Mit einem Geständnis ist am Bochumer Landgericht der Prozess um knapp 600 Corona-Scheinimpfungen in einer Arztpraxis im Paulusviertel fortgesetzt worden. Unter Tränen gab der angeklagte Arzt mit Wohnsitz in Dortmund-Oespel zu, Impfbescheinigungen ausgehändigt zu haben, ohne zuvor geimpft zu haben: „Das war falsch und verantwortungslos.“ Im Kern habe ihn wohl sein übergroßes Helferherz für seine Patienten dazu getrieben.
Als der Mediziner am Donnerstag (26.1.) das Wort ergreift, hat sein Verteidiger bereits die Richtung vorgegeben. „Ich bekenne mich schuldig“, erklärt der Recklinghäuser Arzt (66) gleich zu Beginn. Ja, er habe den Wünschen und Bitten vieler seiner Patienten nachgegeben, Impfpässe mit Original-Chargenaufklebern ausgegeben, obwohl keine Impfungen durchgeführt worden seien. Zugeben müsse er auch, dass es ihm dabei auch ein Stück weit um das ihm entgegengebrachte Gefühl von Dank und Anerkennung gegangen sei. Heute wisse er, dass das ein Riesenfehler gewesen sei. „Ich bereue mein Verhalten sehr und bin darüber zutiefst beschämt“, hieß es.
In der Corona-Hochphase sei es in der Praxis immer hektischer zugegangen. Verängstigte und chronisch vorerkrankte Patienten hätten ihn regelrecht angefleht, sie nicht zu impfen, trotzdem aber eine Impf-Bescheinigung auszustellen, so der Arzt. „In meiner Praxis gab es nur noch eine Krankheit und ein Gesprächsthema“, erinnerte sich der Mediziner. Zahlreiche Patienten hätten panische Angst vor den möglichen Nebenwirkungen der Impfung gehabt. „Viele weinten hemmungslos in der Praxis, weil sie sich hilflos ausgeliefert fühlten. Mütter hatten Angst um ihre Babys, viele brauchten eine Impfbescheinigung, um ihre Existenz nicht zu verlieren.“
Emotional überwältigt
Er habe sich in der Pflicht gesehen, keinen einzigen seiner Patienten in der Krise alleine zu lassen. Auch nicht die ungeimpfte Mutter eines Neugeborenen, die die Klinik 48 Stunden nach der Geburt kurz verlassen habe und plötzlich nur noch mit Impfpass wieder zurückgekonnt hätte. „Ich war emotional überwältigt und gab ihr ein Impfzertifikat damit sie zurück zu ihrem Baby konnte“, erklärte der Arzt mit tränenerstickter Stimme. Auch bei Zuhörern und Unterstützern des Arztes flossen bei diesem Satz Tränen.
Mit Blick auf eine „Spendenbox“ im Impfraum ließ der 66-Jährige erklären, dass das eingeworfene Geld aus dem Schuhkarton für Kopierpapier, Bürobedarf und Ausweis-Formulare verwendet worden sei.
Abgerechnet habe er als Privatarzt keine einzige Impfung. Und ja, er habe die ihm von Apotheken zur Verfügung gestellten Corona-Impfstoffe zuletzt auch im Müll entsorgt.

Bis zu dreieinhalb Jahre Haft
Im Vorfeld des Geständnisses hatten sich die Richter der 12. Strafkammer, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung bereits über den möglichen Strafrahmen verständigt. Der Recklinghäuser Arzt akzeptiert danach eine Gefängnisstrafe im Bereich von „drei bis dreieinhalb Jahren“. Gegen seine wegen Beihilfe mitangeklagte Sprechstundenhilfe (56) aus Herten könnten bis zu 20 Monate Haft auf Bewährung verhängt werden.
„Ich wollte immer nur helfen“
Der Mediziner sitzt seit Mai 2022 in U-Haft. Laut Anklage geht es um 589 Corona-Scheinimpfungen, außerdem um Impfstoff-Vernichtung. Neben Haft droht auch ein Berufsverbot.
Uneinigkeit besteht noch im Umgang mit (bislang von der Anklage ausgeklammerten) Strafanzeigen wegen Körperverletzung. Staatsanwältin Nina Linnenbank möchte die vereinzelten Fälle von Patienten, die offenbar behauptet haben, dass ihnen der Arzt unwissentlich Kochsalzlösung statt Impfstoff injiziert hat, jedenfalls aufklären.
Der Mediziner erklärte, er habe niemals etwas gegen den Willen eines Patienten getan. „Ich habe mich gesonnt in dem Gefühl, Gutes für meine Patienten zu tun“, so der Angeklagte. „Ich wollte immer nur helfen.“
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