Zufriedenheitsumfrage ist „Alarmzeichen für jeden Christen“
Pastor nimmt Stellung
Das Bistum Münster stellte am Montag (2.3.) die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage vor. Das Ergebnis: 30 Prozent der 1000 Befragten sind mit der katholischen Kirche unzufrieden. 40 Prozent gaben eine durchschnittliche Bewertung ab, 30 Prozent sind zufrieden. Die Dorstener Zeitung sprach mit Dechant und Pastor Ulrich Franke.
Was haben Sie zuerst gedacht, als Sie gehört haben, dass 30 Prozent der Befragten unzufrieden sind? Wenn „unzufrieden“ heißt, dass Menschen meinen, im Raum der Kirche werde ihnen nicht zugehört, hätten ihre Sorgen keinen Raum, ist das für jeden Christen, jede Christin ein Alarmzeichen, für Seelsorger und Seelsorgerinnen sowieso – unabhängig von Prozenten. In den Gemeinden überlegen mittlerweile etliche, wie wir zu Menschen in den sehr unterschiedlichen Lebenssituationen besser Kontakt herstellen können. Daran hapert es. Die großen Pfarreien fördern zudem nicht unbedingt Nähe.
Darf ich auch was Kritisches zum Ansatz der Studie sagen? Sie wurde ja unter Marketing-Gesichtspunkten erstellt. Marketing-Leute geben Geschäftsleuten Rat, wie sie gewinnbringender verkaufen und sich deutlicher als Marke darstellen können. Für jeden Geschäftsinhaber ist das ja okay. Kirche läuft aber anders – ähnlich wie zum Beispiel eine Arztpraxis. Wir sollen Gott ehrlich verkündigen und den Menschen in seinem Namen nahe sein und versuchen, ihnen zu helfen. Vieles, was wir machen, ist nach außen schwer darstellbar und darf es auch nicht sein. Wir verkaufen nichts. Außerdem: Wann immer die Kirche sich besonders darstellte, sich zur Marke machte, ging’s abwärts. Kirche ist Werkzeug Gottes. Wer so denkt, macht sich keine Sorgen darum, wie ich mich besser als Marke darstellen kann.
Tendenz in Dorsten sicher ähnlich
Glauben Sie, dass, wenn man die Umfrage nur in Dorsten durchführen würde, die Ergebnisse ähnlich werden?
Ich hoffe natürlich: besser, weiß es aber nicht. Was ich weiß und jede(r), die (der) irgendwie in den Gemeinden mitarbeitet, dass die Kontakte katholischer Christen zu Gottesdiensten, zum gemeindlichen Leben viel loser geworden sind. Die Zahl der Kirchenaustritte ist gestiegen. Deshalb wird die Tendenz hier vor Ort sicher ähnlich sein.
55 Prozent der Befragten gaben an, die Kirche sei ihnen zu rückständig. Können Sie sich vorstellen, was die Befragten in diesem Zusammenhang genau kritisieren? Auch in der Studie wurde ja nicht genau gefragt. Ich kann nur vermuten. Wahrscheinlich werden etliche die katholische Sexual- und Ehemoral nennen, die Art der Gottesdienste oder auch die Art und Weise, wie über und zu Gott gesprochen wird. Ich erlebe: Wenn Leute sich in der Kirche ernstgenommen wissen (nicht nur fühlen), sich beteiligen können, relativiert sich der Rückständigkeitsvorwurf. Wir sprechen Menschen an, indem sie sich beteiligen und nicht, indem wir uns von vornherein anpassen.
Irren zugeben und lernfähig sein
Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler und Marketing-Experten erklärten, dass die Zufriedenheit durch Beziehungsqualität erhöht werden könnte. Wie kann man denn die Beziehungsqualität steigern? Ich bin kein Wissenschaftler, sondern einfacher Pastor. Das weiß ich: Jeder kommt weiter, wenn er zugibt, dass er geirrt hat und lernfähig ist. Das gilt zwischenmenschlich und auch in jeder Institution, also auch in den Gemeinden und in der ganzen Kirche. Wenn das klappt, ist das eine ehrliche Grundlage für eine gute Beziehungskultur.
Laut einer Studie der evangelischen Kirche erwägen in Westdeutschland 40 Prozent der unter 21-Jährigen und 25 Prozent der 21- bis 29-Jährigen einen Kirchenaustritt. Scheinbar schafft es die Kirche nicht mehr, die jungen Menschen zu erreichen. Was kann man dagegen tun? Das macht – denk‘ ich – allen in der Kirche Sorgen. Wir erreichen junge Menschen kontinuierlich ganz wenig. Sehr viele machen mit in der Firmvorbereitung, etliche sind in den Jugendverbänden und Projekten aktiv. Zu den Gottesdiensten kommen sie selten. Das alles gilt im Übrigen auch für die Älteren. Das ist die Defizitwahrnehmung. Auf der anderen Seite sagen sehr viele junge Menschen, dass sie Christen, Christinnen sind, sogar katholische. Sie zeigen es anders, als wir möchten. Uns hilft nicht, zu klagen, sondern, versuchen zu verstehen und das Gespräch aufzunehmen.
Das Bistum kündigte an, auf die Studie reagieren zu wollen – unter anderem mit Plänen bezogen auf die Gestaltung der Gottesdienste. Gehört der lokale Pastoralplan auch dazu? Als die Idee vom lokalen Pastoralplan von der Bistumsleitung kam, waren die meisten in den Gemeinden not amused. „Wir haben doch Wichtigeres zu tun.“ Jede Pfarrei soll Schwerpunkte in ihrer Arbeit setzen, vorher aber gut sehen: Wo leben wir? Was tun die Menschen? Wie leben sie? Diese Wahrnehmung der Realität als Grundlage für unser pastorales Handeln finde ich sympathisch und sinnvoll.
80 Prozent der Befragten kennen den Namen von Bischof Felix Genn. Was glauben Sie: Wie viele Katholiken in Dorsten kennen Ihren Namen? Da haben Sie mich bei meiner Eitelkeit erwischt. Vermutlich kennen mich etliche, nachdem ich jetzt zwanzig Jahre hier bin. Im Ernst: Darauf kommt es in der Sache ja gar nicht an. Wichtig ist, dass alle in Dorsten wissen: Wenn ich Sorgen habe, wenn ich mich engagieren möchte, wenn ich Mitchristen suche kann ich mich an diese Frau, diesen Mann wenden. Das meiste und beste läuft über Zwischenmenschliches – gerade im Glauben.