Schulaufgaben zuhause auf dem Tablet bearbeiten: Das ist in den vergangenen Wochen zum Alltag für Dortmunder Schüler geworden. Aber auch nur für die, deren technische Ausstattung das zulässt. © dpa
Schule in Zeiten von Corona
Digitales Lernen überfordert viele Schulen und Eltern in Dortmund
Seit sechs Wochen lernen die meisten Kinder in Dortmund auf Distanz. Der Unterricht wird über digitale Medien organisiert. Das legt viele Probleme offen - bei Kindern, Eltern und Lehrern.
Das Lernen über elektronische Plattformen, E-Mails und Messenger-Dienste hat durch die Schulschließungen in Folge der Corona-Krise rasant an Bedeutung gewonnen. Auch, wenn die ersten Kinder und Jugendlichen jetzt an die Schulen zurückkehren: Digitales Lernen wird eine andere Rolle spielen als vorher.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte zuletzt betont: „Ein Regelbetrieb an den Schulen, wie wir ihn vor der Zeit der Pandemie kannten, wird auf absehbare Zeit wegen der Infektionsgefahr leider nicht möglich sein. Daher wird das digitale Lernen im Lernalltag unserer Kinder auch in den nächsten Monaten immer wichtiger werden.“
Die vergangenen sechs Wochen haben viele Probleme aufgezeigt
Deshalb können die vergangenen sechs Wochen durchaus als Modell dafür dienen, welche Stärken Dortmund beim digitalen Lernen hat. Aber sie zeigen vor allem auf, welche Probleme noch zu lösen sind.
Wie nehmen Eltern den digitalen Unterricht seit Mitte März wahr? Es gibt diejenigen, die mit der Doppelbelastung von Beruf und Homeschooling gut zurecht kommen, und Kinder, denen das selbstständige Arbeiten liegt. Und viele Lehrer, die das Beste aus dieser Ausnahmesituation gemacht haben.
Eltern holen bezahlte Hilfe für ihre Kinder, weil die Doppelbelastung aus Beruf und Schule zu hoch ist
Aber zahlreiche Eltern beschreiben massive Probleme mit der gegenwärtigen Situation. Auffällig: Sie sprechen offen über die Lage, aber sie möchten nicht namentlich auftreten, aus Sorge vor negativen Konsequenzen für ihre Kinder.
So berichtet eine Familie mit drei schulpflichtigen Kindern, dass die Vielzahl der Aufgaben kaum zu bewältigen sei, wenn beide Eltern außer Haus berufstätig sind. Diese Familie hat sich jetzt bezahlte außerschulische Hilfe ins Haus geholt, was im System des Distanzlernens eigentlich nicht vorgesehen, aber auch nicht überprüfbar ist.
Eine andere Mutter berichtet vom Alltag an einem Gymnasium: „Die Kinder müssen sich selbst Themen beibringen. Sie sollen etwas lesen, drei oder vier Tage später kommt dann das Lernblatt dazu. Und darauf baut der Stoff im nächsten Schuljahr dann auf“.
Sie beklagt fehlende Verlässlichkeit. „Man hat ständig ein Auge auf E-Mails und Lernplattformen, muss immer auf dem Sprung sein und sitzt häufig abends dann trotzdem noch mit den Kindern über Aufgaben“, sagt die alleinerziehende Dortmunderin.
Große Unsicherheit: Wie werden die Leistungen bewertet?
Für große Unsicherheit sorgt bei vielen Eltern außerdem gerade die Frage, wie die Leistungen im Distanzunterricht bewertet werden. Denn hier treffen die Schulen in Dortmund sehr unterschiedliche Aussagen.
Einige kündigen an, nur gute Leistungen bewerten zu wollen. Andere wollen das Arbeiten mit digitalen Mitteln überhaupt nicht in die Benotungen einfließen lassen. Wieder andere betonen, dass der Unterrichtsstoff in Zukunft natürlich auch auf den Inhalten der vergangenen sechs Wochen aufbaue.
Das Schulministerium sendet widersprüchliche Botschaften. So hat es in der Schulmail vom 16. April deutlich gemacht, „dass die während des Ruhens des Unterrichts bearbeiteten Aufgaben keiner Leistungskontrolle oder -bewertung unterliegen“.
Knüpfe jedoch der Unterricht nach Wiederbeginn an die bearbeiteten Aufgaben an, „so können Leistungen, die dann, auch infolge des häuslichen Arbeitens, aus dem Unterricht erwachsen, bewertet werden“.
Nicht erbrachte oder nicht hinreichende Leistungen werden nicht in die Zeugnisnote einbezogen, positive Leistungen dafür schon.
Die Ungerechtigkeit wird größer
Aus Sicht vieler Eltern bevorzuge dieses Vorgehen die Kinder, die ohnehin schon durch die bessere technische Ausstattung und den Bildungshintergrund der Eltern bevorteilt sind. Diejenigen, die über die Handys ihrer Eltern kommunizieren müssen oder keinen eigenen Laptop mit W-Lan-Zugang haben, geraten noch weiter in Rückstand.
Eine Lehrerin einer Grundschule im Dortmunder Süden erzählt von schwierigen Bedingungen in Familien. „Von ganz vielen Eltern kommt keine Rückmeldung, trotz der ausdrücklichen Bitte darum. Viele können die Kinder inhaltlich nicht unterstützen, das gilt schon für Erst- und Zweitklässler.“
Lern-Apps, Videochats und Lernplattformen könnten manches auffangen. „Aber ich bin in den vergangenen Wochen auch herum gefahren und habe Aufgaben in den Briefkasten geworfen, damit ich sicher sein konnte, dass sie ankommen.“
Elternvertreterin: „Wir wissen nicht, wie groß die Lücke wirklich ist“
Sava Stomporowski von der Landeselternschaft der integrierten Schulen (LeiS) sagt: „Wir wissen nicht, wie groß die Lücke der Kinder wirklich ist, die abgehängt werden.“
Die Infrastruktur beim digitalen Lernen mag in Dortmund mit seiner großen Schullandschaft besser sein als anderswo. Es gibt Klassen, für die diese Art des Lernens keine große Umstellung bedeutet.
In der Realität haben viele Schulen kein W-Lan und die Lehrer keine Arbeitslaptops
Aber die Realität sieht gerade im Grundschulbereich immer noch so aus, dass es Schulen ohne W-Lan gibt. Dass Lehrer in der Regel kein mobiles Arbeitsgerät haben und dann - verbotenerweise - ihre privaten Geräte benutzen.
Knapp 100 von 160 Schulen sind etwa immer noch nicht an das Bildungsportal „iServ“ angeschlossen, das die Stadt Dortmund allen Schulen anbietet.
Aus dem Bundesbildungsministerium kam zuletzt zumindest ein positives Signal. 150 Euro sollen laut einem neuen Gesetz pro Kind für die Anschaffung von Technik zur Verfügung stehen.
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