Die Anzeichen, dass es mit einer der außergewöhnlichsten Kneipen Dortmunds nicht mehr so weitergehen würde wie bisher, haben sich in den vergangenen Wochen verdichtet.
Nun scheint es vollzogen: Die „Hirsch-Q“ an der Brückstraße ist zumindest am jetzigen Standort geschlossen. Die Telefonnummer der Kneipe ist „nicht mehr vergeben“. Und abends bleiben die Türen geschlossen in diesen letzten Sommertagen.
Inventar zum Teil abgebaut
Auf dem Instagram-Account der durch die linke Szene Dortmunds geprägten Kneipe sind aktuelle Fotos von auseinander gebautem Inventar zu sehen.
Darunter: Dutzende Kommentare, die deutlich machen, dass hier die Geschichte eines speziellen Ortes in Dortmund zu Ende geht.
„So ein wichtiger Ort für gute Menschen“, heißt es in einem Kommentar. „Ich könnte weinen, wenn ich das sehe“ und ähnliche Formulierungen sind in anderen Kommentaren zu lesen.
Ein älterer Post von Mitte August enthält die Info, dass der reguläre Betrieb bis zum 2. September lief. Weiterhin steht dort: „Ob es an an einem anderen Ort weitergehen wird, steht leider immer noch nicht fest.“
Genauere Informationen zu den Gründen und zur Zukunft nennen die „„Hirsch-Q“-Verantwortlichen auf Anfrage dieser Redaktion derzeit nicht.
Seit 2003 an der Brückstraße

Offensichtlich ist aber, dass die Zeit am unteren Ende der Brückstraße zu Ende geht. 2003 erschien „die Kuh“ auf der Bildfläche. Harter Punk und günstiges Pils auf engem Raum: Das bot einen Kontrast im Dortmunder Kneipenleben.
„Asozial aus Tradition“ titelt ein Schild unter dem Kneipennamen. Wer sich auf diese Metaebene begab, der war hier willkommen.

Die „Hirsch-Q“ wurde zu einem Ort für Personen mit klarer Haltung und Freude an harter Musik. Sie war über viele Jahre ein Ort für Live-Musik. Solche, die aus dem hinteren Ende eines schlauchartigen Raumes so richtig direkt kommt.
Das hier war ein Ort für diejenigen, die zu später Stunde noch ein Bier und eine Nische brauchten. Und sie war auch ein Ort, an dem sich Menschen politisch links positionierten und dazu nach außen standen.
Neonazi-Angriffe auf Linke
Eine Selbstbeschreibung nennt die Begriffe „Anti-Racist“, „Anti-Sexist“, „Anti-Homophobic“, „Anti-Transphobic“ als Leitlinien. Zahllose Sticker auf der Außenwand des Ladens gehen in eine ähnliche Richtung.
Als „linke Szene-Kneipe“, die es in jeder Großstadt gibt, wurde das von außen oft positiv wahrgenommen. Dieses Bild zeichnen zumindest mehrere Google-Bewertungen.
Wenige Jahre nach der Eröffnung geriet der Ort in das Visier von Rechtsextremen in Dortmund. Ab 2006 gab es immer wieder organisierte Überfälle auf die Räume. 2010 gipfelte das in einer Attacke von rund 25 Neonazis.
Ein auf Youtube immer noch verfügbares Video aus Überwachungskameras zeigen die Szenerie des Überfalls und das strukturierte und brutale Vorgehen der teils bewaffneten Angreifer, die der Gruppierung „Skinheadfront Dorstfeld“ zugerechnet wurden.
Urteil nach brutalem Angriff
Eine Person wird damals schwer verletzt, mehrere weitere leicht. Erst vier Jahre nach dem Angriff werden mehrere Beteiligte – darunter bekannte Personen aus der rechten Szene - zum Teil zu Freiheitsstrafen verurteilt.
Auch aufgrund dieser Erfahrungen agiert die Kneipe in der Kommunikation nach außen zurückhaltend.
Jetzt verläuft das Ende nach 20 Jahren eher still. Auch, weil es vielleicht vorläufig ist?
Zumindest äußern viele, die den Abschied auf Social Media begleiten, ihre Hoffnung, dass sich doch ein neuer Standort für diese außergewöhnliche Kneipe findet.
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