Affären um DEW und Stadtenergie im Rat Einschätzung von Rechtsanwalt belastet Ex-DEW-Chefin Heim

Affären um DEW: Aussage von Rechtsanwalt belastet Ex-Chefin Heike Heim
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Was wusste OB Westphal, zugleich Aufsichtsratsvorsitzender von DEW, tatsächlich? Bislang bestreiten Westphal (und mit ihm der gesamte Aufsichtsrat), von der damaligen DEW-Chefin Heike Heim im Krisenjahr über die veränderte Strategie beim exorbitant teuren Strom- und Gaseinkauf informiert worden zu sein.

Dadurch könnten dem Energieversorger im schlimmsten Fall Verluste bis zu 100 Millionen Euro entstehen, haben Wirtschaftsprüfer festgestellt. Heim wird vorgeworfen, den Aufsichtsrat über den Kurswechsel beim Einkauf nicht informiert zu haben. Mitte 2024 wurde ihr Vertrag als Vorstandsvorsitzende von DSW21, dem Mutterkonzern von DEW, fristlos gekündigt. Heim selbst weist die Vorwürfe nach wie vor zurück.

Die Beschaffungsaffäre und der Betrugsskandal bei der Tochter stadtenergie, der bei DEW einen Schaden von 74 Millionen Euro verursacht hat, haben Dortmunds Energieversorger in die wohl größte Krise seit seinem Bestehen geführt. DEW-Aufsichtsratschef Westphal erklärt, von all den Vorgängen nichts gewusst zu haben. Noch am Dienstag (24.9.) gab er auf Anfrage zu Protokoll: „DEW hat von März bis August 2022 seine Beschaffungsstrategie geändert und dabei das vom Aufsichtsrat gesetzte Limit überschritten“, so Westphal. „Der Aufsichtsrat ist darüber nicht in Kenntnis gesetzt worden.“

Irritation um Powerpoint-Folie

Für Irritationen sorgten kurzzeitig Power-Point-Folien zu den Themen Beschaffung/Energiemarkt, die dem Aufsichtsrat in seiner Juni-Sitzung 2022 vorgestellt worden sein sollen. Den entscheidenden Hinweis zum Energieeinkauf soll eine Folie mit der Nummer 87 gegeben haben: Dabei geht es um „Absicherungsaktivitäten des Handels“ bei DEW, erläutert mit Grafiken und Kurven zu Mengen. Daraus soll hervorgehen, dass DEW für die Monate Oktober, November und Dezember 2022 rund 10 Prozent über Bedarf einkaufen will - was aber lediglich ein Teilaspekt der gesamten Beschaffungsaffäre ist.

Die DEW-Kontrolleure bestreiten, den Inhalt dieser Folie zu kennen. „Diese Folie hat der Aufsichtsrat nie zu Gesicht bekommen“, wie ein Mitglied des Gremiums sagt. Der besagte Vortrag habe mit der Folie Nummer 83 geendet. Folie Nummer 87 gebe es schlichtweg nicht. Doch, es gibt sie, wie DEW am Donnerstag (26.9.) auf Anfrage unserer Redaktion wissen ließ. Sie sei bei der damaligen Aufsichtsratssitzung „zusammen mit weiteren Folien im Backoffice gehalten worden“, heißt es.

AfD wollte sogar Pehlke hören

Die Folie sei „zurückgehalten und der Inhalt dem Aufsichtsrat nicht dargestellt worden.“ Nach den Gründen gefragt, antwortet DEW so: Diese und weitere Folien seien lediglich als Erklärungen für eventuell aufkommende Rückfragen vonseiten der Aufsichtsräte gedacht gewesen, heißt es auf Anfrage. Die damalige DEW-Geschäftsführung habe diese Folien quasi vorausschauend erstellt, um bei Rückfragen reagieren zu können. Im Übrigen sei die Folie "nicht selbsterklärend" und gebe keine weiteren Hinweise auf die veränderte Einkaufsstrategie.

Für einige stellt sich die Frage, ob Westphal über besagte Folie und ihren Inhalt im Bilde war. Als Vorsitzender des Aufsichtsrates legt er die jeweilige Tagesordnung der Sitzungen fest. Hatte er in Vorbereitung der Juni-Sitzung 2022 möglicherweise doch Kenntnis? Grüne und CDU hakten nach – und wollten von Westphal im Rat wissen, „inwieweit er (…) in den Prozess der Energiebeschaffung und die diesbezüglichen Entscheidungen auf Seiten DEW eingebunden war.“ Auch die AfD hatte einen entsprechenden Antrag gestellt - und regte an, Ex-DSW21-Chef Guntram Pehlke zu befragen.

„Wir sagen nicht, irgendjemand ist schuld“, sagte CDU-Fraktionsvize Sascha Mader. Es gehe darum, im Sinne der Bürger für Aufklärung zu sorgen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Lögering sagte, es gehe darum, sich „ehrlich zu machen“, ob und wem welche Details bekannt gewesen seien. Die im Krisenjahr eingekauften Energiemengen würden DEW bis 2025 auf die Füße fallen, äußerte sich SPD-Fraktionschefin Carla Neumann-Lieven, die in ihrer Rede mehrfach auf die damaligen Umstände hinwies. Mit Blick auf die Betrügereien bei stadtenergie, sprach sich Neumann-Lieven für die Auflösung der DEW-Tochter stadtenergie aus. Utz Kowalewski, Fraktionschef Linke+, merkte zur Einkaufspolitik von DEW an, er zweifle, "ob die damals verantwortlichen Akteure den Energiemarkt verstanden hätten."

Spekulationsgeschäfte bei DEW?

Und der OB? Zu stadtenergie werde er sich nicht äußern, sagte Westphal. Er wolle die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht gefährden. „Die Behauptung, Aufsichtsräte hätten etwas gewusst, ist falsch“, sagte Westphal in seiner mit Spannung erwarteten Rede. Er habe sich mit der Rechtsanwaltsgesellschaft Aderholt in Verbindung gesetzt, die in Sachen DEW beauftragt ist. Er, Westphal, dürfe Aderholt zitieren. Ergebnis: Ex-DEW-Chefin Heim habe ohne „Wissen und Mitwirkung“ der beiden anderen Geschäftsführer entschieden, sämtliche Leitplanken aus dem Risikohandbuch von DEW nicht weiter anzuwenden, wie es in einer mit Aderholt abgestimmten Pressemitteilung hieß.

Das habe der Aufsichtsrat nicht wissen können. Ebenso wenig, dass im 2. Halbjahr 2022 das zuvor genehmigte Risikokapital für Marktpreise um ein Vielfaches überschritten worden sei. Der Aufsichtsrat habe keinen Verdacht schöpfen können, dass Heim „unter Verstoß gegen alle internen Risikorichtlinien und Informationspflichten im großen Stil ... mit dem damaligen Chefeinkäufer Spekulationsgeschäfte im Energiehandel vornahm“, heißt es. Entscheidend sei nicht der Inhalt der Power-Point-Folien - sondern der Umstand, dass Heim die Gremien nicht informiert habe.