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Plötzlich ausgebremst: Aktienkurs von boomender Dortmunder Firma rutscht ab
E-Mobilität
Dortmunds Wachstumsriese, eine Firma im Bereich E-Mobilität, wird plötzlich ausgebremst. Das Geschäft entwickelt sich überraschend – die Aktie sinkt. Das hat mehrere Gründe.
Die Geschichte des Dortmunder Unternehmens Compleo Charging Solutions, das seinen Sitz an der Obersten-Wilms-Straße in Brackel hat, ist bislang eine von vielen Erfolgsmeldungen gewesen. Der Hersteller von Ladestationen für Elektrofahrzeuge hat einen deutlichen Expansionskurs eingeschlagen. Jetzt hat die Aktiengesellschaft aber einen Rückschlag zu vermelden.
„Der Vorstand ist zur Einschätzung gelangt, dass die Geschäftsentwicklung im Gesamtjahr 2021 schwächer als erwartet ausfallen wird und die bisherige Umsatz- und Ergebnisprognose angepasst werden muss.“ So ist es in einer aktuellen Pressemitteilung zu lesen.
Nach einer neuen Auswertung rechne man nun mit einem Jahresumsatz zwischen 56 und 61 Millionen Euro - bislang war man von 68 bis 78 Millionen ausgegangen. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) werde wohl „im hohen einstelligen negativen Euro-Millionenbereich“ liegen. Zuvor war ein ausgeglichenes Ergebnis erwartet worden.
Compleo wartet auf Computerbauteile aus Asien
Zu den Gründen für die schlechtere Prognose zählen laut Compleo Probleme bei Zulieferern, was zu Lieferverspätungen führe. Für diese Lage werde „kurz- wie mittelfristig“ keine nennenswerte Verbesserung erwartet.
„Besonders eng ist es bei allen elektronischen Computerbauteilen aus Asien. Auf Leiterplatten warten wir 20 Wochen statt vier Wochen. Relais haben Lieferzeiten von bis zu 70 Wochen“, sagt Vorstandsmitglied Peter Gabriel im Gespräch mit unserer Redaktion. Knapp seien auch die Logistikkapazitäten. Es seien einfach weniger Seefrachtcontainer von Asien nach Europa unterwegs.
„Außerdem fehlt auch Kunststoff-Granulat für die Gehäuse der Ladestationen. Das Granulat ist ein Abfallprodukt aus der Kerosin-Produktion. Da aber aufgrund der Pandemie die Flugzeugflotten lange fast komplett still standen, wurde auch nur wenig Kerosin hergestellt“, so Peter Gabriel.
Zu guter Letzt wirke sich auch die Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz aus: „Messingbleche, die wir verbauen und von Firmen in den betroffenen Gebieten beziehen, sind plötzlich nicht verfügbar.“
Compleo musste Markteinführung verschieben
All das – und auch fortgeführte Optimierungsmaßnahmen – hat dazu geführt, dass die Markteinführung einer neuen Ladebox länger gedauert hat als geplant. Das „Abrufverhalten von vereinzelten Kunden“ habe sich zudem auch unerwartet verändert.
Es sind also weniger Produkte verkauft worden als gedacht. Bei subventionierten Projekten habe es darüber hinaus Förderzusagen verzögert gegeben.
Diese Nachricht hat sich sofort auf den Aktienmarkt ausgewirkt. Ende Oktober 2020 war die Compleo-Aktie mit einem Preis von 47,80 Euro an den Start gegangen. Bis zum August wurde der Wert bis auf 116 Euro mehr als verdoppelt.
In den vergangenen Wochen ist der Aktienkurs zunächst leicht gesunken, am Montagabend (4.10.) lag er bei 83,60 Euro. Nach Veröffentlichung der geringeren Prognose rauschte der Kurs dann regelrecht hinab, bis auf 68,80 Euro am Dienstagmittag und auf 66 Euro am Donnerstagmittag (7.10.).
„E-Mobilitäts-Welle wird nicht abebben“
„Das tut weh“, sagt der Compleo-Manager Peter Gabriel, „zwei Quartale fehlen uns. Aber wir gucken nach vorne. Wir planen keine Kurzarbeit für unsere über 400 Beschäftigten in Dortmund, sondern wollen im Jahresendspurt noch etwas reißen.“
Die Lieferengpässe und auch die damit einher gehenden Preisanstiege würden den Schwung beim Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur zwar „ein bisschen bremsen“, aber die E-Mobilitäts-Welle werde nicht abebben.
„Wir haben aktuell gut 53.000 öffentliche Ladepunkte in Deutschland. Und das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 eine Million Ladepunkte zu schaffen, bleibt ja bestehen“, sagt Peter Gabriel.
Nach mehreren Stationen in Redaktionen rund um Dortmund bin ich seit dem 1. Juni 2015 in der Stadtredaktion Dortmund tätig. Als gebürtigem Dortmunder liegt mir die Stadt am Herzen. Hier interessieren mich nicht nur der Fußball, sondern auch die Kultur und die Wirtschaft. Seit dem 1. April 2020 arbeite ich in der Stadtredaktion als Wirtschaftsredakteur. In meiner Freizeit treibe ich gern Sport: Laufen, Mountainbike-Fahren, Tischtennis, Badminton. Außerdem bin ich Jazz-Fan, höre aber gerne auch Rockmusik (Springsteen, Clapton, Santana etc.).

Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
