Klo-Chaos im Westpark? Eine Selbsterfahrung zwischen Bassbox, Grills und üblem Siff

Aufs Klo im Westpark? Ein Selbstversuch
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Paff. Plötzlich knallt es am Westpark. Als wäre ein Böller explodiert. Niemand zuckt. Der Knall wird von der Geräuschkulisse beinahe sofort verschluckt: Monotone Beats schallen aus Bluetooth-Boxen, Jugendliche unterhalten sich und stoßen mit Flaschen an. Klirr.

Es ist sonnig an diesem Dienstagabend (18.7.), irgendwas zwischen 20 und 25 Grad, die Bäume im Park spenden abendlichen Schatten. Der Geruch von verbrennender Kohle liegt in der Luft während dunkle Rauchwolken über den mobilen Grills aufziehen – und irgendwo im Gras liegt ein schlafendes Pärchen.

Zur TV-Primetime – um 20.15 Uhr – stehe ich vor dem Osteingang des Westparks. Die erste Menschenansammlung kann ich schon von der Möllerstraße sehen und hören: Ein Dutzend junger Leute hat sich unter dem Wetterpilz versammelt. Eigentlich ist die Holzüberdachung abgesperrt, aber das rot-weiße Flatterband liegt im Dreck.

An manchen Stellen im Westpark landet der Müll nicht im Eimer.
An manchen Stellen im Westpark landet der Müll nicht im Eimer. © Benjamin Kübart

Im Fernsehen läuft jetzt der abendliche Krimi, aber das hier ist das echte Leben: ein Polizeiwagen umrundet den Westpark in Schrittgeschwindigkeit über die Rittershausstraße. Ich überschlage grob: Mehr als 300 Menschen haben sich in der Anlage verteilt. Ein Großteil sitzt auf den Wiesenflächen im Süden. Einige haben Picknickdecken oder Campingstühle mitgebracht.

Eine vierköpfige Familie hat ihr Lager mit mehreren Plastiktüten abgesteckt. In der Mitte des Kreises steht ihr mitgebrachter Grill. Was auffällt: Gegen 20.30 Uhr nutzt niemand die drei öffentlichen Grillstationen im Park. Vor ihnen türmen sich Abfälle wie Asche, aber auch Holz und Pappe.

Das Toiletten-Problem

Ich will dem zuletzt gemeldeten Pinkel-Problem nachgehen und ziehe weiter: Die öffentlichen Toiletten im Westpark sollen nicht funktionieren, hieß es zuletzt mehrfach. Was ist da dran?

Nachdem ich eine rund 20-köpfige Gruppe passiere, die Paartänze probt, entdecke ich das gelbe Toilettenhaus. In diesem Moment verlässt ein Wachmann mit Warnweste den Blechcontainer, schließt ihn ab und läuft querfeldein über die Wiese. Vielleicht kann er mir helfen? Ich gehe hinterher.

Mein Weg führt mich in nördliche Richtung, vorbei an Grabsteinen, die an die Vorgeschichte des Westparks als Friedhof („Westentotenhof“) erinnern. Einige der verwitterten Grabmäler sind mit Kritzeleien beschmiert. An den Laternenpfählen kleben Aufkleber – einer fordert Gerechtigkeit für Mouhamed Dramé, der in der Nordstadt von der Polizei erschossen wurde.

Am Dienstagabend verbringen viele junge Leute Zeit im Westpark und lassen sich auf den Wiesenflächen nieder.
Am Dienstagabend verbringen viele junge Leute Zeit im Westpark und lassen sich auf den Wiesenflächen nieder. © Benjamin Kübart

Im Nordteil des Parks wird es ruhiger. Kinder klettern auf ein meterhohes Gerüst am Spielplatz an der Rittershausstraße. Auf einer Bank aus Mosaik-Steinen, die eigentlich ein Kunstwerk sein soll, stehen leere Pfandflaschen und Müll herum. Ich verliere den Sicherheitsmann aus den Augen. Planänderung. Ich kehre um.

Die Biergarten-Besetzung

Das Café Erdmann am Rand des Parks hat heute geschlossen, darauf weist ein großes, gelbes Schild hin. Der Zugang zum Biergarten war gerade noch mit Flatterband abgesperrt. Um 20.45 Uhr ist das Band zerrissen und zwei Männer sitzen an der Bierzeltgarnitur. Aus der Entfernung ist bereits der Polizei-Transporter zu sehen: Von der Rittershausstraße fährt er mitten durch den Park und rollt auch am Biergarten vorbei – ohne zu halten. Einer der beiden Männer spuckt auf den Boden.

Am Biergarten des Café Erdmann hat jemand das Flatterband eingerissen.
Am Biergarten des Café Erdmann hat jemand das Flatterband (rechts) eingerissen. © Benjamin Kübart

Hinter dem Café steht ein weiteres Toilettenhaus, das ich gegen eine Gebühr von 50 Cent nutzen können soll. „Tür öffnet sich automatisch bei Bezahlung“, steht auf der Edelstahl-Front. Falsch.

Die Tür öffnet sich auch ohne Zahlung wieder und wieder. Gelbe Flüssigkeit steht bis zum Rand in der Kloschüssel, die mit Toilettenpapier vollgestopft ist. Auch wenn es gratis ist: Dieses WC ist keine Option.

„Die machen das mit Absicht“

Um 21 Uhr geht es zurück zum gelben Blechhaus, vor dem ein einsames Fahrrad steht. Sein Besitzer tritt plötzlich hinter dem Hochbunker auf der anderen Seite hervor, der als Depot genutzt wird. Er zuppelt an seiner Hose, richtet den Gürtel – hat sein Geschäft anscheinend gerade verrichtet. „Die ist zu“, sagt er zu mir und deutet auf die Tür des Klohauses, in die jemand die Worte „Halt’s Maul“ eingeritzt hat. „Da hinten gibt’s noch eine“, schiebt er nach und blickt in die Richtung, aus der ich gerade gekommen bin. „Da hinten ist es gerade schlecht. Sehr schlecht“, antworte ich. Mein Gegenüber nickt, schwingt sich auf sein Fahrrad und fährt zum Spielplatz.

Aus der entgegengesetzten Richtung laufen zwei Mitarbeiter des Wachdienstes zum verschlossenen Toilettenhaus. Sie öffnen den gelben Container ausnahmsweise für einen jungen Mann, der sie darum gebeten hat. Ich schaue hinein: Nur das Pissoir kann benutzt werden, denn alle Kloschüsseln sind verstopft und das Wasser steht bis zum Rand. Einer der Wachleute erzählt: „Die machen das mit Absicht.“

Er habe die Toilette mal für zwei Stunden aufgeschlossen. In dieser Zeit müsse jemand Toilettenpapier genommen haben, um die WCs zu verstopfen, denn anschließend waren sie wieder unbenutzbar.

Die Toilette hinter dem Café Erdmann ist verstopft und die Tür defekt.
Die Toilette hinter dem Café Erdmann ist verstopft und die Tür defekt. © Benjamin Kübart

21.14 Uhr. Fast eine Stunde ist vorbei. Ich laufe zurück zum Eingang. Am abgesperrten Wetterpilz lagert noch immer eine Gruppe, die den Park mit Bass-Sounds beschallt. Jetzt treten die zwei Sicherheitsleute in Aktion. „Ihr müsst hier weg“, sagt einer, lächelt und legt einem Besucher die Hand auf die Schulter. Ein paar Scherze. Auch über vermehrte Partys am Pilz und Lärm bis in die Nacht hatte es zuletzt Beschwerden gegeben. An diesem Abend, mit dieser Gruppe: Keine Eskalation. Die Versammlung löst sich auf.

„Hier liegt noch Müll“, sagt der Wachmann, noch bevor bevor die Jugendlichen weg sind. Die Feiernden kommen der indirekten Aufforderung nach und fangen an, Abfall und Leergut in braune Papiertüten zu stopfen. „Komm hierher, mein Freund, heb‘ das auch noch auf“, sagt der Wachmann und stellt sich so breitbeinig hin wie John Wayne, der gerade ein paar Unruhestifter aus dem Saloon geworfen hat.

Während ich den Westpark verlasse, hängt sein Kollege das Flatterband wieder auf.

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