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Mit Chaos zum Freispruch – Wie ein Dorstener GaLa-Bauer die Grenzen des Strafrechts testet
Kunden fühlen sich geprellt
Acht wütende Zeugen, zahlreiche Betrugsvorwürfe und eine umfangreiche Vorgeschichte. Vor Gericht sah es schlecht aus für einen Dorstener GaLa-Bauer. Am Ende wurde er trotzdem freigesprochen.
Acht wütende Zeugen, die sich geprellt fühlten, neun Anklagepunkte, darunter gewerbsmäßiger Betrug sowie Unterschlagung und ein prall gefülltes Zentralregister mit ähnlichen Fällen - als die Staatsanwältin die Anklage verlas, gab es wohl nicht viele im Saal, die daran glaubten, dass es für den Angeklagten gut ausgehen könnte. Aber am Mittwochvormittag im Dorstener Amtsgericht lief es ganz anders.
Denn am Ende stand ein Freispruch in allen Anklagepunkten. Doch wie kam es dazu? Der selbstständige Garten- und Landschaftsbauer aus Dorsten hatte in mehreren Fällen Aufträge in der gesamten Region angenommen und diese auch allesamt begonnen.
In mehreren Fällen hatte er Geld für Garten- und Handwerksarbeiten erhalten, denen aber auch Arbeitsleistung und Kosten, etwa für Material oder die Miete von Maschinen, gegenüberstanden. Dann immer wieder das gleiche Muster: Er sollte nachbessern, weitere Arbeiten übernehmen, sich kümmern. Dann hörte er auf. Und der Streit begann.
„Er ist ein absoluter Chaot, aber kein Betrüger“
Mal sollte er Wasserschalen für einen Bachlauf ersetzen, mal eine Terrasse neu pflastern, mal eine Mauer neu bauen. Aber immer wenn es kompliziert wurde, meldete sich der 32-Jährige nicht mehr. Er kümmerte sich nicht. „Das zieht sich durch alle Fälle“, berichtet sein Verteidiger. „Er ist ein absoluter Chaot, aber kein Betrüger.“
Weitere Vorwürfe: Einen Anhänger soll er unter einem „Fantasienamen“ angemeldet haben, einen gemieteten Bagger beschädigt zurückgegeben haben, ohne den Schaden zu ersetzen. Ein Büro in der Suitbertusstraße habe er zwar angemietet, aber nie die Miete gezahlt. Und die Anzahlung für eine von ihm zum Verkauf angebotene E-Klasse soll er unterschlagen haben.
Doch für alles hatte er eine mehr oder weniger gute Erklärung parat. Der Anhänger? „Wir brauchten ihn länger.“ Dem Vermieter habe er aufs Band gesprochen, um dies zu melden. Der „Fantasiename“? Setzte sich aus seinem Vornamen und dem Nachnamen seines Geschäftspartners zusammen. Verwechslung nicht ausgeschlossen.
Angeklagter zahlt bar im Gerichtssaal
An einen Anruf konnte sich der Vermieter nicht erinnern. Deshalb rief er die Polizei. „Wenn einer nicht zahlen kann, dann eben nicht. Ich wollte doch nur den Anhänger wieder.“ „Und wenn einer Chaot ist?“, fragte Richterin Lisa Hinkers. „Immerhin steht hier gewerbsmäßiger Betrug im Raum.“ Eine Strafe für den Angeklagten wolle er nicht, so der Anhänger-Verleiher. „Ich will, dass der Zettel zerrissen wird.“ Noch im Gerichtssaal beglich der Angeklagte die offene Schuld von 300 Euro in bar.
Das Büro? Nie bezogen. Kurz nach der Unterzeichnung des Mietvertrags habe er sich mit seinem Geschäftspartner verkracht - und deshalb den Schlüssel zurückgegeben. Das Auto? Mit dem Käufer sei er sich schon einig gewesen. Dieser habe auch schon eine Anzahlung von 950 Euro geleistet, so der Angeklagte. Kurz vor der Übergabe sei dann der Stoßdämpfer kaputtgegangen. Als die Reparatur schon beauftragt war, habe der Verkäufer Abstand genommen. Die Anzahlung habe er dann genutzt, um die Werkstatt zu bezahlen.
„Alles irgendwie unter der Hand“
Und der beschädigte Bagger? „Ist der nicht versichert?“, fragte einer der Schöffen. „Die Miete haben wir per Handschlag geregelt“, so die Antwort des Angeklagten. „Bei ihnen läuft sehr viel per Handschlag“, merkte die Richterin an. „Und alles irgendwie unter der Hand.“ Kostenvoranschläge hatte der Dorstener per Whatsapp versendet.
Lauter unsaubere Geschäfte, aber betrügerisch im strafrechtlichen Sinne? Nein, stellte die Staatsanwältin in ihrem ausführlichen Plädoyer fest und forderte einen Freispruch. „Die Vorwürfe sind so nicht haltbar, es ist weder eine Betrugsabsicht noch eine Unterschlagung haltbar.“
„Juristisch ist der Fall ganz einfach“, schloss sich der Verteidiger an. Für einen Betrug müsse schon bei Vertragsabschluss die Absicht vorliegen, diesen nicht zu erfüllen. Immer wieder habe der Angeklagte aber Leistungen erbracht. „Egal wie beschissen die war.“ Auch eine Absicht, sich einen Vorteil zu verschaffen sei nicht erkennbar. „Strafrechtlich steckt da nichts drin.“
Ungläubige Blicke und Kopfschütteln bei den Zeugen
Dieser Forderung schloss sich die Richterin an und sprach den Angeklagten in allen Punkten frei. „Dieses Urteil muss man erst mal verkaufen“, stellte sie fest. Denn von den Zeugen erntete sie dafür nur ungläubige Blicke und Kopfschütteln.
Zwar seien es schon „sehr spezielle Geschäfte“, die der Angeklagte getätigt habe. „Aber wir machen hier Strafrecht.“ Und an dieser Stelle falle eben die landläufige Vorstellung von Betrug mit der strafrechtlichen auseinander. „Sie können ja zivilrechtlich klagen“, empfahl sie den Zeugen. Glücklich wirkten die damit nicht. „Ich höre auf zu arbeiten und mache das jetzt auch so“, murmelte einer.
Aufgewachsen im tiefsten Münsterland, Volontariat bei Lensing Media, Redakteur der Dorstener Zeitung. Immer auf der Suche nach den Geschichten, die diese Stadt schreibt.
