Als der Feuersturm durch Dortmund fegte Bomben-Großangriffe begannen vor genau 80 Jahren

Als der Feuersturm durch Dortmund fegte: Bomben-Großangriffe vor 80 Jahren
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Für große Aufregung sorgte der Fund eines Bomben-Blindgängers am 4. Mai im Innenhof des früheren Gesundheitsamtes am Eisenmarkt. Während der Entschärfung mussten 900 Anwohner ihre Wohnungen verlassen, das Seniorenheim Christinenstift geräumt werden.

Es ist gut, möglich, dass der Blindgänger ziemlich genau 80 Jahre nur knapp unter dem Erdboden mitten in der City gelegen hatte. Denn vor eben 80 Jahren – im Mai 1943, hatte es als Reaktion auf Hitlers Angriffskrieg und die Bombardements englischer Städte durch Deutschland die ersten Großangriffe der Alliierten auf Dortmund gegeben, bei denen besonders das Stadtzentrum getroffen wurde.

Immer wieder Luftalarm

Ganz unvorbereitet trafen die Luftangriffe britischer Flieger Dortmund nicht. Schon 1940 hatte es erste Bombenangriffe auf Industrieanlagen gegeben. Immer wieder heulten die Sirenen. Die Bevölkerung war auf das Verhalten bei Luftalarm vorbereitet worden. Und es waren überall in der Stadt Bunker gebaut worden, darunter mit einem Tiefstollen unter der Innenstadt die wohl größte Bunkeranlage Deutschlands, die in weiten Teil noch heute erhalten ist.

Die Kreuzung Burgtor mit dem Königswall und der alten Hauptpost (r.) vor den ersten Bombenangriffen. Bombenattrappen (vorn) wiesen auf Luftschutzbunker hin.
Die Kreuzung Burgtor mit dem Königswall und der alten Hauptpost (r.) vor den ersten Bombenangriffen. Bombenattrappen (vorn) wiesen auf Luftschutzbunker hin. © Stadtarchiv

Im Frühjahr 1943 begann schließlich die als „Battle of the Ruhr“ bekanntgewordene Luftoffensive der Briten, an deren Ende im Frühjahr 1945 die Dortmunder Innenstadt nur noch eine Trümmerwüste war.

Dafür sorgten vor allem acht sogenannte Großangriffe, die von der britischen Luftwaffe – später auch mit amerikanischer Unterstützung - auf Dortmund geflogen wurden. Den ersten Großangriff erlebte die Stadt in der Nacht vom 4. auf den 5. Mai 1943 als von 596 Flugzeugen Bomben mit einem Gesamtgewicht von mehr als 1570 Tonnen über der Innenstadt abgeworfen wurden. Prägende Bauten wie das Alte Rathaus, die alte Bibliothek und die Propsteikirche – gleich neben der Straßen Eisenmarkt - wurden schwer getroffen und brannten aus, tausende Häuser zerstört. 693 Tote wurden offiziell gezählt.

Das historische Rathaus am Alten Markt wurde bei den ersten Bombenangriffen im Mai 1943 zerstört.
Das historische Rathaus am Alten Markt wurde bei den ersten Bombenangriffen im Mai 1943 zerstört. © Stadtarchiv

Auch in den nächsten Mai-Wochen heulten fast in jeder Nacht die Sirenen. Statt Bomben werfen die Briten dabei vor allem Flugblätter „in rauen Mengen“ ab, wie sich ein Zeitzeuge erinnert. Angst vor neuen Angriffen wird geschürt, soll der Nazi-Propaganda zum Trotz den Widerstandswillen in den Städten brechen.

Den andauernden Bombenkrieg bekommen die Dortmunder in den nächsten Tagen zunächst indirekt zu spüren. Der Angriff auf die Möhnetalsperre am 17./18. Mai, bei der ganze Orte nach dem Brechen der Staumauer überflutet werden und tausende Menschen sterben, zeigt auch in Dortmund Folgen. Das Wasser wird knapp. Sprengwasserwagen sind im Einsatz, teilweise wird das streng rationierte Nass per Auto in Tonnen herbeigeschafft.

Ein Notstand, der spätestens in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai schlimme Konsequenzen hat – beim nächsten Großangriff britischer Flieger auf Dortmund, der noch verheerender ausfällt, als der vom 5. Mai. Um 0.29 Uhr ertönt der Fliegeralarm, schreckt die Menschen erneut auf. Wieder geht es in Keller und Bunker.

„Kurze Zeit nach dem Alarm fallen Bomben in rauen Mengen“, heißt es in einem Tagebuch-Eintrag. „Die Flak schießt, was die Rohre nur zulassen. Brandbomben kommen auf Straßen und Gärten. Sprengbomben erschüttern die ganze Umgebung. Häuser stürzen zusammen oder brennen. Und immer wieder kommen neue Wellen Flugzeuge und werfen Bomben ab. Einundeinehalbe Stunde dauernd Angriffe. Das elektrische Licht setzt aus. Der ganze Horizont ist rot erleuchtet. Ein Großfeuer nach dem anderen. Dazwischen gehen Blindgänger hoch. Die Luft zittert. Wieder stürzen Gebäude zusammen.“

Das Wasser ist knapp

Mehr als 2200 Tonnen Spreng- und Brandmunition werfen die mehr als 800 eingesetzten britischen Bomber über der Innenstadt – Orientierungspunkt ist wieder die Reinoldikirche – ab. Speziell die Brandbomben zeigen einmal mehr verheerende Wirkung, zumal das Löschen wegen der Wasserknappheit kaum möglich ist. Mehr als 770 Großbrände und fast 4000 mittlere und kleine Brände werden gezählt. Ein Feuersturm lodert durch die Straßen.

So sah es an der Kampstraße mit der Petrikirche nach den ersten Großangriffen im Mai 1943 aus.
So sah es an der Kampstraße mit der Petrikirche nach den ersten Großangriffen im Mai 1943 aus. © Stadtarchiv

Die Folgen der Bombennacht vom 23./24. Mai sind entsprechend verheerend: Mehr als 620 Tote werden gezählt. Viele Überlebende haben ihr Zuhause verloren. Insgesamt – so die Bilanz nach dem zweiten Großangriff – haben mehr als 100.000 Dortmunder ihr Obdach verloren. Über 2000 Wohnhäuser, elf Kirchen – allen voran die Petrikirche – werden in der Bombennacht des 23. Mai total oder erheblich zerstört, dutzende Schulen und Industrieanlagen schwer beschädigt.

„Besonders der Norden ist ein Trümmerfeld geworden“, stellt die Stadtarchivarin Luise von Winterfeld in ihren Aufzeichnungen fest. „Man wird seines Lebens nicht mehr froh hier. Der zweite Angriff war noch schlimmer in der Stadtmitte und im Norden als der erste. Auf dem ganzen Burgwall, der Brückstraße, dem Westenhellweg usw. steht aber auch kein Haus mehr ganz“, schreibt eine andere Augenzeugin der Bombennacht in einem Brief.

Eindrücke, die selbst den Mann, der im fernen Berlin drei Monate zuvor den „totalen Krieg“ ausgerufen hatte, nicht kalt lassen. „Der Nachtangriff der Engländer war außerordentlich verheerend, wahrscheinlich der schwerste, der bisher auf eine deutsche Stadt geflogen wurde“, notiert Propagandaminister Joseph Goebbels in seinem Tagebuch. „Die Berichte, die aus Dortmund kommen, sind ziemlich grauenerregend.“

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