Lieferengpässe bei wichtigen Medikamenten Apotheker Tenbieg warnt vor schwieriger Lage im Winter

Apotheker Felix Tenbieg fehlen Hunderte Medikamente
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Der Medikamentenmangel setzt Apothekerinnen und Apothekern in Dortmund weiterhin zu. Das berichtet Apothekensprecher Dr. Felix Tenbieg. Von rund 7.000 Artikeln fehlen in seiner Patroklus-Apotheke in Kirchhörde aktuell rund 450 Artikel.

Während in seinem Sortiment auch Kosmetika und Artikel wie Traubenzucker sind, bei denen es nicht ganz so schlimm wäre, wenn sie nicht lieferbar wären, seien ein Großteil der fehlenden Artikel Medikamente, sagt der Apotheker. „Das beschäftigt uns schon länger, aber es wird nicht besser“, sagt der Apotheker. Auch seinen Kollegen gehe es so.

Aktuell würden vor allem viele Antibiotika, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene, fehlen. Darunter auch das Breitband-Antibiotikum Amoxicillin, das häufig verschrieben werde, sagt Tenbieg. Außerdem sind vor allem Cholesterin- und Blutdrucksenker nicht lieferbar.

Anpassung bei Dosierung

„Einen Blutdrucksenker-Wirkstoff haben wir über mehrere Monate nicht bekommen. Die Patienten mussten deshalb auf einen anderen Wirkstoff umgestellt werden. Wie gut das immer funktioniert, ist die Frage“, sagt der Apotheker. „Das kann auch mal problematisch werden.“

Meistens bekäme man es aber hin, dass man die Patienten versorgen könne. Dann wird ein Medikament eines anderen Herstellers mit demselben Wirkstoff ausgegeben oder die Dosierung verändert. „Statt einer halben Tablette muss dann eine ganze genommen werden“, um dieselbe Wirkstoffmenge zu erreichen, nennt der Apotheker ein Beispiel.

Mit Blick auf die winterliche Infektionswelle, die nun langsam anrolle, und den vorhandenen Antibiotika stellt sich der Apotheker eine Frage mit vielen Fragezeichen: „Wie weit kommen wir damit durch den Winter?“ Die Situation sei einfach nicht bedarfsgerecht. „Wir versuchen, uns präventiv einzudecken, zwischendurch gibt es immer mal wieder Packungen, aber es gibt den Punkt, da haben wir es nicht mehr und bekommen es auch nicht.“

Belastend auch für Kunden

Die Apotheken in Dortmund stehen auch untereinander in Konkurrenz. „Wir haben das Bestellsystem auf unseren Computern geöffnet. Wenn ein bestimmtes Medikament auf Grün steht, bestellen wir es sofort“, sagt Tenbieg. Andere Kollegen würden das aber natürlich auch machen. „Manchmal kann man zugucken, wie die Verfügbarkeit umspringt, während man es gerade bestellen möchte.“

Die Situation sei auch für die Kundinnen und Kunden belastend. „Die Menschen sind schon viel gewohnt und fragen parallel bei verschiedenen Apotheken an“, sagt Tenbieg. Teils könne es aber auch sein, dass sie ein neues Rezept vom Arzt benötigen, weil das alte wegen der Wartezeit abgelaufen sei.

Eine gute Nachricht gibt es immerhin: Fiebersäfte und Fieberzäpfchen für Kinder, die im vergangenen Winter knapp geworden waren, sind aktuell verfügbar.

Exportverbote Denkbar

Das Diabetesmedikament Ozempic ist hingegen weiterhin schwierig zu bekommen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erwägt mittlerweile ein Exportverbot für Ozempic. Es wird abweichend von seiner eigentlichen Zulassung zunehmend auch zum Abnehmen benutzt. Da es in Deutschland günstiger als in anderen Ländern ist, wird es von hier aus auch in andere Märkte exportiert.

„Wir erfahren in den seltensten Fällen, warum ein Medikament nicht verfügbar ist“, sagt Tenbieg. Die gängigen Erklärungen seien aber Probleme bei den Lieferketten in der Welt. Es gebe schließlich fast keine Arzneimittel mehr, die vollständig in Europa oder Deutschland produziert werden. „Manchmal sind es auch nur der Messbecher oder die Dosierspritze, die zwingend mit einem Medikament ausgeliefert werden müssen, die gerade nicht verfügbar sind“, sagt Tenbieg. Dadurch komme dann alles ins Stocken.

„Das ist insgesamt keine befriedigende Situation. Ich fand meinen Beruf mal richtig gut, aber im Moment habe ich einfach die Nase voll“, sagt Tenbieg. Das hätten ihm die Kolleginnen in Kollegen in Dortmund, aber auch Apotheker aus anderen Bundesländern, die am Mittwoch am großen Apotheker-Streik in Dortmund teilgenommen hatte, so gespiegelt. „Es sind aber nicht nur die Inhaber, auch die Menschen, die teilweise seit 30 Jahren in Apotheken arbeiten, die die Lust verlieren.“ Es seien diese Missstände, auf die man mit dem Streik aufmerksam machen wollte, sagt Tenbieg.

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