Seit 17 Jahren öffnet die Hirsch-Q fast täglich ihre Türen für feierfreudige Dortmunder.

© Anne Schiebener

Sperrstunde ist für Dortmunder Szenekneipe „wirtschaftliche Katastrophe“

rnBrückstraßenviertel

Normalerweise bewirtet Maurice Schubert seine Gäste bis spät in die Nacht - jetzt muss er sie um 23 Uhr vor die Tür setzen. Wie lange es so noch weitergehen kann, fragt er sich fast täglich.

Dortmund

, 26.10.2020, 17:05 Uhr / Lesedauer: 2 min

Aufs Foto möchte er nicht. „Und auch meine Gäste nicht fotografieren“, sagt er. Hintergrund ist die Nazi-Problematik in Dortmund und mehrere Auseinandersetzungen im Umfeld der Kneipe, die ein eher linkes Klientel anzieht. Viele Gäste sind aber sowieso nicht in der Hirsch-Q am Mittwochabend um 20 Uhr.

Vor der Kneipe besetzen Gäste zwei der vier Bierzeltgarnituren. Der Abend im Oktober ist noch warm genug, um draußen zu sitzen. Im Inneren sind ebenfalls zwei Tische belegt, dazwischen eine Plexiglas-Trennwand.

„Hier ist das beste Beispiel. Eine Gruppe bestehend aus vier Leuten aus drei Haushalten. Die wollen gerne an einem Tisch sitzen, geht aber nicht“, sagt Maurice Schubert, Inhaber der Hirsch-Q.

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„Ich hab den Laden aufgemacht und mach den auch wieder zu“

Der dunkelhaarige Mann mit der tiefen Stimme sitzt an der Theke, vor ihm steht ein halbvolles Bier, daneben liegt eine Schachtel Kippen. Er belegt den einzigen Platz am Tresen, der momentan belegt sein darf. „Nur hier kann der Sicherheitsabstand eingehalten werden“, sagt Maurice Schubert und zeigt mit seinen beiden Armen, wie weit er vom Theken-Personal und dem nächsten Tisch entfernt sitzt.

Eine leere Theke - das gehört mittlerweile zum Tagesgeschäft. Nur ein Platz ist weit genug vom Barkeeper entfernt, um den Sicherheitsabstand einhalten zu können.

Eine leere Theke - das gehört mittlerweile zum Tagesgeschäft. Nur ein Platz ist weit genug vom Barkeeper entfernt, um den Sicherheitsabstand einhalten zu können. © Anne Schiebener

Seit 17 Jahren gibt es die Kneipe im Dortmunder Brückstraßenviertel. Wegen der momentanen Corona-Situation stellt sich die Frage, wie lange sich die Hirsch-Q dort noch halten kann. „Ich hab den Laden aufgemacht und mach den auch wieder zu“, sagt Maurice Schubert.

Normalerweise wird es hier so richtig voll, wenn alle anderen Lokale in Dortmund schließen. „Noch auf ein Bier und Mexikaner in die Hirsch-Q“, heißt es dann häufig. Denn die Kneipe hat auch unter der Woche bis spät in die Nacht geöffnet.

Sperrstunde sei für die Hirsch-Q eine „wirtschaftliche Katastrophe“

Durch die Sperrstunde ist das nicht mehr möglich. Um 23 Uhr müssen die Gäste die Kneipe spätestens verlassen. Dadurch geht viel Geld verloren. „Ich weiß ganz genau, wie viel von den Einnahmen über das ganze Jahr gesehen fehlt“, sagt Schubert.

Die genauen Summen möchte der Inhaber aber für sich behalten. Als „schlimme Einbußen“ und „wirtschaftliche Katastrophe“ könne man es bezeichnen, sagt er.

Auf der Suche nach alternativen Konzepten öffnet die Hirsch-Q jetzt zwei Stunden früher - um 17 statt 19 Uhr. „Funktioniert aber nicht“, sagt Maurice Schubert. „Die Leute kommen nicht früher zum Trinken.“

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Auch über den Sommer konnten fehlende Einnahmen nicht eingeholt werden. „Wir sind ein typischer Winterladen. Im Sommer gehen die Dortmunder lieber in den Park“, sagt er. Ein halbwegs normaler Sommer hat somit auch „nichts gerettet“.

Private Partys und nicht Gastro seien das Problem

Die Meinung des Hirsch-Q-Inhabers zur Gastro-Sperrstunde ist zwiegespalten. „Schwierig“, sagt er. „Auf der einen Seite ist es nicht verkehrt.“ Trotzdem glaube er nicht, dass die Gastronomie das Problem sei. Sondern eher die privaten Partys.

„Wenn die Leute nicht mehr ausgehen können, verlagert sich alles in die privaten Haushalte. Dabei ist die Gastro besser einsehbar und leichter zu kontrollieren“, sagt Schubert.

Im Sommer wurden Bierzeltgarnituren vor der Kneipe aufgestellt - die Hirsch-Q bleibt trotzdem ein Winterladen.

Im Sommer wurden Bierzeltgarnituren vor der Kneipe aufgestellt - die Hirsch-Q bleibt trotzdem ein Winterladen. © Anne Schiebener

Existenzängste gehören mittlerweile zum Tagesgeschäft dazu. „Für fast keinen Gastronomen, der nicht zu einer Kette gehört, ist das zu schaffen. Es ist so schon schwierig, den Laden zu halten. Die Ecke hier unten ist wenig belebt.“

Trotzdem hat Maurice Schubert ein Luftreinigungsgerät für die Kneipe gekauft, um auch im Winter saubere Luft im Laden gewährleisten zu können. Noch steht es unbenutzt unter dem Tisch.

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