Weniger verkaufsoffene Sonntage in Dorsten „Trading-Down-Effekt“ in der Altstadt

Verkaufsoffene Sonntage: „Trading-Down-Effekt“ in der Altstadt
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Insgesamt 16 Sonn- und Feiertage dürften theoretisch in Dorsten pro Jahr verkaufsoffen sein. Blickt man in die Vor-Corona-Zeit zurück, gab es 2019 noch neun solcher Sonntage in Dorsten. Fünf Jahre später wird es im Jahr 2024 laut der neuen Verordnung über das Offenhalten von Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen im Gebiet der Stadt Dorsten nur noch sechs verkaufsoffene Sonntage geben. Und diese finden auch nicht mehr in vier, sondern nur noch in zwei Stadtteilen statt: vier davon in der Altstadt, zwei in Lembeck.

Bei den Veranstaltungen gibt es im Beschlussvorschlag für Hauptausschuss und Rat keine Überraschungen. In der Altstadt sind es „Dorsten is(s)t mobil“ am 7. April, das Altstadtfest am 16. Juni, das Herbstfest am 29. September und das Lichterfest am 3. November. In Lembeck kommen der Tiermarkt am 5. Mai und der „Kiek Rin Tag“ am 1. September dazu.

Ausführliche Begründung

Bekanntlich gibt es eine Organisation, die sich prinzipiell gegen verkaufsoffene Sonntage ausspricht: die Gewerkschaft ver.di. Mit Klagen hat sie in der Vergangenheit einige verkaufsoffene Sonntage in anderen Städten verhindert und auch in Dorsten gab es einen Eilantrag im Jahr 2022 beim Oberverwaltungsgericht gegen den verkaufsoffenen Sonntag bei „Dorsten is(s)t mobil“. Gestellt wurde dieser kurz zuvor - und vom Gericht abgelehnt. Die Gewerkschaft klagte damals auch gegen die Verordnung.

Für die aktuelle Verordnung hat die Stadt Stellungnahmen von Gewerkschaften, Verbänden, Kirchen und Kammern eingeholt: „Bis auf die Stellungnahme der zuständigen Gewerkschaft, der ver.di, sind alle eingegangenen Stellungnahmen positiv ausgefallen“, so die Vorlage, die von Bürgermeister Tobias Stockhoff unterschrieben ist.

„Ruinöser Wettbewerb“

„Sonntagsöffnungen befördern den ruinösen Wettbewerb, der auch durch die Tarifflucht vieler Handelsbetriebe angeheizt wird“, so ver.di-Gewerkschaftssekretär Michael Sievers in seiner Stellungnahme. Wegen der geringen Tarifbindung bekämen nicht alle Beschäftigten, die am Sonntag arbeiten, dafür Zuschläge. Die Beschäftigten würden nicht alle freiwillig am Sonntag arbeiten, sondern ständen unter ökonomischem Druck: durch die massiven Preissteigerungen der letzten Zeit sowie der hohen Teilzeitquote in der Branche.

Sievers unmissverständliche Drohung: „Sollten Sonntagsöffnungen beschlossen werden, die aus unserer Sicht gegen geltendes Recht verstoßen, behalten wir uns eine Überprüfung der Verordnung durch das Verwaltungsgericht vor.“

Die Geschäfte öffnen in Lembeck während des Tiermarktes am 5. Mai.
Die Geschäfte öffnen in Lembeck während des Tiermarktes am 5. Mai. © Guido Bludau (A)

Ausführliche Begründung

In diesem Zusammenhang muss man wohl auch die ausführliche Begründung im Beschlussvorschlag lesen, in dem offensichtlich versucht wird, ver.di keine offene Flanke zu bieten. So wird auf die rechtlichen Grundlagen verwiesen, auf das öffentliche Interesse und den Zusammenhang der Ladenöffnung mit den örtlichen Festen, auf die lange Tradition der Feste und dass die Ladenöffnung lediglich „als positives Beiwerk“ empfunden werde.

Das öffentliche Interesse wird auch durch die beabsichtigte Belebung der Innenstadt begründet. Dabei beruft sich die Stadt auf das Dorstener „Entwicklungskonzept zur Steuerung des Einzelhandels“ aus 2021. Stärkere Konkurrenz für inhabergeführten Einzelhandel und Discounter mit erweitertem Warensortiment werden darin prophezeit.

Trading-Down-Effekt

Die Stadt sieht auch einen „Trading-Down-Effekt“ in der Altstadt. Dieser sei oft Folge von Leerständen, die negative Auswirkungen für Handel, Gastronomie und Immobilieneigentümer hätten, „wodurch letztlich die Attraktivität der gesamten Stadt beeinträchtigt wird“. Laut Nobert Portz vom Städte- und Gemeindebund folgen beispielsweise auf Leerstände oft Billigläden (etwa „1-Euro-Shops“) oder Spielhallen, was das Bild der Städte monoton und austauschbar mache.

„Diese Entwicklung ist vor allem auch in der Dorstener Innenstadt zu beobachten“, heißt es in der Vorlage. Traditionelle und hochwertigere Geschäfte würden „zunehmend durch Billig- und Kleinläden ersetzt“. Besonders an der Recklinghäuser Straße sowie der oberen Lippestraße und an der Borkener Straße.

„Längerfristige Leerstände“

„Auch längerfristige Leerstände sind an mehreren Stellen festzustellen. Diese werden nach Möglichkeit durch die Präsentation von ehrenamtlichem Engagement versucht zu kaschieren, können über den Wegfall oftmals alteingesessener Einzelhändler jedoch nicht hinwegtäuschen“, so die Vorlage der Verwaltung. Gegen diese Effekte sei das „Wir machen Mitte“-Projekt mit einer Aufwertung der Innenstadt zuletzt abgeschlossen worden.

Auch die Gefahr der „Filialisierung“ der Stadt wird genannt, also die Ansiedlung von Filialbetrieben, die Einzelhandelsgeschäften Konkurrenz machen. Rund zwei Dutzend solcher Filialen zählt die Vorlage aus der Innenstadt auf und dem gegenüber ein Dutzend Einzelhandelsgeschäfte. Speziell für Mittelzentren bestehe „somit die Gefahr, auf lange Sicht in eine Abwärtsspirale zu geraten“.

„Schaufensterfunktion“

Zudem setze der Online-Handel dem stationären Handel zu. „Der angestammte und ortstypische Einzelhandel ist auch in der Dorstener Innenstadt immer weniger zu finden“, so Stockhoff in der Vorlage.

Die Verhinderung einer Abwärtsspirale liege im öffentlichen Interesse, wobei die verkaufsoffenen Sonntage wichtig seien. Sie leisteten einen „Beitrag zur Ansprache und Bindung von Besuchern an die Städte, sie dienen der Erschließung neuer Zielgruppen aus dem weiteren Einzugsbereich und übernehmen somit eine Schaufensterfunktion für die Innenstädte und Ortsteilzentren.“

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