aufnahme einer bestimmten Person gebe es nicht. Trans Frauen bekommen auch nicht automatisch einen Quotenplatz in Unternehmensvorständen oder auf Wahllisten. Es gibt weiterhin Mitbewerberinnen, über die Besetzung entscheiden Gremien und Wahlen. Beides Punkte, die Terre des Femmes nennt, um Ängste zu schüren.

Hass kann tödlich sein

Terre des Femmes selbst weist die Vorwürfe zurück. Der Verein stellt die offene Frage in den Raum: „Wenn das Eintreten für Frauenrechte als ‚transfeindlich‘ gesehen wird, heißt das im Umkehrschluss, dass das Eintreten für ‚Transrechte‘ frauenfeindlich ist?“

Für Emily ist das „Bullshit“. Terre des Femmes setze sich eben nicht für die Rechte aller Frauen ein, da sie trans Frauen nicht als Frauen anerkennen. Eine gefährliche Meinung, sagt Emily. Dieser Hass kann tödliche Konsequenzen haben.

Das jüngste Beispiel kommt aus den USA: Am Sonntag wurden 18 Menschen verletzt und fünf Menschen bei einem Angriff auf einen queeren Club in Colorado getötet. Unter ihnen auch trans Menschen. Deshalb ist es für Emily auch wichtig, weiter gegen Transfeindlichkeit zu demonstrieren. Und deutlich zu machen: Trans Frauen sind Frauen.

Wir haben die ursprüngliche Überschrift dieses Textes am 21. April 2023 (15.38 Uhr) angepasst. Hintergrund ist eine unter anderem wegen der Überschrift ausgesprochene Missbilligung des Presserates vom 18. April 2023, die uns am 21. April erreicht hat.

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