Vormittags Vorlesungen in der Universität, Abgabestress, Bachelorarbeit – abends dann in der Bar arbeiten, sie leiten, sich um Kunden kümmern und jetzt noch eine zweite Bar eröffnen: Was für manche einzeln schon anstrengend genug ist, ist in den vergangenen Jahren für den Dortmunder Emirhan Ucar (25), alias Emilio, Alltag gewesen. „Ich liebe den Stress. Meine Mitarbeiter sagen mir immer, dass ich nicht ruhig sein kann“, sagt der 25-Jährige.
Mit dem Bargeschäft hat der Dortmunder schon früh angefangen. „Ich habe während meiner Abiturzeit angefangen, im Klubhaus am Stadtgarten als Stationskellner zu arbeiten. Als ich dann die Möglichkeit bekommen habe, die Bar zusammen mit meinem Partner zu übernehmen, dachte ich mir nur: Let´s do it“, erzählt Emilio im Gespräch mit der Redaktion.
Coronazeit sinnvoll genutzt
Und dann kam Corona. Doch was viele, gerade Gastronomen, eingeschränkt hat, hat Emilio sinnvoll genutzt. „Wir haben das Klubhaus komplett renoviert. Ich habe mein ganzes Erspartes in die Bar gesteckt“, erzählt er.
Die Corona-Zeit hat Emilio aber nicht nur genutzt, um seinen Laden zu renovieren. „Ich habe mich gefragt: Ich liebe es, Party zu machen. Ich liebe es, den Menschen das zurückzugeben. Wie können wir das am besten machen?“. Aus diesen Gedanken entwickelt er das Konzept für seine Bar, das auf seinen eigenen Erfahrungen beruht. „Früher war es so, dass du in einem Restaurant beginnst, um zu essen. Danach ging man in eine Bar zum Trinken, gefolgt von einem Club zum Feiern. Ich wollte das an einem Ort vereinen“, erklärt der Dortmunder.
Doch nicht bei allen hat Emilio mit seiner Idee Anklang gefunden. „Am Anfang haben die Leute das nicht verstanden, die haben gesagt: ‚Ey Emilio. Versuchst du da?’“, so der 25-Jährige. Doch Emilio blieb seiner Linie treu – mit Erfolg. Denn fünf Jahre später ist er nun Besitzer und Betreiber einer zweiten Bar, der ehemaligen CU-Bar an der Kampstraße.
Geld spielt keine Rolle
Um dort die Renovierung voranzutreiben, hat Emilio laut eigenen Angaben erneut sein ganzes Erspartes in den neuen Laden gesteckt. „Mir geht es nicht ums Geld. Sondern darum, den Menschen etwas zurückzugeben“, sagt der Dortmunder.
Sein Ziel ist es, dass sich seine Gäste wie zu Hause fühlen. „Ey, das coolste Gefühl der Welt ist es, wenn Menschen glücklich sind. Dafür gebe ich auch meine Zeit und arbeite deutlich länger als 40 Stunden in der Woche. Ich mache das, weil ich die Gastronomie liebe und weil ich den Menschen einfach etwas zurückgeben will. Komm zu mir nach Hause, fühl dich sicher, trink und hab Spaß, das ist mein Motto“, beschreibt Emilio seine Werte, die er von einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben gelernt hat: seiner Mutter.
Meine Mama ist mein Vorbild
Emilios Mutter hat in der Gastronomie gearbeitet und zeitgleich Emilio und seine drei Geschwister allein großgezogen. „Seit ich sechs Jahre alt bin, ist mein Vater verschwunden. Warum, weiß ich nicht und will es auch nicht wissen“, erklärt er.
Zu seiner Mama sieht der 25-Jährige damals wie heute auf. „Als kleiner Junge habe ich mir sie angeguckt und gesagt: ‚Boah Mama, du bist so eine Powerfrau. Du machst das so toll’“, erinnert sich Emilio.
Stolz erzählt der 25-Jährige von seiner Familie und wo seine Wurzeln liegen: mitten im Herzen von Dortmund. „Ich bin ein Dortmunder Junge. Ich lebe mein ganzes Leben schon hier. Wir sind in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen – am Borsigplatz zu fünft in einer 60 Quadratmeter-Wohnung“, beschreibt er seine Herkunft.
Umso wichtiger ist ihm seine Familie. Als Ältester der vier Kinder hat er schon früh Verantwortung übernommen. Jetzt arbeitet die Familie zusammen im Klubhaus – auch die Mama. „Sie macht die Papierangelegenheiten im Büro. Sie kann Teilzeit arbeiten, kommen und gehen, wann sie möchte. Das ist mir egal. Hauptsache, die Papiere stimmen“, scherzt Emilio. Sein drei Jahre jüngerer Bruder ist sein Stellvertreter.

Nebenbei noch schnell studiert
Neben seiner fünfjährigen Tätigkeit im Bargeschäft und dem Aufbau der neuen Bar an der Kampstraße hat der 25-Jährige noch studiert. „Mitten in der Planung habe ich meine Bachelorarbeit geschrieben und vor ein paar Monaten mein Studium abgeschlossen. Ich habe den Bachelor in sozialer Arbeit gemacht“, so Emilio.
Eines weiß der Dortmunder Barbetreiber aber: Das schafft nicht jeder. „Du brauchst enorm viel Disziplin und ich sage immer, dass du mit dir selbst im Reinen sein musst. Es war sehr schwierig, keine Frage. Ich will jetzt auch zu niemandem sagen: ‚Hey, ich hab’s auch ganz locker gemacht’“, zeigt Emilio auch die Schattenseite des stressigen Lebens.
So haben ihm die letzten Jahre viel abverlangt. „Ich habe gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vorbeigegangen ist. Seit vier Jahren habe ich keinen Urlaub gemacht. Ich kenne keinen Urlaub, ich war das ganze Jahr überarbeitet, jeden Tag.“
Zwar liebt er den Stress, jedoch hatte dieser auch Auswirkungen auf seinen Körper. „Ich wurde oft krank, habe mich teilweise mehrfach übergeben müssen“, sagt Emilio. Die Frage, ob er glaubt, dass der Stress Auswirkungen auf sein Immunsystem gehabt hat, beantwortet er ehrlich mit ja.
Deswegen hat sich der 25-Jährige den Umständen angepasst, gehe regelmäßig zum Arzt und lässt seine Gesundheit kontrollieren. Mittlerweile gesteht er sich auch einen Ruhetag am Wochenende zu. „Den verbringe ich dann mit meiner Freundin. Das ist das Mindeste, was sie verdient hat“, so der 25-Jährige.
Ein Tag im Leben von Emilio
Doch wie sieht eigentlich der Alltag im Leben von Emilio aus? Um 5.45 Uhr steht der Dortmunder auf und geht erst einmal duschen, „um ein bisschen klarzukommen“. Nach dem Frühstück fährt Emilio ins Büro, kümmert sich um den Mailverkehr und andere Büroangelegenheiten.
Ab 10 Uhr geht er dann auf Termine mit seinen Geschäftspartnern. „Mir ist es wichtig, mit den ganzen Menschen immer in Kontakt zu bleiben. Seien es die Geschäftspartner oder die, die mir immer helfen, wenn ich sie brauche. Dann gehe ich gerne mit ihnen was essen und lade sie ein“, sagt der Barbetreiber.
Ab circa 17 Uhr ist Emilio in seinem Klubhaus anzufinden, wo er die Pläne für den Tag oder die Woche durchgeht und kontrolliert, dass auch alles in seiner Bar stimmt. Zur Öffnung bleibt Emilio noch vor Ort. Erst gegen 22.30 Uhr kommt er dann zu Hause an, macht sich fertig und geht schlafen, ehe der neue Tag wieder mit der Dusche um 5.45 Uhr startet.
Volles Vertrauen in seine Mitarbeiter
Die Bar abschließen tun seine Mitarbeiter, denen er vollends vertraut. „Mein Staff ist super. Wir sind mit vier Leuten gestartet, jetzt sind wir bei 30 Mitarbeitern und eröffnen eine zweite Bar. Das ist crazy“, findet Emilio.
Ihm ist dabei auch der Zusammenhalt innerhalb des Teams sehr wichtig. So will er mit gutem Beispiel vorangehen. Mal hilft der Barbetreiber in der Küche aus, mal hilft er hinter der Bar. Und seine Mitarbeiter danken es ihm. „Ich habe gelernt abzugeben. Das ist für Selbstständige immer schwierig. Ich bin so stolz auf mein Team, dass sie mich so schützen. Sie beschützen mich, mein Partner schützt mich. Nur dadurch ist das so möglich“, beschreibt Emilio seine Dankbarkeit.