
© Oliver Schaper
Ständchen und Tränen: Emotionaler Abschied von Dortmunder Traditionsgeschäft
Einkaufen in Dortmund
Mal eben ein paar Süßigkeiten oder ein Heft für die Schule kaufen - 45 Jahre lang war das Dortmunder Geschäft eine Anlaufstelle für die Menschen im Kreuzviertel. Die nahmen nun Abschied.
Zum Schluss war es noch mal ein großer Bahnhof. Viele Menschen sind an den Neuen Graben gekommen, um vor dem Geschäft von Mechthild Kemper Abschied zu nehmen. Denn mit dem 31. Dezember, dem Silvestertag, endet der Vertrag. Bis zum 15. Januar muss das Geschäft geräumt sein. Das Schreib- und Tabakwarengeschäft wird bald für immer geschlossen sein.
Schon im Vorfeld hatte es viele letzte Male gegeben, viele Abschiedsbesuche, viele Abschiedsgespräche in dem beliebten Geschäft im Dortmunder Kreuzviertel. Wie beliebt Mechthild Kemper und ihre Mitarbeiterin Inge Kehlau waren, zeigte sich aber noch einmal am Freitagvormittag. Es waren fast 100 Menschen - junge und alte Dortmunder - die sich vor dem kleinen Laden versammelten um dem Kemper-Team ein Ständchen zu bringen.
Sie sangen Hannes Waders „Heute hier, morgen dort“. Besonders wehmütig klang die Zeile: Es ist mir längst klar, dass nichts bleibt, dass nichts bleibt wie es war.“ Und bedeutet diese Veränderung für viele der Erwachsenen Abschied zu nehmen von einem Geschäft, in dem sie schon als Kinder eingekauft hatten. Abschied auch von einem Stück altem Dortmund, das früher geprägt war durch seine Bude an der Ecke oder dem, was Mechthild Kemper über vier Jahrzehnte aufrecht erhielt: dem, was man früher gemeinhin Tante-Emma-Laden nannte.

„Großer Bahnhof“ für eine Institution: Viele Kreuzviertel-Bewohner kamen zum Abschied vom „Kleinen Kaufkaus Kemper“ an den Neuen Graben. © Oliver Schaper
Zum Abschied eingeladen hatten die Naturfreunde Kreuzviertel. Im Vorfeld schrieb ihr Vorsitzender Olaf Greve an die Redaktion: „Frau Kemper ist seit Jahrzehnten eine Institution im Kreuzviertel: Mit ihrem spezifischen Sortiment vom Schulheft über Süßigkeiten, Zeitschriften und Zeitungen sowie kleineren Haushaltswaren ist sie bei den Anwohnern und gleichermaßen auch den Schulkindern äußerst beliebt.“. Mal eben um die Ecke gehen und schnell noch was besorgen, das habe den Laden ausgemacht. Doch es gehe um mehr als das Geschäft, das dem Quartier nun verloren gehe: „Es ist die vertraute gute Seele, der Mensch Frau Kemper, die man für einen Plausch ansprechen kann, die zuhört und zugleich auch ein wenig Nachrichtenbörse des Viertels ist: Authentisch, mit viel Wissen über die Menschen, das Quartier und deren Geschichte.“
Im Juni, so berichteten es damals Mechthild Kemper und Inge Kehlau, sei die Kündigung für das Ladenlokal ins Haus geflattert. Damals ein Schock für die Händlerinnen. Im Dezember begann dann der Ausverkauf. „Alles muss raus“ stand auf einem Schild. Freitag dann das Ständchen zum Abschied. Mechthild Kemper nahm es sichtlich gerührt entgegen.
Leitender Redakteur, seit 2010 in der Stadtredaktion Dortmund, seit 2007 bei den Ruhr Nachrichten.
