
© Anke Klapsing-Reich
Zwei Dorstenerinnen wünschen sich eine Barrierefreiheit auch für Hörgeschädigte
Hörgeschädigte
Auf den ersten Blick ist ihre Behinderung nicht zu sehen, dennoch sind Hörgeschädigte in unserer Stadt oft vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Zwei betroffene Frauen wollen das ändern.
Ihren Englischkurs in der Volkshochschule hat Mechthild Lienemann aufgegeben. Und als sie jetzt den Versuch unternahm, mit ihrem Mann den aktuellen Kinofilm „Der Junge muss an die frische Luft“ anzusehen, verstand sie kaum ein Wort. Mechthild Lienemann ist stocktaub. Eine Hirnhautentzündung war die Ursache dafür, dass die Wulfenerin von einem Tag auf den anderen ihr Gehör verlor.
Eine bittere Erfahrung, die sie mit vielen anderen Dorstenern teilt. Zum Beispiel mit Elvira Mager: „Bei mir schlich sich die Gehörlosigkeit langsam, aber stetig an“, erzählt sie. Beide tragen Cochlea-Implantate (CI) im Ohr, die ihnen das Hören im überschaubaren Raum und Rahmen ermöglichen. Doch bei öffentlichen Veranstaltungen stößt auch diese CI-Technik an ihre Grenzen - die von „normalen“ Hörgeräten sowieso.
Bedürfnisse werden übersehen
Diese Beeinträchtigung von Lebensqualität wollen die beiden Frauen nicht einfach so hinnehmen. „Beim Wort Barrierefreiheit denken die Entscheider in der Stadtverwaltung vor allem an extra-breite Parkplätze, Rampen für Gehbehinderte oder Schilder in Braille-Schrift. Und was wird für Hörgeschädigte getan? Unsere Bedürfnisse werden oft übersehen, weil unsere Behinderung nicht so offensichtlich ist“, sagen die beiden.
Sie sind davon überzeugt, dass die Situation für Hörgeschädigte in unserer Stadt verbessert werden kann, und dazu brauche es ihrer Meinung nach auch gar keinen großen Aufwand: „FM-Übertragungsanlagen sind kabellos und können bei Vorträgen, Sitzungen, Stadtführungen oder Lesungen eingesetzt werden, damit schwerhörige Menschen Sprechende besser verstehen.“ Die Anlage filtere störende Hintergrundgeräusche und einen Nachhall heraus - so könnten Hörgeschädigte einen Vortrag in beinahe derselben Klangqualität wie normal Hörende erleben. Kostenpunkt für die Anschaffung eines „Komplett-Koffers“: „Ab zwei-, dreitausend Euro lässt sich da schon was machen“, schätzt Elvira Mager.
Eine weitere Möglichkeit sei das Verlegen von Induktionsschleifen: „Wenn beispielsweise in größeren öffentlichen Räumen, wie der St.-Ursula-Realschul-Aula, im VHS-Forum, im Gemeinschaftshaus Wulfen oder im Kino für die vorderen Sitzreihen eine Ringschleife verlegt würde, wäre das für Hörgeschädigte ein großer Schritt für die uneingeschränkte Teilnahme am kulturellen Leben in unserer Stadt“, meint Mechthild Lienemann.
Informationsabend am 26. Februar
FM-Anlagen, Induktionsschleifen? „Von dieser Technik und wie sie funktioniert, haben die meisten noch gar nichts gehört“, sind sich die beiden Frauen sicher. Deswegen haben sie am 26. Februar (Dienstag), 16 Uhr, eine Info-Veranstaltung in der Agentur für Ehrenamt, An der Vehme 1, organisiert, auf der Fachleute diese Übertragungsanlagen für Hörbehinderte vorstellen.
„Wir haben zig Vertreter von öffentlichen Einrichtungen samt Bürgermeister dazu eingeladen“, hoffen sie auf rege Resonanz. Und darauf, dass in Dorsten schon bald diese Technik eingesetzt wird, wie es sie in vielen Städten NRWs schon gibt. Denn die Betroffenen wissen: „Wer nichts mehr versteht, der zieht sich nach und nach zurück.“
- Anmeldung und Kontakt: Elvira Mager, Tel. (02362) 71145, oder Mechthild Lienemann, E-Mail.
- Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es nach Schätzungen des Deutschen Schwerhörigen Bundes mehr als drei Millionen hörgeschädigte Jugendliche und Erwachsene - das sind knapp 20 Prozent der Bevölkerung unseres Bundeslandes.
In Dorsten aufgewachsen, in Trier studiert, im Dortmunder Pressehaus „Reportage und Reise“ gemacht und 1999 zurückgekehrt. Seitdem begrüße ich die Leser gerne mit „Guten Morgen“-Glossen“ und anderen Geschichten aus dem Kultur- und prallen Alltagsleben.
