Alle Jahre wieder: Single-Shaming an Weihnachten

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Alle Jahre wieder: Single-Shaming an Weihnachten

rnKolumne „Dinner for One“

Unsere Autorin hat ihre Eltern über Weihnachten auf dem Dorf besucht. Dort musste sie sich einige Sprüche über ihren Beziehungsstatus anhören. Der nächste Teil unserer Single-Kolumne „Dinner for One“.

Dortmund

, 28.12.2021, 12:39 Uhr / Lesedauer: 3 min

Jedes Jahr fahre ich über die Weihnachtstage nach Hause zu meinen Eltern - so auch in 2021. Meinen Erwartungen entsprechend verlief alles wie immer: Meine Mutter hatte leckere Gerichte vorbereitet - von Lachs mit Reis bis hin zu Rinderbraten in Kombination mit Klößen und Rotkohl. Nachdem wir so viel gegessen hatten, bis uns bereits übel war, erklang eine Glocke. Das ist das Zeichen für den Besuch des Christkindes.

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Erst ab diesem Zeitpunkt durften wir das Wohnzimmer betreten, wo die goldgeschmückte Tanne und einige Geschenke auf uns warteten. Noch bevor die Bescherung ihren Lauf nahm, haben wir unterschiedlichste Weihnachtslieder gesungen und gemeinsam eine kurze Geschichte gelesen. Ich liebe diese Traditionen. Doch auf eine könnte ich sehr gut verzichten, die sich seit ein paar Jahren eingebürgert hat: das gottverdammte Single-Shaming an Weihnachten.

Weihnachten als Single auf dem Dorf

Es war wieder ein Weihnachten, an dem ich alleine, ohne Partner und ohne feste Beziehung, nach Hause zu meinen Eltern gefahren bin. Deshalb waren dämliche Aktionen und Kommentare seitens meiner Familie bereits vorprogrammiert. Hier meine Top 5 „Single-Shaming an Weihnachten 2021 im Hause Schuster":

  • Ich habe nicht an dem Erwachsenen-Tisch gesessen, so wie alle Ü18-Familienmitglieder, sondern an dem der Kinder.
  • Meine Geschwister und ihre Partner haben jeweils einen Gutschein für ein Wellness-Wochenende im Sauerland bekommen. Ich hingegen habe einen Gutschein für einen Hundeshop erhalten.
  • Mein Onkel begrüßte mich folgendermaßen: „Sag mir bitte, es ist ein Weihnachtswunder passiert und du hast einen Freund mitgebracht."
  • „Zumindest musst du kein Geld für ein weiteres Geschenk ausgeben", versuchte meine Schwester mich aufzuheitern.
  • „In deinem Alter war ich schon verheiratet und zum zweiten Mal schwanger", erzählte mir meine Tante während der Bescherung.

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Mit den Anspielungen meiner Familie sollte es aber nicht getan sein. Denn ich bin ein Kind vom Dorf, was bedeutet, dass sich auch der Nachbar, der Bäcker, der Buchhändler und die Friseurin um die Ecke für meinen Beziehungsstatus interessieren. So fragte mich Simone, die Nachbarin von meinen Eltern, beispielsweise, ob „ein Stadtbursche" inzwischen mein „Herz erobern konnte". Als ich dies verneinte, seufzte sie laut und schaute sie mich so bemitleidend an, als wäre soeben jemand gestorben.

Einen Tag vor Heiligabend schnitt die Dorf-Friseurin namens Helga meine Haare und sagte nebenbei „Ich weiß schon genau, wie ich dir an deiner Hochzeit die Haare hochstecken würde. Also lass' dir mit deinem großen Tag nicht mehr allzu viel Zeit, weil in zehn Jahren möchte ich in Rente gehen." Sogar Thorsten, der Buchhändler, machte mich auf mein Single-Dasein aufmerksam, als ich einen Thriller bei ihm abholte. „Auf welchen Namen ist das Buch denn bestellt? Immer noch Schuster?"

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Mein Single-Dasein ist keine bösartige Krankheit - ganz im Gegenteil!

In der Stadt ist mein Single-Dasein gar kein Thema. Das ist auf dem Dorf ganz anders. Dort muss ich mich für meinen Beziehungsstatus rechtfertigen. Schließlich müsse es ja irgendeinen genauen Grund geben, wieso ich nicht in einer Beziehung bin oder gar schon verheiratet. Sicher ist jedenfalls, dass mein Single-Dasein nicht normal ist und sich an diesem schrecklichen Umstand dringend etwas ändern muss, damit mein Leben nicht völlig aus den Fugen gerät.

Was ein Quatsch! Mein Single-Dasein ist ja keine Krankheit, an der ich sterben werde, wenn ich nicht schnellstmöglich einen Partner finde, der mich innerhalb eines Jahres heiratet. Ganz im Gegenteil: Ich bin stolz darauf, eine emanzipierte Single-Frau zu sein. Und obendrein bin ich auch sehr glücklich.

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Also, meine lieben Singles: Lasst euch von niemanden unterkriegen. Schließlich geht es auch niemanden etwas an, wie ihr euer Leben gestaltet. Und wenn mal wieder eine Person ihren Senf zu eurem Beziehungsstatus dazugeben muss, denkt an folgendes Zitat von den Ärzten: „Lass die Leute reden und hör ihnen nicht zu. Die meisten Leute haben ja nichts Besseres zu tun."