
© Petra Berkenbusch
Bringt der Industriepark Große Heide Wulfen den endgültigen Verkehrskollaps?
Anwohner in Sorge
Verursacht der Industriepark Große Heide den Verkehrskollaps in Wulfen? Anwohner befürchten das. Am Mittwochabend diskutierten sie mit Planern und Gutachtern.
Über das Dilemma gab es Einigkeit auf allen Seiten: Der geplante Industriepark Große Heide Wulfen kann nur über die B58 an den Rest der Welt verkehrlich angeschlossen werden. Über das, was dadurch auf die Anwohner dieser ohnehin schon viel befahrenen Bundesstraße zukommen wird, machte sich am Mittwochabend im Gemeinschaftshaus Wulfen wohl niemand Illusionen. Nicht einmal Planer und Gutachter.

Gerrit Schweigert (v.l.), Dietmar Mücke, Marc Lohmann, Arno Flörke und Christoph Möllers beantworteten die Fragen der Bürger. © Petra Berkenbusch
Die stellten rund 100 Bürgern ihre Ideen und Berechnungen für den Industriepark vor, der auf dem ehemaligen Bergbaugelände sowie einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche insgesamt 32 Hektar für Neu-Ansiedlungen bieten soll. Bis zu 300 Arbeitsplätze erhofft die Stadt sich von diesem Gebiet, in dem kein Einzelhandel, keine Betriebswohnungen und keine Vergnügungsstätten erlaubt sein werden.
Viele Vorteile, aber ein ganz großer Nachteil
Ein neuer Verkehrsknotenpunkt an der Einfahrt zu Baumaschinen Badde, reichlich Lkw-Stellplätze, Straßenbäume, eine großzügige, 30 Meter breite Eingrünung rundherum, eine Nord-Süd-Verbindung für Radfahrer und Fußgänger, Dachbegrünungen und ein Regenrückhaltebecken im Süden konnten die Wulfener und Deutener Bürger nicht damit versöhnen, dass der Verkehr vor ihrer Haustür eklatant zunehmen wird.
Arno Flörke vom Ingenieurbüro für Akustik und Umwelttechnik in Haltern sprach von einer „relevanten Zunahme“. Rund 5000 zusätzliche Fahrzeugbewegungen pro Tag prognostizieren die Gutachter für den Industriepark. Ein großer Teil davon werde sicher durch Alt-Wulfen rollen, lautete die realistische Einschätzung des Ingenieurs, wo viele Häuser nah an der Bundesstraße stehen und die kritische Grenze für ungesunde Wohnwerte zeitweise schon jetzt erreicht sei.
Leiter des Planungsamtes
Dennoch, das hatten Dietmar Mücke vom Planungsbüro „Planquadrat“ und Stadtplaner Marc Lohmann zuvor versichert, würden selbst im ungünstigsten Fall bei Verkehrsspitzen zwischen 16 und 17 Uhr alle erlaubten Grenzwerte eingehalten.
Ein bis zwei Dezibel mehr Verkehrslärm werden erwartet
Mit ein bis zwei Dezibel mehr in der Ortsdurchfahrt Wulfen müsse man jedoch rechnen, erklärte der Lärm-Experte Arno Flörke, und das könne gefühlt durchaus zu viel sein, auch wenn es rechtlich nicht zu beanstanden sei.
Dieses Gefühl bestätigten viele Bürger in der anschließenden Diskussion. Fast alle Fragen drehten sich um die Belastung durch den Verkehr. Barbara Simon aus Wulfen brachte die Befürchtungen der Anwohner auf den Punkt: „Durch diesen Plan droht in Wulfen der Verkehrskollaps.“
Die Sorgen reichen bis nach Deuten. Silvia Rentmeister formulierte sie: „Was können wir Deutener gegen diese krank machende Belastung tun?“
Straßen.NRW wehrt sich gegen Tempo 30 auf der B58
Nicht viel, räumte Marc Lohmann ein: Lärmschutzwände an der B58 seien nicht möglich. Offenporiger, sogenannter Flüsterasphalt entfalte seine Wirkung erst bei höheren Geschwindigkeiten. Und Tempo 30, das er durchaus favorisiere, werde von Straßen.NRW bisher rigoros abgelehnt.
Einer der Experten empfahl den Bürgern, sich bei der Behörde weiterhin für ein Tempolimit einzusetzen: „Bohren Sie einfach weiter und nerven.“ Als einzige Lösung biete sich derzeit ein Lärmschutzfensterprogramm für betroffene Gebäude an. Bis Deuten, diese Hoffnung musste er den Bürgern allerdings nehmen, werde dieses Programm wohl nicht reichen.
Planer rechnen nicht mit Diesel-Fahrverboten
Wie es um die Luft in Wulfen bestellt sei, wenn der Schwerlastverkehr dermaßen zunehme, wollte ein Anwohner wissen. Lohmann: „Die Luftbelastung ist schwer zu prognostizieren“, aber da es sich in Wulfen nicht um eine klassisch-kritisch Großstadtlage handele, sei für diesen Bereich kein Diesel-Fahrverbot zu befürchten. Der Wulfener Günter Essing hatte da so seine Zweifel: „Der Dauerstau in Spitzenzeiten ist doch vorprogrammiert.“
Anwohnerin
Bei aller Sachlichkeit der Diskussion, ganz ohne Emotionen ging der Abend dann doch nicht zu Ende. Brigitte Mergen aus Wulfen hielt den Planern vor: „Hier wird doch alles schöngeredet. Das Industriegebiet wird den Menschen vorgezogen.“
Es sei ein Abwägungsprozess, erklärte Marc Lohmann, an dessen Ende der Rat zwischen den Vor- und Nachteilen abwägen müsse. Aus Sicht der Stadtplanung sagte er: „Es wird eine Verschlechterung geben, die wir gerade noch für vertretbar halten.“
Geboren und geblieben im Pott, seit 1982 in verschiedenen Redaktionen des Medienhauses Lensing tätig. Interessiert an Menschen und allem, was sie anstellen, denken und sagen.
